10.000 auf rechter Demo in Dresden

Die Demonstrationen, die seit einiger Zeit unter der Bezeichnung “Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes” (Pegida) und ähnlichen Namen in mehreren Städten stattfinden, sind ein gezielter Versuch, die wachsenden sozialen Spannungen in reaktionäre Kanäle zu lenken und eine faschistische Bewegung aufzubauen, die sich nicht nur gegen Flüchtlinge und Immigranten, sondern gegen die gesamte Arbeiterklasse richtet.

Seit am Montag 10.000 Teilnehmer zu einer Pegida-Kundgebung in Dresden kamen, haben Vertreter aller im Bundestag vertretenen Parteien die Bewegung kritisiert. Diese Kritik ist allerdings verlogen. Mit ihrer Panikmache vor der islamistischen Gefahr, ihrem Eingreifen im Syrienkrieg, der ständigen Verschärfung des Asylrechts und ihrer asozialen Sparpolitik haben die etablierten Parteien selbst die Welle ausgelöst, auf der Pegida schwimmt.

Die Situation erinnert an die Jahre 1992 und 1993. Damals spielten sich rassistische Gruppen, Regierung und Opposition gegenseitig die Bälle zu. Während als Folge der Wiedervereinigung hunderttausende Arbeitsplätze abgebaut wurden, schürten Medien und Politik die Angst vor Immigranten. Schließlich überzog eine Welle ausländerfeindlicher Pogrome das Land, die in der mehrtägigen Belagerung eines Asylbewerberheims in Rostock und Mordanschlägen auf Immigrantenfamilien in Solingen und Mölln gipfelte. Kurz danach änderten die damaligen Regierungsparteien CDU, CSU und FDP mit Unterstützung der oppositionellen SPD das Grundgesetz und schafften das Asylrecht praktisch ab.

Die erste Pegida-Demonstration fand am 20. Oktober in Dresden statt. Angemeldet hatte sie der 41-jährige Werbefachmann Lutz Bachmann, der bisher vor allem durch sein Vorstrafenregister aufgefallen war. Er saß mehrmals in Haft, unter anderem wegen Auftrags-Einbrüchen für das Dresdner Rotlichtmilieu, und ist zurzeit aufgrund einer Verurteilung wegen Drogenhandels nur auf Bewährung frei. Die Demonstration erregte kaum Aufmerksamkeit. Rund hundert Teilnehmer liefen durch die sächsische Landeshauptstadt, um gegen „Glaubenskriege auf deutschem Boden“ zu demonstrieren.

Doch sechs Tage später kam es in Köln zu einer heftigen Straßenschlacht zwischen der Polizei und Demonstranten, die sich „Hooligans gegen Salafisten“ (Hogesa) nannten. Die gewaltsame Auseinandersetzung, die bundesweit Schlagzeilen machte, hatte alle Kennzeichen einer gezielten Provokation. Obwohl die Polizei vorher gewusst hatte, dass mehrere tausend gewaltbereite Fußball-Hooligans anreisen würden, hatte sie nur ein kleines Einsatzkontingent bereitgestellt, dass den Demonstranten deutlich unterlegen war.

Der Wirbel, den die Ereignisse in Köln auslösten, gab auch Pegida Auftrieb. Zur nächsten Demonstration erschienen bereits 500 Teilnehmer. Seither stieg die Zahl Montag für Montag. In mehreren Städten bildeten sich ähnliche Initiativen, die allerdings wesentlich kleiner blieben als in Dresden.

Pegida wurde nun auch von der rechtsextremen NPD, von anderen Neonazigruppen und von der Alternative für Deutschland (AfD) unterstützt. Im Falle der AfD geschah dies anfangs vor Ort, die nationale Führung hielt sich zurück. So ist in Düsseldorf das AfD-Mitglied Alexander Heumann Sprachrohr der Proteste.

Doch nach der großen Kundgebung in Dresden an diesem Montag hat die AfD-Führung Farbe bekannt. Vorstandsmitglied Alexander Gauland bezeichnete Pegida gegenüber der Süddeutschen Zeitung als „eine gute Sache“. Die AfD sei ein „ganz natürlicher Verbündeter dieser Bewegung“. „Wir müssen diese Demonstration deshalb unterstützen. Es ist richtig, wenn wir dabei sind“, sagte er.

AfD-Chef Bernd Lucke schrieb auf seiner Facebook-Seite, es sei „gut und richtig“, dass Bürger ihren „Sorgen über die Ausbreitung von radikalem islamischen Gedankengut“ Ausdruck verliehen. Die Demonstrationen zeigten, dass sich diese Menschen in ihren Sorgen von den Politikern nicht verstanden fühlten.

Die sächsische AfD-Vorsitzende Frauke Petry griff Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) scharf an, weil er gemeinsam mit seinem Stellvertreter Martin Dulig (SPD) zu einer Gegendemonstration aufgerufen hatte, zu der 9.000 Teilnehmer kamen. Petry warf Tillich deshalb vor, „eine friedliche Großdemonstration zu bekämpfen“.

Tillichs Aufruf zur Gegendemonstration war allerdings pure Heuchelei. Die sächsische Landesregierung, die seit der Wende von der CDU geführt wird, hat eine lange Tradition der Förderung rechtsextremer Kräfte. So verfolgt die sächsische Justiz Nazi-Gegner mit großer Energie, während die rechte Terrorgruppe NSU jahrelang unbehelligt in Sachsen im Untergrund leben konnte. Am Dienstag rief Tillich dann dazu auf, mit den Pegida-Demonstranten „mehr ins Gespräch“ zu kommen und ihnen die „Unsicherheit“ zu nehmen.

Sein Innenminister Markus Ulbig (CDU) hatte den rechten Protesten schon im November Verständnis und Entgegenkommen signalisiert. Er lehne „die üblichen Antifareflexe“ ab, sagte er, und kündigte die Gründung von Sondereinheiten der Polizei an, die speziell gegen „straffällige Asylsuchende“ und „Intensivtäter“ eingesetzt werden sollen – und dies, obwohl die Kriminalitätsrate nach Aussage der eigenen Polizei unter Asylsuchenden nicht größer ist als unter der restlichen Bevölkerung. Mit 2,2 Prozent hat Sachsen außerdem einen äußerst geringen Ausländeranteil.

Auch andere CDU-Politiker zeigten Sympathien für die rechte Bewegung. Der Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, Lorenz Caffier, sagte, es sei nicht besonders hilfreich, gegen diese Demonstrationen aufzurufen. Er hielt ihnen zugute, sie schrieben der Bundesregierung „ins Stammbuch, dass die Flüchtlinge in Europa gerecht verteilt werden müssen“. Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) erklärte: „Nicht jeder, der zu einer solchen Demonstration geht, ist ein Rechtsextremist.“

Pegida-Organisator Lutz Bachmann betonte in einem Interview mit der rechten Zeitung Junge Freiheit, dass er die sächsische Polizei im Rücken habe. „Insgesamt fühlen wir uns von unserer Polizei gut beschützt und haben Vertrauen zu den Beamten“, sagte er.

Im Unterschied zur Kölner Hooligan-Demonstration haben sich Pegida und ihre Ableger bisher um ein betont friedliches Auftreten bemüht. Sie tun dies, um nicht nur die üblichen Schläger, sondern auch respektablere Figuren und Familien anzuziehen, was ihnen teilweise gelang. Kommentare sprechen deshalb davon, Pegida mobilisiere die „bürgerliche Mitte“.

Das ist eine maßlose Übertreibung. Pegida vertritt eindeutig rechtsextreme Standpunkte und mobilisiert Schichten, die über den jahrelangen sozialen Niedergang tief frustriert sind. Während die regierende CDU nicht müde wird, die wirtschaftlichen Erfolge Sachsens zu preisen, haben viele, vor allem in ländlichen Gegenden, das Gegenteil erlebt. Seit der Wende haben fast eine Million Menschen den Freistaat verlassen und viele Kleinstädte und Dörfer sterben aus.

Anfangs richteten sich die Pegida-Demonstrationen nahezu ausschließlich gegen gewalttätige Salafisten, obwohl es diese in Dresden, wo nur 0,4 Prozent der Einwohner muslimischen Glaubens sind, nicht gibt. Inzwischen stehen Forderungen gegen Ausländer und Asylanten, gegen „Linke“ und gegen den Euro sowie die Ablehnung der gleichgeschalteten Medien und der etablierten Parteien im Mittelpunkt. Auf der letzten Kundgebung lamentierte Bachmann über arme Rentner, die ohne Strom in kalten Wohnungen sitzen und sich keinen Stollen leisten können, während der Staat Asylbewerbern voll ausgestattete Unterkünfte zur Verfügung stelle.

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