Perspektive

Japanische Geisel Kenji Goto enthauptet

Wenn man einem Video von Samstagabend glauben kann, wurde der japanische Journalist Kenji Goto an diesem Tag enthauptet. Es ist die jüngste Gräueltat des Islamischen Staats im Irak und in Syrien (Isis).

Zuvor wurde vergangene Woche schon ein anderer japanischer Bürger, Haruna Yukawa, enthauptet, weil der japanische Ministerpräsident Shinzo Abe sich geweigert hatte, ein Lösegeld von 200 Millionen Dollar für die Freilassung der beiden Geiseln zu zahlen.

Die erbarmungslose Ermordung von Goto und Yukawa trotz aller Gnadenappelle ihrer Familien und Freunde demonstriert erneut den reaktionären Charakter von islamistischen Organisationen wie Isis oder al-Qaida. Diese Taten haben nichts mit antiimperialistischem Kampf zu tun. Vielmehr gehören die Täter Abweichler-Fraktionen der arabischen Bourgeoisie an, die dabei sind, ihre besonderen Beziehungen zu den Großmächten neu auszutarieren. Ihre Methoden, wie Terroranschläge und die Hinrichtung unschuldiger Zivilisten, spielen dem Imperialismus direkt in die Hände.

Der Mord an Goto löste auf Seiten der USA und ihrer Verbündeten sofort ein Zetergeschrei aus. Er soll dazu dienen, die Hinrichtung als weitere Rechtfertigung für den neuen Krieg im Nahen Osten zu instrumentalisieren. In Wirklichkeit ist die Washingtoner Regierung selbst für den Aufstieg von Isis verantwortlich, denn diese Organisation ist direkt aus der Invasion im Irak von 2003 hervorgegangen. Später wurde sie von den amerikanischen Stellvertretern im Nahen Osten finanziert und bewaffnet, weil diese mit ihrer Hilfe den syrischen Präsidenten Baschar al Assad stürzen wollten.

Die japanische Regierung wird den Schock und die Empörung der Öffentlichkeit über die Hinrichtung der zwei Geiseln zweifellos dazu nutzen, die Militarisierung Japans und seine aggressiven imperialistischen Ansprüche voranzutreiben. In einer Fernsehansprache verurteilte Abe den „verachtungswürdigen Terrorakt“ und fuhr fort: „Japan wird seine Verantwortung gegenüber der internationalen Gemeinschaft im Kampf gegen den Terror entschlossen erfüllen.“ Er drohte, Japan werde dafür sorgen, dass „die Terroristen den Preis für ihre Taten bezahlen“.

Abe behauptete, seine Regierung habe alles getan, um Gotos Freilassung zu erreichen. Es gibt aber keinerlei Hinweise darauf, dass Tokio in den letzten Monaten irgendwelche Schritte in dieser Richtung unternommen hätte. Yukawa war schon im letzten August und Goto im Oktober von Isis entführt worden.

Die Drohung, beide Geiseln zu töten, wurde erst ausgesprochen, nachdem Abe im Januar in den Nahen Osten gereist war und angekündigt hatte, Japan werde 200 Millionen Dollar nicht-militärische Hilfe für den Kampf gegen Isis spenden. Erst als Yukawa schon getötet worden war, versuchte Japan, gemeinsam mit Jordanien einen Deal zu erwirken, bei dem Goto im Austausch für eine weibliche Gefangene in Jordanien, deren Freilassung Isis schon lange fordert, hätte freikommen sollen.

Die Abe-Regierung lässt schon erkennen, dass sie die Morde nutzen wird, um die verfassungsmäßigen Beschränkungen für den Einsatz der japanischen Armee im Ausland weiter zu unterhöhlen. Reuters berichtete letzte Woche, hohe Beamte hätten im Auftrag der Regierung eine juristische und eine Machbarkeitsstudie für eine mögliche militärische Rettungsoperation erstellt.

Dabei wäre eine militärische Kommandooperation, um die Geiseln zu retten, sogar noch über die “Neuinterpretation der Verfassung” hinausgegangen, die für diese Legislaturperiode geplant ist. Diese Gesetze, die schon letztes Jahr angekündigt wurden, sollen die Frage der “kollektiven Selbstverteidigung“ neu interpretieren.

Sie würden dem japanischen Militär eine noch viel unmittelbarere Beteiligung an US-geführten Kriegen ermöglichen. Solche Pläne spielen besonders für die Kriegsvorbereitungen gegen China im Rahmen des amerikanischen „Pivot to Asia“ eine Rolle. Ein weiterer Schritt zur Autorisierung militärischer Rettungsaktionen wäre ein Vorwand für einseitige japanische Interventionen in allen möglichen Gegenden der Welt.

Die japanische Armee (SDF) unterhält in Dschibuti, am Horn von Afrika, seit 2011 ihren ersten militärischen Stützpunkt im Ausland seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Die Anwesenheit von eintausend Soldaten wurde ursprünglich mit dem Kampf gegen Piraterie gerechtfertigt. Jetzt sind sie mit allen möglichen Dingen beschäftigt, so zum Beispiel mit UN-Operationen im benachbarten Südsudan. Japan betrachtet die Basis immer mehr als permanenten Außenposten für die Verteidigung seiner Interessen im Nahen Osten und Afrika, wo der größte Teils seiner Energieversorgung herkommt.

Abes einigermaßen zurückhaltende Reaktion in der Geiselkrise zeigt, dass eine stärkere öffentliche Reaktion seine militaristische Agenda gefährden könnte. Eine kleine, schweigende Mahnwache vor dem Amtssitz des Ministerpräsidenten widerspiegelte die Stimmung breiterer Schichten, welche die aggressive Außenpolitik der Regierung für den Tod Gotos und Yukawas verantwortlich machen. Auf einigen Schildern war zu lesen „Kein Krieg!“ und „Verhindert, dass Abe auch mich umbringt“.

Obwohl breite Gesellschaftsschichten Abes Remilitarisierungspolitik im Namen eines „proaktiven Pazifismus“ vollkommen ablehnen, plant die japanische Regierung, die Gesetze zur “kollektiven Selbstverteidigung” bis April durchzusetzen.

Seit seiner Amtsübernahme im Dezember 2012 hat Abe den Militärhaushalt jedes Jahr erhöht, einen Nationalen Sicherheitsrat nach dem Muster der USA ins Leben gerufen, die strategische Militärplanung Japans auf einen Krieg mit China ausgerichtet und eine Propagandakampagne entfaltet, um das japanische Militär von den Kriegsverbrechen der 1930er und 1940er Jahre reinzuwachen.

All dies geschah im Einvernehmen mit Washington. Die neuen Gesetze sollen kauch strengere Sicherheitsmaßnahmen im Inland und stärkere Einschränkungen für Proteste und Meinungsäußerungen der eigenen Bevölkerung enthalten.

Im Moment arbeitet Japan noch im Rahmen seines Nachkriegsbündnisses mit den Vereinigten Staaten zusammen. Aber die Abe-Regierung ist entschlossen, auch dann die Interessen des japanischen Imperialismus zu wahren, wenn dies letztlich zum Konflikt mit den USA führt. Abes Besuch in Januar im Nahen Osten ist Teil einer breiten diplomatischen Offensive. Sie drückt sich auch darin aus, dass er schon mehr Auslandsbesuche als jeder seiner Vorgänger in der Nachkriegszeit absolviert hat. Abe versucht die traditionelle „weiche [wirtschaftliche] Macht“ Japans durch neue militärische Macht zu ergänzen.

Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 und dem Ende des Kalten Kriegs versucht die japanische herrschende Klasse das Korsett der verfassungsmäßigen Beschränkungen immer entschlossener abzuschütteln. Im ersten Golfkrieg musste Japan nicht nur zuschauen, sondern wurde noch dazu unter Druck gesetzt, das amerikanische Militär im Irak zu finanzieren. In den letzten zwei Jahrzehnten hat eine Regierung nach der anderen die Nachkriegsverfassung Schritt für Schritt unterhöhlt, zuerst nur um der Beteiligung Japans an den US-geführten Invasionen von Afghanistan und dem Irak den Weg zu ebnen, aber nur ohne Kampfeinsätze.

Die dramatische Beschleunigung des japanischen Militarismus unter Abe widerspiegelt den wirtschaftlichen Zusammenbruch und die zunehmenden geopolitischen Spannungen nach der globalen Finanzkrise von 2008. Alle imperialistischen Mächte versuchen, die Lasten der Wirtschaftskrise auf ihre Rivalen abzuwälzen. Damit beschleunigen sie neue imperialistische Zusammenstöße.

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