Nach Straffreiheit für Polizisten in Ferguson:

Hunderte bei Protesten festgenommen

In den letzten Nächten protestierten in Ferguson (Missouri), Los Angeles und anderen Städten die Menschen gegen die Entlastung des Polizisten, der den unbewaffneten schwarzen Jugendlichen Michael Brown erschossen hatte. Die Polizei nahm mehr als 400 Personen fest.

Mittwochnacht wurde der Belagerungszustand über Ferguson, den 21.000 Einwohner zählenden Vorort von St. Louis, noch ausgeweitet. 2.200 Nationalgardisten und Hunderte Polizisten und FBI-Agenten waren auf der Straße. Polizei und Soldaten setzten Tränengas ein und „reagierten sofort“ auf Proteste, wie örtliche Medien berichteten. Gepanzerte Kampffahrzeuge und andere Militärvehikel nahmen die Straßen ein. Demonstranten wurden auf den Boden geworfen und von der Polizei weggeschleppt.

Am Montag war die Entscheidung der Grand Jury bekannt geworden, den Polizisten Darren Wilson nicht anzuklagen, obwohl er zwölf Schüsse auf Brown abgegeben und ihn mindestens sechsmal getroffen hatte. Danach wurden in Ferguson in zwei Tagen mehr als einhundert Personen festgenommen, 61 am Montag und 45 am Dienstag.

Ein Organisator einer Demonstration sagte den Medien, die Polizei habe sein Auto willkürlich angehalten und den Insassen Schusswaffen an die Köpfe gehalten. Nach stundenlangem Gewahrsam habe ein Polizist zugegeben, dass dieses Auto seit Tagen unter Beobachtung gestanden habe, weil der Mann als ein Anführer der Proteste bekannt war.

Im benachbarten St. Louis nahm die Polizei am Mittwoch mindestens fünf Demonstranten vor dem Rathaus fest. Hunderte Menschen demonstrierten vor dem kommunalen Gebäude und riefen „Schande, Schande“. Mehrere Menschen, die angeblich versucht hätten, das Gebäude zu betreten, wurden von vermummten Polizisten festgenommen.

Am Montag hatte der Demokratische Gouverneur von Missouri, Jay Nixon, Demonstranten „Gesetzlosigkeit“ und „Sachbeschädigung“ vorgeworfen und die Anzahl der Nationalgardisten in der Stadt mehr als verdreifacht. Schon vergangene Woche hatte Nixon einen vorbeugenden „Ausnahmezustand“ ausgerufen und die Nationalgarde aktiviert, um die Proteste zu unterdrücken.

Polizei und Soldaten griffen Montagnacht zunächst praktisch nicht ein, als mehrere Geschäfte niedergebrannt und geplündert wurden, damit die Medien die notwendigen Bilder bekamen, um die Proteste als das Werk von Gewalttätern und „kriminellen Elementen“ verleumden zu können. Erst danach begannen die Behörden mit umfassenden Unterdrückungsmaßnahmen.

Staatsbeamte von Präsident Obama abwärts verurteilten die “zerstörerische Gewalt”. Seither fordern die Medienjournalisten mehr Truppen und Unterdrückung in Ferguson. Aber gleichzeitig gingen überall in den USA Tausende Studenten, Schüler und Arbeiter aller Hautfarben auf die Straße, um ihre Solidarität mit den Einwohnern der belagerten Stadt zu demonstrieren und die zurecht gebogene Entscheidung der Grand Jury zu verurteilen.

Am Dienstag und Mittwoch brachen in mindestens 130 Städten überall in den Vereinigten Staaten Proteste aus. Die größten fanden in New York City, Los Angeles und Washington, DC statt. Der Staat antwortete mit einer massiven Mobilisierung der Staatsmacht, und in mehreren Städten kam es zu Massenfestnahmen

Das Los Angeles Police Department (LAPD), das selbst für seine Brutalität und Kriminalität berüchtigt ist, nahm in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch fast zweihundert Demonstranten fest. Polizeichef Charlie Beck sagte: „Wenn du diese Plünderer siehst, diese Brände, und wie Streifenwagen zerstört werden, und die enorme Spannung fühlst, die in der Luft liegt, dann erinnert mich das an 1992“. Er spielte damit auf die Unruhen an, die ausbrachen, als die Polizisten, die den schwarzen Motorradfahrer Rodney King verprügelt hatten, ungestraft davonkamen.

Am Dienstag kesselten Polizisten in Kampfmontur vor dem Polizeipräsidium von Los Angeles Demonstranten ein und führten im Stadtzentrum Massenfestnahmen durch. Andere wurden festgenommen, als sie versuchten, den Verkehr auf dem Hollywood Freeway US 101 zu blockieren.

Wie das LAPD bekanntgab, wurden 167 Personen wegen Unruhestiftung festgenommen, eine wegen Angriffs auf einen Polizeibeamten und fünfzehn wegen Verletzung der Ausgangssperre. Die Festgenommenen wurden ins Metropolitan Detention Center verbracht.

Die Polizei in Boston teilte am Mittwoch mit, dass 45 Personen bei nächtlichen Protesten festgenommen worden seien. Reuters berichtete, dass mehr als Tausend Personen an den Protesten in Boston teilgenommen hatten. In Dallas wurden sieben Demonstranten festgenommen, als sie den Verkehr auf der Interstate 35, einer wichtigen Nord-Süd Achse, blockierten.

In New York City setzte die Polizei Pfefferspray gegen Demonstranten ein und nahm mindestens zehn Menschen fest, als sie den Lincoln Tunnel und die Triborough Bridge zu blockieren versuchten.

Parallel zu diesen Ereignissen kamen neue Informationen über die Verschleierung des Polizeimords an Michael Brown ans Licht. Zunächst brachte NBC News am Dienstag ein unkritisches Interview mit Wilson, wobei der Interviewer George Stephanopoulos zuließ, dass die Behauptung des bestens präparierten Polizisten, er habe in Selbstverteidigung gehandelt, unwidersprochen im Raum stehen blieb. Nur einen Tag danach wurde bekannt, dass die Verschleierungsoperation am 9. August schon unmittelbar nach Ankunft weiterer Polizisten am Ort des Geschehens begonnen hatte.

Den Protokollen der Grand Jury zufolge konnte Wilson damals seine Waffe behalten und sich das Blut von den Händen waschen, ohne dass irgendwelche Spuren gesichert wurden. Erst später am Tage lieferte er seine Pistole als Beweismittel ab. Der Polizist, der Wilsons erste Aussagen am Tatort aufnahm, machte sich weder Notizen, noch nahm er die Aussagen auf Band auf. Beamte der medizinischen Spurensicherung von St. Louis machten zu keinem Zeitpunkt Fotos und vermaßen auch den Tatort nicht.

Der Ablauf der Grand Jury war genauso wenig korrekt wie die „Untersuchungen“ der Polizei und der Spurensicherung. Die Daten des Büros für Statistiken der Justiz besagen, dass von den mehr als 162.500 Fällen von 2009 bis 2010, bei denen ein Staatsanwalt einer Grand Jury einen Fall vorlegte, gerade einmal elf Fälle nicht zu einer Anklage kamen, d.h. 0,0068 Prozent.

Die Grand Jury im Mordfall Michael Brown beschloss genau deswegen, keine Anklage zu erheben, weil Bezirksstaatsanwalt Robert McCulloch aus St. Louis und die politischen Kräfte hinter ihm keine Anklage wollten.

Das gesamte politische Establishment, von der Obama-Regierung über das Justizministerium bis hinunter auf Staats- und Kommunalebene, hat der Polizei eine Lizenz zum Töten und zur Entfesselung militärischer Unterdrückung gegen die amerikanische Bevölkerung ausgestellt. Die herrschende Elite ist entschlossen, eine zutiefst unpopuläre Austeritätspolitik, Armutslöhne und Krieg durchzusetzen, und dazu greift sie zu immer autoritäreren Methoden. So setzt sie militarisierte Polizei und Massenverhaftungen ein, späht die eigene Bevölkerung aus und bewilligt staatlichen Mord.

Die Vereinigten Staaten klagen Regierungen regelmäßig an, “ihre eigene Bevölkerung“ zu unterdrücken und die Menschenrechte zu verletzen, wenn diese Regierungen in Konflikt mit der amerikanischen Außenpolitik geraten. Vom Imperialismus unterstützte „Farbenrevolutionen“ z.B. im Iran und in der Ukraine haben mit dieser Methode gearbeitet, um Regimes zu destabilisieren und im geopolitischen Interesse der USA zu stürzen. Der kapitalistische Staat in den USA setzt gewaltsame Unterdrückung ein, um soziale Opposition gegen beispiellose soziale Ungleichheit einzuschüchtern und zu unterdrücken.

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