Perspektive

Nach der US-Halbzeitwahl wird der Nahostkrieg verschärft

Vergangene Woche gab das Pentagon den Tod eines 19-jährigen Marinesoldaten bekannt. Damit hat der erste von 1.900 im neuen Nahostkrieg eingesetzten amerikanischen Soldaten den Tod gefunden. Ohne Zweifel werden in diesem Krieg zahllose weitere amerikanische Opfer folgen. Was die irakischen und syrischen Männer, Frauen und Kinder betrifft, die in dieser jüngsten imperialistischen Intervention ihr Leben verlieren, so wird ihre Zahl ein Vielfaches davon betragen.

In wenigen Tagen wird die amerikanische Halbzeitwahl stattfinden. Wie sich immer deutlicher zeigt, will die Obama-Regierung die militärischen Operationen danach stark ausweiten, unabhängig davon, welche Partei wie viele Stimmen und Sitze im Senat und im Repräsentantenhaus bekommen wird.

Schon jetzt fordert der riesige Militär- und Geheimdienstapparat in Washington über seine Sprecher in Politik und Medien immer nachdrücklicher eine stärkere Bombardierungen und mehr amerikanische Bodentruppen im Irak und in Syrien.

Die Washington Post brachte diese Offensive für eine Militäreskalation in ihrem Leitartikel vom Montag auf den Punkt. Die Schlagzeile lautete: „Obamas halbherziger Kampf gegen den Islamischen Staat“. Darin heißt es, in Washington bilde sich „ein überraschender Konsens über alle ideologischen Grenzen hinweg“, der „die aktuelle Strategie der Obama-Regierung im Krieg gegen den Islamischen Staat im Irak und in Syrien (Isis) als untauglich“ betrachte. Angeblich seien „die erklärten Ziele mit den militärischen Mitteln, die der Präsident genehmigt hat, nicht zu realisieren“.

Der Leitartikel kritisiert das “moderate Tempo der Luftschläge” sowie „das Fehlen von Ausbildern am Boden und von Spezialtruppen, die irakische und syrische Kräfte begleiten könnten“. Er zitiert anonyme Quellen aus dem Pentagon, die es als unmöglich erklärten, in Syrien eine neue Söldnerarmee von „Rebellen“ ins Feld zu führen, „ohne sie am Boden zu beraten und Hilfestellung zu leisten“.

“Wenn wir die Terroristen besiegen wollen, dann müssen die Vereinigten Staaten bereit sein, ihre Ziele zu erweitern und ihr militärisches Engagement zu verstärken“, schließt der Leitartikel. Das mache es nötig, „eine Strategie gegen das Assad-Regime zu haben“ und zusammen mit irakischen und syrischen Stellvertretertruppen Spezialtruppen in den Kampf zu schicken.

Vergangene Woche hatte die Post schon einen Bericht gebracht, dass amerikanische und irakische Vertreter kürzlich eine Erhöhung der Zahl der amerikanischen Militär-“Berater“ im Irak diskutiert hätten. Angesichts der katastrophalen Bilanz der irakischen Armee, die im Konflikt mit Isis-Truppen schlicht zusammengebrochen sei, werde der Einsatz amerikanischer Sondertruppen im Feld in Betracht gezogen.

Ähnlich äußerte sich Anthony Cordesman, Ex-Pentagon Beamter und Berater am Center for Strategic and International Studies. Er schrieb, die amerikanische Strategie im Krieg in Irak und Syrien befinde sich in Auflösung, und er tat die Luftschläge in beiden Ländern als „militärische Alibi-Veranstaltung“ ab. Er betonte, den irakischen Truppen müssten „so bald wie möglich“ „Berater“ zur Seite gestellt werden, und man müsse „das Risiko von Gefechtsverlusten in Kauf nehmen“.

Dann schaltet sich der pensionierte Oberstleutnant John Nagl, Co-Autor des Handbuchs der Armee zur Aufstandsbekämpfung, mit der Forderung ein, 15.000 US-„Berater“ würden am Boden gebraucht, und der Krieg im Irak und in Syrien werde sicherlich „mindestens eine Generation lang dauern, wahrscheinlich länger“.

Ein lehrreicher Präzedenzfall für die stetige, unaufhaltsame Eskalation von „Beratern” im Auslandseinsatz ist der Vietnamkrieg. John F. Kennedy schickte kurz nach seiner Amtsübernahme ein paar hundert „Berater“ in dieses Land. Als er im November 1963 ermordet wurde, war ihre Zahl auf 16.700 angeschwollen. Innerhalb von knapp zwei Jahren wurden 200.000 US-Soldaten in den Krieg geworfen, und 1968 übertraf ihre Zahl bei weitem eine halbe Million.

Natürlich gibt es große Unterschiede zwischen Vietnam, wo Washington eingriff, um einen im Volk verankerten, antikolonialen Kampf niederzuwerfen, und dem Irak und Syrien, wo es die Krise ganz und gar selbst geschaffen hat. Die USA haben in einem fast neunjährigen Krieg den Irak zerstört. Durch die Bewaffnung und Unterstützung islamistischer Milizen haben die USA und ihre Verbündeten auch Syrien ruiniert.

Was Irak und Syrien mit dem Vietnam gemeinsam haben, ist die Tatsache, dass die vorhandenen Kräfte vor Ort, d.h. die irakische Armee und die so genannten „moderaten Rebellen“ in Syrien, ebenso wie damals die südvietnamesische Armee, völlig unzureichende Werkzeuge für die Erreichung der amerikanischen Ziel sind. Daher kommt die Forderung nach amerikanischen Kampftruppen, und zwar vielen und schnell.

Erneut wird die amerikanische Bevölkerung auf der Grundlage von Lügen in einen kriminellen Angriffskrieg gezogen. Der Krieg wird mit der Propaganda der Grausamkeiten von Isis gegen Minderheiten, ihrer Enthauptungen usw. verkauft, während das wirkliche Ziel darin besteht, mit militärischer Gewalt die amerikanische Hegemonie im strategisch wichtigen und ölreichen Nahen Osten zu sichern.

Die Ziele dieses Krieges erstrecken sich über nationale Grenzen hinweg und umfassen nicht nur die erneute Besetzung des Irak, sondern auch den Sturz der syrischen Regierung und ihre Ersetzung durch ein gefügiges amerikanisches Marionettenregime. Diese Kriegsziele wiederum bringen den US-Imperialismus ganz klar auf Konfliktkurs mit dem Iran und Russland. Dadurch entsteht die reale Gefahr eines dritten Weltkriegs.

Alles wurde unternommen, um zu verhindern, dass die Halbzeitwahl nächste Woche der amerikanischen Bevölkerung auch nur die kleinste Möglichkeit verschafft, ihren Willen in dieser äußerst wichtigen politischen Frage, der Frage von Krieg, zum Ausdruck zu bringen, obwohl dieser, wie wir nun erfahren, länger als „eine Generation“ dauern könnte.

Kurz vor dem Abwurf von Bomben über dem Irak, verabschiedeten sich die Kongressabgeordneten für zwei Monate in den Wahlkampf. Sie hatten über diesen Krieg, der verfassungswidrig ist und gegen das Völkerrecht verstößt, nicht abgestimmt. Sollte noch eine Abstimmung folgen, so wird sie auf jeden Fall erst nach der Wahl stattfinden und von einem Kongress durchgeführt werden, der schon abgewählt ist. Das stellt sicher, dass niemand wirklich politisch zur Verantwortung gezogen wird. Im Wahlkampf ist Krieg nicht mal ein Thema, ebenso wenig wie jede wichtige Frage, die das Leben der arbeitenden Bevölkerungsmehrheit bestimmt.

Nichts könnte den verrotteten Charakter des amerikanischen politischen Systems deutlicher zeigen, das von vorne bis hinten von der Finanzaristokratie kontrolliert wird. Eine von niemandem gewählte Verschwörertruppe aus dem Militär und Geheimdienstapparat entscheidet über imperialistischen Krieg und Unterdrückung im Inland, und Obama dient für sie lediglich als Sprechpuppe.

Das korrupte kapitalistische Zweiparteiensystem sieht keine Möglichkeit vor, wie gegen Krieg gekämpft werden könnte. Die Arbeiterklasse muss unabhängig eingreifen und ihre objektive Stärke in einer Massen-Antikriegsbewegung auf der Grundlage eines sozialistischen und internationalistischen Programms mobilisieren, um den Kapitalismus, die Ursache von Krieg, abzuschaffen.

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