Nato-Treffen in Brüssel erhöht Kriegsgefahr mit Russland

Das heutige Treffen der Nato-Verteidigungsminister in Brüssel wird ganz im Zeichen der Aggression des Militärbündnisses gegen Russland stehen und die Gefahr einer direkten militärischen Konfrontation mit der Atommacht weiter erhöhen.

Bereits vorab berichtete die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (F.A.S.) unter Berufung auf Nato-Quellen, das transatlantische Militärbündnis gehe nun dazu über, eine dauerhafte Militärpräsenz in Osteuropa aufzubauen. So sollen in Estland, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien und Bulgarien jeweils sogenannte „Nato Force Integration Units“ entstehen. Zu einem späteren Zeitpunkt sei geplant, eine solche Einheit oder Stabszelle auch in Ungarn aufzustellen.

Die Stabszellen setzen sich aus jeweils etwa 40 Soldaten zusammen und sollen Übungen der neuen schnellen Eingreiftruppe vorbereiten und im Ernstfall als Koordinierungs- und Leitungsstelle dieser Truppe fungieren. Deutschland, das in diesem Jahr die Führung dieser „Speerspitze“ übernimmt, wolle insgesamt etwa 25 Soldaten in die Stabszellen entsenden.

Den Nato-Plänen zu Folge sollen die Bodentruppen der schnellen Eingreiftruppe aus einer Brigade mit etwa 5000 Soldaten bestehen. Ihre flexibelsten Einheiten sollen innerhalb von 48 Stunden marschbereit sein, die gesamte Brigade innerhalb von einer Woche. Die Führung der Speerspitze soll jährlich rotieren und von einem anderen Nato-Mitglied übernommen werden.

Laut F.A.S. werden die Nato-Verteidigungsminister beschließen, wie die „Testphase“ ausgestaltet wird, die bis zum Nato-Gipfel Anfang nächsten Jahres in Warschau andauert. Das Blatt stützte sich auf Informationen aus der Bundeswehr, die die zentrale Rolle Deutschlands bei der Nato-Offensive gen Osten unterstreichen. So soll ab April eine Kompanie deutscher Fallschirmjäger amerikanische Einheiten ergänzen, die bereits seit dem letzten Jahr in den baltischen Staaten und in Polen stationiert sind. Die Bundeswehrsoldaten sollen nacheinander in Polen, Litauen und Lettland eingesetzt werden.

Bereits vor zwei Wochen hatte die F.A.S. enthüllt, dass die Nato-Verteidigungsminister zum Auftakt ihres Treffens als Nukleare Planungsgruppe (NPG) zusammenkommen, um sich „mit den nuklearen Drohgebärden Russlands in den vergangenen Monaten“ zu beschäftigen.

Die NPG wurde 1966 gegründet und ist als Mitgliedergremium für die Rolle der Atomwaffen im Bündnis zuständig. Anders als in früheren Jahren, so die F.A.S., handle es sich diesmal um keine Routineveranstaltung. Den Ministern werde eine Analyse der Bedrohungsmuster vorgestellt, die im Nato-Hauptquartier erarbeitet worden sei. Anschließend würden die Minister „zum ersten Mal über Konsequenzen für die nukleare Strategie des Bündnisses beraten“. Mit Frankreich, das nicht Mitglied der NPG ist, sei ebenfalls eine Beratung geplant.

Die nuklearen Planspiele der Nato unterstreichen, dass die imperialistischen Mächte bereit sind, einen Atomkrieg zu riskieren, um Russland in die Knie zu zwingen. Erst in der vergangenen Woche hatten hochrangige russische Politiker, darunter der ehemalige sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow, vor der Gefahr eines Dritten Weltkriegs gewarnt, falls die Nato unter Führung der USA die gegen Russland gerichtete Aggression in der Ukraine weiter vorantreibe.

In einer Situation, in der die Kämpfe zwischen Truppen der von den USA und der Europäischen Union installierten Regierung in Kiew und prorussischen Separatisten in der Ostukraine eskalierten, warnte Gorbatschow vor einem „heißen Krieg“, der „heute wohl unweigerlich in einen Atomkrieg münden“ würde.

Am Samstag zitierte die Süddeutsche Zeitung den russischen Militärexperten Jewgeni Buschinski mit den Worten, Russland werde als Reaktion auf eine Offensive Kiews gegen den Donbass „intervenieren müssen... Und dann muss es, offen gesagt, Kiew einnehmen. Dann ist die Nato in einer schwierigen Lage. Dann müsste man den Dritten Weltkrieg beginnen, was keiner wollen kann.“

Trotz der Warnungen aus Moskau sind die imperialistischen Mächte und ihre Statthalter in Kiew dabei, den Konflikt weiter zu eskalieren. Anfang der Woche berichtete die New York Times über Pläne der USA, tödliche Waffen an Kiew zu liefern und die ukrainische Armee massiv aufzurüsten. Die Pläne hatten in Europa zunächst Widerspruch ausgelöst. Die Süddeutsche Zeitung nannte sie wörtlich eine „Kriegserklärung an Moskau“. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach sich bei einem Besuch in Ungarn gegen solche Waffenlieferungen aus.

Das Nato-Treffen soll dazu dienen, alle Mitgliedstaaten hinter dem von der US-Regierung forcierten Kurs zu sammeln und geschlossen den Druck auf Russland zu erhöhen. Der stellvertretende Generalsekretär der Nato und ehemalige amerikanische Botschafter in Russland, Alexander Vershbow, bezeichnete Anfang der Woche die „russische Aggression“ in der Ukraine als „game-changer der europäischen Sicherheitspolitik“.

In einer Rede in Oslo betonte Vershbow die Notwendigkeit, die schnelle Eingreiftruppe in Osteuropa aufzustellen, die Nato nach Osten zu erweitern und die ukrainische Armee aufzurüsten. Zu den vom Westen beanspruchten Staaten Ukraine, Georgien und Moldawien erklärte er: „Je stabiler sie sind, desto sicherer sind wir. So ist Hilfe für die Ukraine, Georgien und Moldawien – um ihre Streitkräfte zu stärken, ihre Institutionen zu reformieren und ihre Wirtschaft zu modernisieren – kein Entgegenkommen; es ist in unserem grundsätzlichen strategischen Interesse.“

Dann fügte er hinzu: „Die Nato leistet ihren Teil. Um der Ukraine zu helfen, ihre Streitkräfte zu modernisieren und zu reformieren, haben wir fünf Treuhandfonds ins Leben gerufen, die ihr in Bereichen wie Führung, Logistik, Cyberverteidigung und Militärmedizin beistehen. Wir schicken mehr Berater nach Kiew und werden Übungen mit den ukrainischen Streitkräften durchführen. Und wir unterstützen Moldawien und Georgien, ihre Verteidigungsfähigkeit auf ähnliche Weise zu stärken. Und im Falle Georgiens werden wir helfen, es auf die zukünftige Mitgliedschaft in der Allianz vorzubereiten.“

Am Ende seiner Rede mahnte Vershbow: „Diesmal haben wir unseren Kurs gewählt und wir müssen ihn halten. Wir müssen geschlossen und stark sein und die Kosten Russlands für seine Aggression nach oben treiben.“

Mittlerweile werden auch in Deutschland die Stimmen für eine Bewaffnung der Ukraine lauter. Gestern sprach sich Michael Gahler (CDU), der sicherheitspolitische Sprecher der Fraktion der Europäischen Volkspartei im EU-Parlament, für Waffenlieferungen an die Ukraine aus. Das Land habe das Recht, sich angemessen zu verteidigen, sagte Gahler im Deutschlandlandfunk. Dazu gehöre „auch die Möglichkeit, sich Waffen zu besorgen“.

In die gleiche Kerbe schlug Wolfgang Ischinger, der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, die am kommenden Wochenende stattfindet. Im ZDF stellte er sich hinter die „Ankündigung möglicher Waffenlieferungen“ an die Ukraine. Entsprechende Überlegungen der USA seien „wichtig“ und „angemessen“. Zynisch erklärte er: „Manchmal braucht man Druck, um Frieden zu erzwingen.“ Deutschland selbst müsse zwar keine Waffen liefern. Er könne sich „aber vorstellen, dass andere Bündnispartner dies tun wollen“.

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko, dessen pro-westliches Regime durch den Putsch vor rund einem Jahr an die Macht kam und seitdem einen brutalen Krieg gegen die Bevölkerung der Ostukraine führt, gab sich gestern optimistisch. Während eines Auftritts in der Millionenstadt Charkow, die nahe an der Grenze zu Russland und zu den umkämpften Gebieten liegt, erklärte er: „Wir werden tödliche Waffen brauchen, und ich bin sicher, dass es ausländische Waffenlieferungen in die Ukraine geben wird. Ich habe nicht den geringsten Zweifel, dass die USA und andere Partner auch mit tödlichen Waffen helfen werden, damit die Ukraine die Möglichkeit hat, sich selbst zu verteidigen.“

Poroschenko kündigte auch an, die ukrainische Rüstungsindustrie hochzufahren. „Die Ukraine verfügt über eigene Produktionsmöglichkeiten von Waffen, die zudem kostengünstiger sind als im Ausland. Einheimische Waffen werden in der Ukraine deutlich billiger hergestellt und sind von ebenso hoher Qualität. Der Ukraine fehlte es bisher jedoch an Zeit, die Produktionskapazitäten in vollem Umfang auszuweiten.“ Gebraucht würden vor allem abhörsichere Funkgeräte, Radaranlagen, panzerbrechende Waffen und Luftabwehrraketen.

Zusammen mit 20 anderen Staats- und Regierungschefs und 60 Außen- und Verteidigungsministern wird Poroschenko am kommenden Wochenende an der Münchner Sicherheitskonferenz teilnehmen. Bereits heute trifft er sich in Kiew mit US-Außenminister John Kerry.

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