Perspektive

Syriza zeigt ihren Klassencharakter

Seitdem Syriza in Griechenland die Amtsgeschäfte übernommen hat, kommt hinter ihrem radikalen Gehabe rasch das wirkliche Wesen der Partei zum Vorschein.

Seit Jahren preisen Syrizas Anhänger die Organisation als Leuchtturm im Kampf gegen Austerität und leuchtendes Vorbild für Arbeiter der ganzen Welt. Aber, wie schon der zweite Präsident der Vereinigten Staaten, John Adams, einst bemerkte: „Tatsachen sind hartnäckig, und was wir uns auch wünschen und erhoffen mögen, und was uns unsere Leidenschaft eingibt, die Tatsachen können wir nicht ändern.“

Syrizas Wesen als völlig bürgerliche und arrivierte Partei zeigt sich in erster Linie an dem Bündnis, das sie mit den Unabhängigen Griechen (Anel) eingegangen ist, einer rechten, ausländerfeindlichen Abspaltung von der konservativen Nea Demokratia (ND).

Die Entscheidung von Syriza-Führer Alexis Tsipras, eine Koalition mit Anel einzugehen, folgte keinerlei unabweisbarer Notwendigkeit, sondern war seine freie Entscheidung. Genauso gut hätte Syriza eine Minderheitsregierung bilden und sich in wichtigen Fragen auf die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) und andere Parteien stützen können.

Mit dem Zusammengehen mit Anel versucht Syriza die besten Bedingungen zu schaffen, um ihre politische Linie nach rechts zu verschieben und der griechischen und internationalen Bourgeoisie zu signalisieren, dass die neue Regierung keine Bedrohung ihrer grundlegenden Interessen darstellt.

Neuer Verteidigungsminister ist der Führer der Unabhängigen Griechen, Panos Kammenos, ein Mann mit engen Verbindungen zum Militär. In seiner ersten Erklärung als Minister versprach Kammenos, Mittel für weitere Rüstungsprogramme zu finden, die laufenden Programme beizubehalten und eine neue Bedrohungsanalyse zu erstellen.

Syriza und Tsipras ist die Bedeutung diese Ernennung wohl bewusst. Von 1967 bis 1974 wurde Griechenland mit eiserner Faust von einer Militärjunta regiert. Innerhalb einer Woche nach ihrer Machteroberung verhaftete das Militär damals mehr als 8.000 Menschen aufgrund sorgfältig vorbereiteter Listen. Tausende Menschen erlitten schreckliche Folter in eigens dafür geschaffenen Lagern.

Kammenos, der zwanzig Jahre lang Abgeordneter der ND war, hat enge Beziehungen zu Panayiotis Baltakos, dem früheren Kanzleramtsminister des gerade abgewählten ND-Ministerpräsidenten Antonis Samaras. Im vergangenen Jahr begann Baltakos mit dem Aufbau einer extrem rechten Partei, die den Namen Rizes (Wurzeln) tragen soll und sich auf „die orthodoxe Kirche, die Sicherheitskräfte und die Armee stützen“ soll.

Auch Syriza wendet sich an diese Kräfte. Kaum waren die Wahllokale geschlossen, telefonierte der designierte Innenminister Nikos Voutsis mit den Spitzen von Polizei und Armee. Laut dem Nachrichtenjournalisten Paul Mason von Channel 4 soll Voutsis den Generälen gesagt haben: „Wie vertrauen Ihnen.“ Mason wies darauf hin, dass diese Versicherung abgegeben wurde, „obwohl das griechische Militär und die Polizeikräfte seit dem kalten Krieg darauf gedrillt sind, die Linke zu unterdrücken, was soweit ging, dass die Offiziere sogar politische Schulungen über die Gefahren des Marxismus erhielten“.

Vor der Wahl hatte Syriza versprochen, die Bereitschaftspolizei aufzulösen und in die allgemeine Polizei zu integrieren. Aber dieses Versprechen hatte in der Regierung nicht einen Tag lang Bestand. Ein Staatssekretär von Syriza im Innenministerium gab bekannt: „Die Polizei wird bei Demonstrationen auch weiterhin Waffen tragen.“

Es ist bekannt, dass die griechische Polizei von Faschisten durchsetzt ist. Bei der Wahl letzte Woche haben, wie 2012, vierzig bis fünfzig Prozent der Polizisten für die faschistische Goldene Morgenröte gestimmt.

Voutsis’ Erklärung ist nicht das Ergebnis politischer Naivität. Unter Bedingungen der wirtschaftlichen und sozialen Krise sind neue Massenproteste unvermeidlich, sobald die Regierung ihre Version der Austeritätspolitik aufnimmt. Voutsis lässt die Polizei und die Armee wissen, dass Syriza auf sämtliche Kräfte des Staates zurückgreifen wird, um die Opposition zu zerschlagen.

In der Außenpolitik signalisierte Syriza ihre generelle Übereinstimmung mit dem europäischen Imperialismus, indem sie am Mittwoch die Sanktionen des Außenministertreffens der Europäischen Union gegen Russland unterstützte.

„Wir sind im Mainstream; wir sind nicht die bösen Jungs“, erklärte Tsipras’ Außenminister Nikos Kotzias, ein ehemaliges Mitglied der KKE, der zum Beispiel die Unterdrückung der Gewerkschaft Solidarnosc durch das stalinistische Regime in Polen in den 1980er Jahren unterstützt hatte.

Innenpolitisch griffen Syriza-Minister tief in die Trickkiste der Anti-Austeritäts-Rethorik, um sich in den ersten Tagen im Amt an die Stimmung in der Bevölkerung anzupassen. Gleichzeitig verpackten sie ihre Aussagen in nationalistische Töne. So erklärte Tsipras, seine Regierung werde eine Regierung der „nationalen Rettung“ sein. Alle Beschimpfungen richteten sich ausschließlich gegen die eine imperialistische Macht, Deutschland.

Syriza geht es nicht darum, die Angriffe auf die griechische Arbeiterklasse zu stoppen. Sie beklagt vielmehr, dass die Sparpolitik, wie Angela Merkel sie fordert, sowohl dem griechischen wie dem europäischen Kapitalismus schade.

Die Syriza-Regierung appelliert an europäische Länder wie Italien und Frankreich und vor allem an die Vereinigten Staaten. Sie drängt auf eine reflationäre Strategie und Politik der „quantitativen Lockerung“, wie sie von der Europäischen Zentralbank schon betrieben wird, um eine erneute globale Rezession zu verhindern. Dabei versucht sie, internationale Schuldner zu überreden, dass sie ein befristetes Einfrieren der Schulden Griechenlands über dreihundert Milliarden Euro akzeptieren. Im Gegenzug sagt sie zu, einen ausgeglichenen Haushalt zu garantieren, um so die Grundlage für die spätere Rückzahlung der Schulden zu schaffen.

Syriza signalisiert ihre Bereitschaft, eine Wirtschaftspolitik zu entwickeln, die die besten Bedingungen für die kapitalistische Ausbeutung schafft. Vizeministerpräsident Giorgos Dragasakis sagte gestern: „Die griechische Wirtschaft bietet viele Chancen, und unsere Regierung ist daran interessiert, neue Investitionen anzuziehen. (…) Wir bereiten eine lange Liste von Projekten und Investitionsmöglichkeiten vor.“

Am gleichen Tag gratulierte Präsident Barack Obama Tsipras zur Wahl und sagte: „Die Vereinigten Staaten freuen sich als langjähriger Freund und Verbündeter auf eine enge Zusammenarbeit mit der neuen griechischen Regierung, um Griechenland auf einen Weg zu langfristiger Prosperität zurückzuhelfen.“

Syrizas prokapitalistische und proimperialistische Politik wird dazu führen, dass die Partei schon bald mit der Arbeiterklasse in Konflikt kommt. Sie arbeitet mit allen politischen Betrügern und pseudosozialistischen Scharlatanen zusammen, um dem Auftreten einer unabhängigen politischen Arbeiterbewegung zuvorzukommen. Weltweit propagieren kleinbürgerliche Kräfte Syriza, um Arbeiter und Jugendliche zu verwirren und zu desorientieren, während sich die reaktionärsten Schichten im Staat auf den offenen Konflikt vorbereiten.

Die griechische Arbeiterklasse muss den Kampf gegen die Syriza-Regierung und ihre Apologeten aufnehmen und eine revolutionäre Partei aufbauen. Dies kann nur eine griechische Sektion des Internationalen Komitees der Vierten Internationale sein.

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