Syriza überträgt Verteidigungsministerium an rechte Nationalisten

Die erste Kabinettssitzung der von Syriza und den Unabhängigen Griechen (Anel) gebildeten Koalitionsregierung wurde am Mittwoch im Fernsehen übertragen. Der Ministerpräsident und Syriza-Führer Alexis Tsipras erklärte auf der Sitzung, dass seine Regierung nicht mit der internationalen Finanzelite in Konflikt kommen werde.

Syriza sei nicht auf einen „für alle Seiten nachteilhaften Zusammenstoß“ aus, erklärte Tsipras und fügte hinzu: „Unser Ziel ist es, mit unseren Partnern neu zu verhandeln, um eine tragfähige und für alle Seiten zufriedenstellende Lösung zu finden.“ Er nannte die Koalition eine Regierung der „nationalen Rettung“.

Am auffälligsten war die Besetzung des Verteidigungsministeriums, das der Führer der rechtsnationalistischen Unabhängigen Griechen, Panos Kammenos erhielt. Er hat in den letzten Jahren enge Beziehungen zum Militär aufgebaut und bei den Koalitionsverhandlungen mit Tsipras am Montag verlangt, das Verteidigungsministerium übernehmen zu können.

Es kann keinen Zweifel geben, dass das Militär sich im Hintergrund die Möglichkeit offen hält, irgendwann die Macht zu übernehmen, wenn sich die Wirtschaftskrise verschärft und die Opposition in der Arbeiterklasse gegen die neue Regierung zunimmt. Die Bedeutung einer rechten Figur wie Kammenos als Chef des Militärs in einem Land, das noch bis 1974 eine von der CIA unterstützte Militärdiktatur war, ist nicht zu unterschätzen

Syriza ist eine Koalition aus pseudolinken Kräften mit Stalinisten, Maoisten, ehemaligen Pasok-Leuten und ökologischen Tendenzen. Eines ihrer führenden Mitglieder ist der lebenslange Erzstalinist Giannis Dragasakis, der Tsipras’ Stellvertreter werden soll. Dragasakis setzt sich für „Reformen“ im öffentlichen Sektor ein, d.h. für Arbeitsplatzabbau und Produktivitätssteigerung. Er sagte kürzlich: „Selbst wenn wir Null Schulden hätten, würden wir ohne die notwendigen Reformen in der Verwaltung des Staates und des öffentlichen Dienstes Probleme bekommen.

Dragasakis war als Mitglied der Kommunistischen Partei von 1989 bis 1990 mehrere Monate lang Mitglied der Regierung zusammen mit der rechten Neuen Demokratie (ND) und der sozialdemokratischen Pasok.

Das Finanzministerium, das die kommenden Verhandlungen der Regierung mit der Europäischen Union (EU) und internationalen Banken über die Rückzahlung der Schulden Griechenlands von über 300 Milliarden Euro führen muss, wurde Yanis Varoufakis anvertraut. Bei der Übernahme des Amtes äußerte sich Varoufakis im gleichen Sinn wie Tsipras: „Es wird nicht zu einem Duell zwischen uns und der EU kommen… Es wird keine Drohungen geben.“

Varoufakis hatte kürzlich eine Gastprofessur als Wirtschaftsprofessor an der Universität von Texas inne. Er ist Autor mehrerer Versionen „Eines bescheidenen Vorschlags zur Lösung der Krise der Eurozone“. Die erste Version hatte er zusammen mit Stuart Holland geschrieben, einem Abgeordneten der britischen Labour Party. Die endgültige Version hatte er mit dem US-Ökonomen J. K. Galbraith im Juli 2013 verfasst. Im Juni 2013 schrieben Varoufakis und Galbraith einen Kommentar für die New York Times mit dem Titel „Nur Syriza kann Griechenland retten“.

Sie versicherten der internationalen herrschenden Elite, dass eine Syriza-Regierung „für Europa und die Vereinigten Staaten nicht schlecht wäre. Wenn Syriza gewählt würde, schrieben sie, „würde sich für die Vereinigten Staaten nichts Wesentliches ändern. Syriza beabsichtigt nicht, die Nato zu verlassen oder amerikanische Militärbasen zu schließen.“

Varoufakis kennt sich in der bürgerlichen Politik Griechenlands bestens aus. Bis 2006 war er drei Jahre lang Wirtschaftsberater des damaligen Pasok-Führers Giorgos Papandreou. Papandreou wurde dann 2009 Regierungschef und setzte die erste Runde Austeritätskürzungen in Griechenland durch. Diese Politik führte Pasok in mehreren Koalitionsregierungen fort, bis sie schließlich letzte Woche aus der Regierung gekegelt wurde.

Varoufakis ist ein bekennender Verteidiger des Kapitalismus. Er tritt dafür ein, die griechischen Unternehmenssteuern auf fünfzehn Prozent abzusenken. Er sagte in der BBC-Sendung Today, dass Syriza „echte Reformen wolle, die wir in diesem Land brauchen, um die Bürokratie zu überwinden“ und „einen vernünftigen Plan für die Umschuldung zu entwickeln“.

Auf die Frage, ob er von den Banken erwarte, die Hälfte der griechischen Schulden abzuschreiben, wie Syriza das schon einmal vorgeschlagen hatte, antwortete er: “Nein, nein, nein. Vor jeder Verhandlung wird erstmal das Terrain abgesteckt. Auch wir haben das getan. Jetzt kommt es darauf an, dass wir uns hinsetzen und diskutieren, wie wir unseren Hair Cut, unseren Schuldenschnitt minimieren. Wir wollen nicht weniger zurückzahlen, als wir können.“

“Syriza will die Rückzahlungen an unser Wachstum koppeln”, fügte er hinzu. „Wir wollen sie [Griechenlands Schuldner] zu Partnern unserer Erholung machen.“

Die Financial Times zitierte eine der ersten Äußerungen von Varoufakis in seinem neuen Amt, dass die Griechen in Zukunft bescheiden leben müssten und kommentierte: „Es werde mit der neuen Regierung keine Explosion der Staatsausgaben geben, versprach Varoufakis.“

Tsipras wendet sich an zwei verschiedene Teile des Publikums und spielt zu Beginn seiner Regierung ein heikles Spiel. Syriza versucht, die EU und das globale Kapital von seiner Absicht zu überzeugen, Griechenlands Schulden zurückzuzahlen, und gleichzeitig einige unmittelbare Maßnahmen durchzuführen, um diejenigen zu beruhigen und zu täuschen, die sie in der Erwartung gewählt haben, sie werde fortschrittliche soziale Veränderungen durchführen. Tsipras sagte seinen Ministern, sie dürften „die Erwartungen der Wähler nicht enttäuschen, die uns das Mandat gegeben haben.“

Panagiotis Lafazanis, ein weiterer stalinistischer Veteran und Führer der “Linken Plattform” der Partei, wurde mit dem Ministerium für Produktionswiederaufbau, Umwelt und Energie betraut. Er gab gestern bekannt, dass mehrere Privatisierungsprojekte gestoppt würden, darunter des staatlichen Elektrizitätskonzerns und des unabhängigen Stromnetzbetreibers. Die volle Privatisierung des größten und strategisch wichtigsten griechischen Hafens, Piräus, werde verschoben. Außerdem würden 595 Reinigungskräfte aus dem öffentlichen Dienst wieder eingestellt, die die vorherige Regierung entlassen hatte.

Die meisten dieser Maßnahmen kosten kaum etwas. Das wurde vom stellvertretenden Sozialminister von Syriza, Dimitris Stratoulis, bestätigt, der sagte: „Was wir im Wahlkampf gesagt haben, ist unsere Richtschnur, angefangen mit Maßnahmen, die keine großen Auswirkungen auf die Ausgaben haben.

Aber selbst diese symbolischen Maßnahmen sind zu viel für die Vertreter der Finanzelite. Der Chef der Finanzminister der Eurogruppe, der holländische Finanzminister Jeroen Dijsselbloem, betonte gegenüber der neuen Regierung: „Die Botschaft, ‚wir wollen eure Unterstützung, aber nicht eure Bedingungen’, läuft nicht.“

Griechische Bankaktien erlebten ihren stärksten Tagesverlust überhaupt. Die vier größten Banken des Landes.– Piraeus, die National Bank of Greece, die Eurobank und die Alpha Bank –brachen um mehr 25 Prozent ein.

Der deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) kommentierte: “Die Bürger anderer Eurostaaten haben ein Recht darauf, dass die Vereinbarungen, die im Zusammenhang mit ihren Solidaritätsaktionen geschlossen wurden, auch eingehalten werden.”

Syriza weiß, dass das ihre Aufgabe ist und bereitet sich schon auf ein Wiederaufleben der sozialen Opposition vor. Das ist die wirkliche Bedeutung der ersten Erklärung von Giannis Panousis, einem ehemaligen Abgeordneten der Demokratischen Linken, einer rechten Abspaltung von Syriza, der zum Vizeminister im Innenministerium für öffentliche Ordnung und Bürgerschutz“ ernannt worden ist.

Er machte ganz klar, dass Syriza alles tun werde, um den kapitalistischen Staat zu verteidigen. Panousis sagte: “Die Polizei wird bei Protesten Waffen tragen, aber das heißt nicht, dass sie einschüchtern und terrorisieren wird.“

Syriza hat früher versprochen, die Bereitschaftspolizei abzuschaffen und mit der allgemeinen Polizei zu verschmelzen. Arbeiter sollten Panousis’ Einschränkung mit Verachtung zurückweisen und nicht vergessen, mit welcher Brutalität die Polizei in den letzten fünf Jahren gegen Proteste vorgegangen ist.

Es ist bekannt, dass die Polizei eine Bastion der Anhänger rechter und faschistischer Parteien ist. Vierzig bis fünfzig Prozent der Polizisten sollen bei der Wahl am Sonntag für die faschistische Goldene Morgenröte gestimmt haben, genauso viele, wie bei der Wahl von 2012.

Loading