Ein Gespräch mit Professor Hermann Weber, wiederveröffentlicht anlässlich seines Todes

Wie erst diese Woche bekannt wurde, ist der international hochangesehene deutsche Historiker Hermann Weber am 29. Dezember 2014 im Alter von 86 Jahren gestorben.

Hermann Weber stammte aus einer kommunistischen Arbeiterfamilie. Er selbst war 1945 im Alter von 17 Jahren der KPD beigetreten, um nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und des Dritten Reiches für die Abschaffung des Kapitalismus zu kämpfen, in dem er die Ursache von Krieg und Faschismus sah. Rasch geriet er in Konflikt mit dem stalinistischen Apparat dieser Partei und ihrer konterrevolutionären Politik. Er brach mit dem Stalinismus und wurde deshalb 1954 aus der KPD ausgeschlossen.

Er trat später der SPD bei, hielt jedoch an seiner sozialistischen Gesinnung fest, wie damals sehr viele einfache Mitglieder dieser Partei, die persönlich oder aber ihre Eltern von den revolutionären Klassenkämpfen am Ende des Ersten Weltkriegs geprägt waren und am aktiven Widerstand gegen den Hitlerfaschismus teilgenommen hatten.

Damit waren die Grundkoordinaten für sein Leben und Arbeiten bis zu seinem Tod gesetzt. Seine Feindschaft gegen den Stalinismus ließ ihn nicht, wie so viele andere, die in der Zeit des „deutschen Wirtschaftswunders“ mit der KPD brachen, in rechten Antikommunismus abgleiten. Sie war für ihn vielmehr das treibende Motiv für eine unermüdliche wissenschaftliche Forschungs- und Publikationstätigkeit, der er sich nun zuwandte. Von 1975 bis 1993 Inhaber des Lehrstuhls für Politische Wissenschaften und Zeitgeschichte an der Universität Mannheim, veröffentlichte er zahlreiche wichtige Bücher zur Geschichte der KPD, der SED, der Komintern, zum stalinistischen Terror und zur DDR.

Die Öffnung der Archive in Osteuropa und der ehemaligen Sowjetunion im Gefolge des Zusammenbruchs der stalinistischen Regimes beflügelte ihn zu immer neuen Forschungsprojekten und Publikationen mit dem Ziel, das nun zum allerersten Mal für die Geschichtsforschung zugängliche Archivmaterial auszuwerten und so das Verständnis der Geschichte der revolutionären Arbeiterbewegung und ihr Schicksal im 20. Jahrhundert zu vertiefen.

Auch in den mehr als 20 Jahren nach seiner Emeritierung bis kurz vor seinem Tod nahm er daher mit ungebrochener Tatkraft an den Debatten von Wissenschaft und Forschung teil. Während sich in jenen Jahren im akademischen Milieu die reaktionären Standpunkte des Postmodernismus mit seiner Gleichgültigkeit gegenüber der Geschichte und gegenüber wissenschaftlichen Standards und Grundsätzen ausbreiteten, hielt er an den Prinzipien der historischen Wahrheit und wissenschaftlichen Aufrichtigkeit fest.

So wandte er sich, unterstützt von dreizehn weiteren namhaften Historikern und Sozialwissenschaftlern vor drei Jahren in einem Brief an die Verlegerin Ulla Unseld-Berkéwicz sehr nachdrücklich dagegen, dass die berüchtigte Trotzki-Biographie von Robert Service in deutscher Übersetzung im Suhrkamp Verlag veröffentlicht wurde.

Dieser Brief der 14 Historiker und Sozialwissenschaftler hatte in der Fachwelt großes Aufsehen erregt und den Ruf von Robert Service, seiner Verteidiger und seiner Verlage gründlich zerstört.

Das folgende Gespräch, das der Autor für die World Socialist Web Site mit Hermann Weber darüber geführt hatte, ist in der wsws am 26. November 2011 zum ersten Mal erschienen. Aus Anlass seines Todes veröffentlichen wir es hier erneut. Ein ausführlicher Nachruf folgt.

 

Prof. Hermann Weber während des Gesprächs in der Universität Mannheim, Oktober 2011

 

WSWS: Sie haben sich als Historiker in ihrem Leben immer intensiv mit Leo Trotzki und dem Trotzkismus beschäftigt, sind selbst aber kein Anhänger der Ideen von Leo Trotzki?

Hermann Weber: Ja, das ist so. In meiner Jugend war ich ja ein Funktionär der Jugendorganisation der KPD in Westdeutschland und saß deswegen sechs Monate lang im Gefängnis. Bereits vorher war ich als Kritiker des Stalinismus in Konflikt mit der Parteiführung geraten und dann 1954 zusammen mit meiner Frau Gerda aus der Partei ausgeschlossen worden. Ich hatte mich in jenen Jahren intensiv nach politischen Organisationen umgesehen, die für den Sozialismus eintraten und von diesem Standpunkt aus gegen den Stalinismus kämpften. Die damaligen Führer der trotzkistischen Organisation in Deutschland wie Georg Jungclas (2), den ich Anfang der 50er Jahre als führenden Vertreter des Trotzkismus in Deutschland kennengelernt hatte, führten viele Gespräche mit mir, aber letztlich konnten sie mich politisch nicht überzeugen. Als sie 1951 in der UAP (3) wirkten, malten sie ein zu rosiges Bild vom Titoismus, den ich selbst nur als eine andere Variante des Stalinismus betrachtete.

Nach den Enthüllungen Chruschtschows über die Verbrechen Stalins war es dann in den 60er Jahren infolge der wirtschaftlichen und politischen Krise und der Rebellion der Jugend zu einer Art Trotzki-Renaissance gekommen, die allerdings etwa zehn, fünfzehn Jahre später wieder abebbte.

Seit einigen Jahren stelle ich nun fest, dass es zu einem Wiedererwachen des Interesses an der Person Trotzki und an seinen Ideen kommt, bemerkenswerterweise aber auch am Anarchismus und seinen Vertretern, wie z. B. Max Stirner. Beide, Trotzki und Stirner, sind ja gewissermaßen „Häretiker“ im Vergleich zu den vorherrschenden politischen Anschauungen, beide kritisieren den Kapitalismus, wenn auch mit unterschiedlichen Theorien von der Gesellschaft und unterschiedlichen politischen Perspektiven. Angesichts der weltweiten Krise des Kapitalismus rücken beide nun wieder mehr in den Mittelpunkt des geistigen und politischen Interesses. Diesem Phänomen widme ich in der nächsten Ausgabe des Jahrbuchs für historische Kommunismusforschung einen Artikel. Dabei habe ich mich auch mit der Trotzki-Biographie von Robert Service und dem Buch  von David North eingehend beschäftigt.

WSWS: Was war Ihr erster Eindruck von der Trotzki-Biographie?

Hermann Weber: Als ich von Ihnen zum ersten Mal von der Kritik David North’s an Robert Service und den Plänen des Suhrkamp Verlages hörte, dachte ich zunächst: lasst doch den Service über Trotzki schreiben und den Suhrkamp Verlag veröffentlichen, was sie wollen. Doch je mehr ich mich damit beschäftigte und selbst nachlas, desto mehr war ich entsetzt über dieses Buch; nicht weil es gegen Trotzkis politische Taten und Ansichten polemisiert, das steht ja jedem frei zu tun. Aber hier wird mit Lügen, Geschichtsfälschungen, unseriösen Quellenangaben und sogar antisemitischen Vorurteilen hantiert. Solche Pamphlete sollten in einem wissenschaftlichen Verlag mit liberalen Traditionen und einer Geschichte wie Suhrkamp keinen Platz haben.

Rein vom wissenschaftlichen Standpunkt betrachtet, ist man zunächst einfach nur sehr verwundert über diese unglaublich vielen groben Fehler, Schnitzer und Falschdarstellungen. Dass Service Jahreszahlen nicht auf die Reihe bekommt, das ihm der Erzherzog Franz Ferdinand von Österreich, dessen Ermordung den Ersten Weltkrieg auslöste, nicht mit seinem richtigen Namen erinnerlich ist, dass er den französischen Schriftsteller André Breton mit dem mexikanischen Maler Diego Rivera verwechselt, dass er Trotzkis Haltung zum „Proletkult“, einer von ihm scharf kritisierten Kunsttendenz, ins Gegenteil verkehrt – all das offenbart doch auf geradezu peinliche Weise ein erstaunlich geringes Maß an Bildung auf Seiten des Autors und erschreckend wenig Sorgfalt auf Seiten des Verlages.

Service schreibt über viele Dinge, über die er wenig oder überhaupt nichts weiß. Er stellt Trotzki als eingebildeten, minderwertigen Schriftsteller dar, dem nur „oberflächliches Geschreibsel“ eingefallen sei. Das ist doch einfach Unsinn. Service spekuliert hier mit der Unwissenheit der Leser. Wie ich im Jahre 1983 in meinem Nachwort zu Trotzkis „Tagebuch im Exil“ (4) geschrieben habe: Trotzki zählte zu den größten politischen Schriftstellern seiner Zeit, als solcher wurde er sogar von seinen größten politischen Feinden anerkannt. Nicht umsonst wurde er „die Feder“ genannt!

WSWS: Was ist der Hauptgrund dafür, dass Sie sich mit einem Brief mit anderen Wissenschaftlern an den Suhrkamp Verlag gegen die Veröffentlichung des Buches in diesem renommierten Verlag gewandt hatten?

Hermann Weber: Es gibt zwei entscheidende Gründe. Erstens: das Buch ist eine Schmähschrift und keine wissenschaftlich-kritische Streitschrift.

Man könnte vielleicht für eine deutsche Ausgabe mit viel Mühe all die faktischen Fehler und Schnitzer korrigieren oder weglassen. Aber das Buch ist ja insgesamt völlig tendenziös geschrieben, strotzt von gezielten Falschdarstellungen und Verdrehungen, die nur eines bezwecken: Trotzki als Person zu diffamieren, um auch seine politischen Taten und Ideen unglaubwürdig erscheinen zu lassen. So etwas kann man nicht korrigieren, ohne ein Buch von anderer Art und mit einem anderen Inhalt zu schreiben.

Als Historiker kann und sollte man manchmal wissenschaftliche Streitschriften verfassen, aber das ist eben das Gegenteil von einer Schmähschrift.

WSWS: Sie haben ja selbst auch Streitschriften geschrieben, wie zum Beispiel 1964 „Ulbricht fälscht Geschichte“ (5) gegen den damaligen Führer der stalinistischen Bürokratie in der DDR, Walter Ulbricht, oder Ende der 80er Jahre das Buch „Weiße Flecken in der Geschichte“ (6) gegen die Versuche der SED und ihres westdeutschen Ablegers DKP, die Verfolgung und Ermordung Tausender deutscher Kommunisten in den 30er Jahren durch Stalins Geheimpolizei zu leugnen oder zu vertuschen.

Hermann Weber: Ja, das waren wirklich Streitschriften. Wenn Streitschriften etwas taugen, d.h. überzeugen sollen, kommt es gerade darauf an, besonders genau zu sein, alle Behauptungen exakt zu belegen, alle verwendeten Quellen gewissenhaft zu überprüfen. Eine Streitschrift kann sehr scharf sein, aber es muss alles stimmen. Bei dem Buch von Service ist das Gegenteil der Fall: Trotzki wird in jeder Hinsicht niedergemacht, gegen andere Historiker wird gehetzt – und nichts stimmt.

Das Buch von David North hingegen ist eine glänzende Streitschrift – in ihrem Ton manchmal sehr scharf, aber in der Sache treffend und gut. Die große Leistung besteht darin, dass David North bei allem Engagement dennoch sachlich und objektiv argumentiert. Ich war erstaunt über die Genauigkeit und die Fülle an faktischen Details, womit er dem Autor Service Verdrehungen, Verleumdungen und Fälschungen nachweist und in diesem Zuge gleichzeitig ein Bild vom Leben und Werk Leo Trotzkis vor den Augen des Lesers entstehen lässt, das eher der geschichtlichen Wahrheit entspricht.

WSWS: Und der zweite Grund…

Hermann Weber: …sind die vielen Passagen, in denen Service mit antisemitischen Vorurteilen jongliert. Das ist einfach schändlich! Und noch schändlicher ist es, wenn sie durch Suhrkamp ausgerechnet im deutschsprachigen Raum ihre speziellen Leserkreise finden sollen. Wahrscheinlich zielen sie auch auf einschlägige Kreise in Russland ab. Service geht auch hier mit der Methode eines Schmäh-Pamphlets vor. Wenn er schreibt, „allgemein war die Führung der bolschewistischen Partei als jüdische Mafia – im englischen Original ‚Jewish gang‘– bekannt“, wer ist diese Allgemeinheit? Nichts kann Service für diese Behauptung als Beleg anführen. Solche Bezeichnungen waren damals nirgendwo geläufig, außer bei faschistischen Tendenzen und bei den Nazis in Deutschland.

Service hat offensichtlich keine negativen Darstellungen oder Verzerrungen ausgelassen, die über Trotzki in der Geschichte irgendwann einmal verbreitet worden sind, sei es von Stalin oder seinen Nachfolgern oder auch von den Nazis. Und dazu gehören auch antisemitische Zerrbilder und Vorurteile. Auch die antisemitische Karikatur, die Service in seinem Buch ohne Quellenangabe abdruckt, stammt aus einem faschistischen Hetzblatt von 1921. Service mag selbst vielleicht kein Antisemit sein, aber in seinem Buch formuliert er viele Passagen, über die sich antisemitische Leser nur freuen können. Das hat David North ausführlich aufgezeigt.

Die Sicht auf Trotzki, die Service dem Leser nahelegt, lässt sich so zusammenfassen: Die Stalinisten haben Trotzki als Verbrecher, die Nazis haben ihn als bolschewistischen Juden gebrandmarkt – Service verbindet beides.

WSWS: Wie erklären Sie sich, dass eine solche Schmähschrift auf den Markt gebracht wird, noch dazu bei Harvard University Press (7)?

Hermann Weber: Ich weiß natürlich nicht, was die persönlichen Motive von Service sind, man kann ja nicht in seinen Kopf schauen. Ich kann mich nur auf das stützen, was er selbst zu seinem Ziel mit der Veröffentlichung des Buches sagte: „Wenn der Eispickel des Agenten Stalins bei der Ermordung Trotzkis vor 70 Jahren es nicht geschafft hat, Trotzki vollständig zu erledigen, so hoffe ich mit diesem Buch es geschafft zu haben.“ (8) Eine unfassbare Aussage! Unfassbar, dass ein Autor solch ein Ziel verkünden kann und trotzdem noch von einem wissenschaftlichen Verlag gestützt wird.

Ramon Mercader war ein Agent, er arbeitete als Rädchen in einer Mordmaschinerie, fest eingefügt im stalinistischen Apparat, der ganz bestimmte Interessen und politische Ziele verfolgte. Für diesen Apparat stellten Trotzki und seine Ideen immer eine Bedrohung dar. Man kann daher die Tat Ramon Mercaders durchaus im historischen Zusammenhang erklären. Aber wenn jemand heute, 70 Jahre nach der Ermordung Trotzkis verkündet, er müsse oder wolle das nun mit einem Buch vollenden, was Mercader bei seinem politischen Mord nicht geschafft habe, nämlich auch das Ansehen und die Ehre Trotzkis zu zerstören, dann ist das unfassbar.

Es erklärt aber auch die Machart des Buches: Wenn man ein solches Ziel verfolgt, dann braucht man nicht viel forschen und prüfen, dann kümmert man sich nicht gewissenhaft um sorgfältige Quellenangaben und Belege für Tatsachenbehauptungen. Das alles ist nicht nötig, man schustert einfach schnell etwas zusammen. Nicht nur, dass Service die Geschichte nicht kennt oder sie nicht gründlich erforscht, sie ist für ihn schlicht belanglos. Ihn interessiert nur das eine Ziel: Trotzki erledigen!

Dabei geht er so weit, auch gegen alle Historiker zu hetzen, die bei ihrer Forschung über das Leben und Werk Trotzkis gründliche wissenschaftliche Arbeit geleistet und bahnbrechende, bis heute maßgebende Standardwerke geschaffen haben. So bezeichnet er Pierre Broué (9) als „Götzendiener“ und von Isaac Deutscher behauptet er, dieser habe mit seiner großartigen dreibändigen Biographie (10) nur einem Heiligenkult gefrönt. Diese beiden Autoren haben – im Gegensatz zu Service – tatsächlich neues Quellenmaterial, neue historische Fakten ans Licht gebracht und beleuchtet.

Man muss dabei überhaupt nicht immer mit ihren Einschätzungen übereinstimmen. Ich selbst habe zum Beispiel Isaac Deutschers Analyse und Haltung zur stalinistischen Bürokratie als nicht klar und scharf genug empfunden, habe eine gewisse Verharmlosung des Stalinismus aus seinen Schriften herausgelesen, die ja großen Einfluss bei vielen Gewerkschaftern hatten. Auch mit Broué gehe ich in Vielem nicht konform. Aber beide Biographien sind auf Grund der Fülle des dargelegten Materials und der glänzenden Darstellung sehr verdienstvolle Werke, die für jeden, der an der Geschichte interessiert ist, Einsicht und Gewinn bringen.

Bei Service hingegen sollen die unglaublich vielen Quellenverweise Wissenschaftlichkeit nur vortäuschen. Entgegen allen Verlagsankündigungen und eigenen Behauptungen hat er, soweit ich sehen kann, kein neues Material erschlossen und verarbeitet, aber Quellen angegeben, die nicht existieren oder etwas anders als behauptet aussagen. Und was den Inhalt der vielen abfälligen und denunzierenden Aussagen über Trotzki angeht, die wissenschaftlich nicht weiter belegt und nachvollziehbar sind, so kennt man das meiste davon von der Propaganda Stalins.

David North zeigt in seinem Buch richtig, dass Service in dieser Hinsicht nur den Spuren der anderen beiden britischen Historiker, Swain und Thatcher, folgt. Aber man hat den Eindruck, Service habe sich gedrängt gefühlt, immer noch eins drauf zu geben.

WSWS: Das Buch von Service ist inzwischen auch auf Spanisch und Französisch erschienen, eine deutsche Ausgabe plant der Suhrkamp Verlag. Wie erklären Sie sich als Historiker, dass ein doch eher unbedeutender Professor aus Oxford sein persönliches Ziel, eine Person der Weltgeschichte restlos zu vernichten, mit so viel Energie verfolgt und dabei offensichtlich von großen Verlagen, Institutionen und Medien massiv unterstützt wird? Immerhin ist Trotzki bereits 1940 ermordet worden, somit bereits mehr als 70 Jahre lang tot!

Hermann Weber: Das muss man sicherlich in einem größeren Zusammenhang sehen. Ich habe ja bereits darauf hingewiesen, dass man an der Zahl von Veröffentlichungen von und über Leo Trotzki ablesen kann, dass das Interesse an ihm in jüngster Zeit wächst. Auf der einen Seite der Zusammenbruch des Stalinismus vor 20 Jahren, auf der anderen das Ende des angeblichen Triumphs des Kapitalismus mit der gegenwärtigen Finanzkrise. Ich kann mir gut vorstellen, dass es Kräfte gibt, die alles unternehmen, um Trotzki und seine Ideen „zu erledigen“, damit sie keine größere Verbreitung und Anhängerschaft finden.

* * *

Anmerkungen der Redaktion:

Das Gespräch wurde im Juli und Oktober dieses Jahres in Mannheim geführt. Kurz nach Beendigung des Gespräches wurde Prof. Weber unglücklicherweise krank. Die vorliegende Textfassung konnte trotzdem, dank der Hilfe seiner Frau Gerda Weber und seines wissenschaftlichen Mitarbeiters Basim Aawais, von ihm in der Klinik geprüft und autorisiert werden. Die Redaktion dankt dafür sehr herzlich.

1) Hermann Weber, Die DDR 1945-1990 (München 2011, 5. Auflage).

2) Georg Jungclas (1902 - 1975), Führer der pablistischen Organisation in Deutschland bis Ende der 60er Jahre. Der Pablismus brach unter der Führung von Michel Pablo und Ernest Mandel mit den Perspektiven des Trotzkismus und passte sich unter anderem an die stalinistische Bürokratie an.

3) UAP = Unabhängige Arbeiterpartei, eine von den Pablisten mit aus der Taufe gehobenen Partei zur Unterstützung Titos in Jugoslawien, der die Moskauer Bürokratie unter Stalin von einem nationalen, nicht von einem internationalistischen und sozialistischen Standpunkt aus kritisierte.

4) Leo Trotzki, Tagebuch im Exil (München 1983; 2. Erweiterte Auflage mit einem Nachwort von Hermann Weber)

5) Hermann Weber, Ulbricht fälscht Geschichte. Ein Kommentar mit Dokumenten zum „Grundriß der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung“ (Köln 1964).

6) Hermann Weber, „Weiße Flecken“ in der Geschichte. Die KPD-Opfer der Stalinschen Säuberungen und ihre Rehabilitierung (Frankfurt am Main 1989).

7) Harvard University Press (Cambridge, Mass., USA) und Macmillan (London) haben 2009 die Erstausgabe mit dem Titel Trotsky – A Biographyherausgebracht.

8) Siehe Bericht im London Evening Standard vom 22. Oktober 2009.

9) Pierre Broué, Trotzki  Eine politische Biographie (Köln 2003).

10) Isaac Deutscher,  (Stuttgart 1962/63).

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