Perspektive

Europa am Rande des Kriegs

Die Washingtoner Regierung plant, ihr Marionettenregime in Kiew im Kampf gegen die prorussischen Separatisten in der Ostukraine mit Waffen auszurüsten. Damit rückt die Gefahr eines neuen Weltkriegs ins Zentrum der europäischen Tagespolitik.

Der französische Präsident, François Hollande, warnte am Donnerstag vor der Gefahr eines „totalen Kriegs“, ehe er mit Kanzlerin Angela Merkel nach Moskau aufbrach, um dort den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu teffen. Am Freitag wiederholte der frühere schwedische Ministerpräsident, Carl Bildt, diese Warnung in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ).

"Ein Krieg mit Russland ist leider denkbar" erklärte Bildt kurz vor Beginn der 51. Münchner Sicherheitskonferenz. „Wir durchleben sicherlich eine besonders gefährliche Phase, besonders, wenn man die Lage aus der europäischen Perspektive betrachtet. Es brennt im Osten, es brennt im Süden. Diese Feuer kommen uns sehr nahe. Was die Sache so brisant macht: Es gibt zusätzlich eine große Unsicherheit in den globalen Machtbeziehungen.“

Der Weltkapitalismus steht vor einer ebenso großen Krise wie im vergangenen Jahrhundert, als er die Menschheit 1914 und 1939 in zwei Weltkriege stürzte. Im Verlauf dieser imperialistischen Kriege wurden dutzende Millionen Menschen abgeschlachtet. Die Zerstörungen eines dritten, mit Nuklearwaffen geführten Weltkriegs, würden jene Schrecken noch bei weitem in den Schatten stellen.

Die Gefahr einer nuklearen Katastrophe hat sich weitgehend unbemerkt von der Weltbevölkerung entwickelt. Die mitverantwortlichen Medien bilden ein Kartell des Schweigens.

So vermied es die FAZ, Bildt die offensichtliche Frage zu stellen: Falls die schwedische Regierung einen Atomkrieg gegen Russland nicht mehr ausschließt, berücksichtigt sie dann bei der Ausarbeitung ihrer Tagespolitik die Möglichkeit, dass Atomraketen im Zentrum von Stockholm einschlagen könnten? Ist sie der Meinung, die Verteidigung des rechtsextremen Kiewer Regimes sei es wert, dass ganz Schweden ausgelöscht wird? Wie viele Millionen Menschenleben sind die imperialistischen Mächte bereit, ihren geopolitischen Ambitionen zu opfern?

Obwohl die Nato-Regierungen auf die historische Dimension der Krise hinweisen, hat keine von ihnen einen Plan, sie zu lösen. Stattdessen gießen sie Öl ins Feuer. Die imperialistischen Mächte wollen zehntausende Soldaten der Schnellen Eingreiftruppe der Nato nach Osteuropa entlang der russischen Grenze verlegen und Kriegsschiffe ins Schwarze Meer schicken.

Sogar noch während der Friedensgespräche, die Merkel und Hollande in Moskau führten, und die offensichtlich der Sorge über die Auswirkungen möglicher amerikanischer Waffenlieferungen an Kiew geschuldet waren, pries Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen die deutsche Beteiligung an der Schnellen Eingreiftruppe, die gegen Russland in Stellung gebracht wird.

In ihrer Auftaktrede zur Münchner Sicherheitskonferenz erklärte sie: „Deutschland ist nicht nur Rahmennation und Starthelfer der neuen Nato-Speerspitze. Wir bauen das Multinationale Korps Nordost mit auf, ebenso wie die Stützpunkte, die die Nato in ihren östlichen und südlichen Mitgliedstaaten einrichtet.“ Sie lobte „das unermüdliche Engagement der Bundesregierung, die Rolle der OSZE zu stärken und für eine geschlossene Haltung der EU gegenüber Russland zu sorgen“.

Als mögliche Alternative zu den amerikanischen Vorschlägen einer direkten Aufrüstung der Ukraine gibt es jetzt Stimmen in Europa, die eine Verschärfung der Sanktionen gegen Russland fordern. So soll Russland sogar von der internationalen Transaktionsgenossenschaft SWIFT ausgeschlossen werden. Ein solcher Wirtschaftsschlag könnte selbst als kriegerischer Akt angesehen werden.

Inzwischen arbeiten die europäischen Medien fieberhaft daran, die öffentliche Meinung zu vernebeln, indem sie den Kreml als Aggressor hinstellen und als Auslöser der Ukraine-Krise beschuldigen.

Am Freitag warnte die französische Tageszeitung Le Monde davor, dass “die Geschichte sich auf des Messers Schneide zwischen einem zwar tödlichen, aber lokalen Konflikt und einem größeren, wirklich beunruhigenden Konflikt bewegt (…), einer möglichen Kettenreaktion, wie sie Europa nur allzu gut kennt“. Das Blatt machte direkt Putin für die Krise verantwortlich. Sie schrieb: „Im Prinzip hängt alles von einem Mann ab: von Wladimir Putin. Glaubt der russische Präsident, er habe Kiew genug bestraft für den Wunsch, sich der Europäischen Union anzunähern? Will er die Spannungen zurückschrauben, oder will er weiter den Krieg anheizen?“

Das Märchen von der „Ein-Mann-Kettenreaktion“, das Le Monde hier auftischt, ist Bestandteil der Propagandakampagne zur Dämonisierung Russlands, die sich auf absurde Lügen stützt. In Wirklichkeit sind die imperialistischen Mächte für die wachsende Kriegsgefahr verantwortlich. Ihr verantwortungsloses Handeln wird dabei von ihren hegemonialen Ambitionen und der unlösbaren Krise des kapitalistischen Systems angetrieben.

Was die Regierungen in Washington und Europa erschüttert, sind die globale Wirtschaftskrise, ihr eigenes schwindendes Gewicht in der Weltwirtschaft und der wachsende Widerstand, den die Arbeiterklasse ihrer Austeritätspolitik entgegensetzt. Aufgeschreckt durch die „Unsicherheit in den globalen Machtbeziehungen“ (Bildt), versuchen sie ihre geopolitische Position durch den Griff nach der Ukraine zu festigen. Sie haben dort einen Putsch orchestriert, um Russland einen vernichtenden Schlag zu versetzen und das Land in eine Halbkolonie zu verwandeln.

Vergangenes Jahr unterstützten die Nato-Mächte unter Führung von Washington und Berlin zunächst den Putsch in Kiew, der von Kräften wie dem faschistischen Rechten Sektor angeführt wurde. Nach dem Sturz des pro-russischen Präsidenten Wiktor Janukowitsch installierten sie ein rechtes Regime, das der Arbeiterklasse brutale Sparmaßnahmen aufzwang und versuchte, die Opposition in den pro-russischen Regionen der Ostukraine im Blut zu ertränken.

Dann nutzten die Nato-Mächte den bewaffneten Widerstand gegen das Kiewer Regime in der Ostukraine, zum Beispiel auf der Krim und im Donbass, um ihre militärische Aufrüstung in Osteuropa zu rechtfertigen. Sie unterstützten den Krieg im Donbass, der über 5.000 Menschen das Leben gekostet und Millionen in die Flucht getrieben hat. Nachdem der Kreml jetzt angedeutet hat, notfalls militärisch einzugreifen, um eine breite Militäroffensive gegen den Donbass zu stoppen, reden die Nato-Mächte über die Möglichkeit eines „totalen Kriegs“.

Die internationale Arbeiterklasse muss dem Kriegswüten der imperialistischen Mächte die Strategie der sozialistischen Weltrevolution entgegensetzen.

Die Gefahr eines Kriegs ist zum Dauerthema geworden und hat sich in den letzten Jahren immer wieder akut gestellt: im September 2013, als die Vereinigten Staaten und Frankreich beinahe Syrien angegriffen hätten; 2014, als wegen des nach wie vor ungeklärten Abschusses von MH17 über der Ukraine Kriegsdrohungen gegen Russland ausgestoßen wurden; und heute wegen des Kriegs in der Ostukraine. Wenn es der Arbeiterklasse nicht gelingt, eine Massenintervention gegen den Imperialismus zu organisieren, dann wird die eine oder andere Krise einen unkontrollierbaren Krieg auslösen, der das Überleben der Menschheit in Frage stellt.

Das Internationale Komitee der Vierten Internationale schrieb dazu im vergangenen Jahr in der Erklärung “Sozialismus und der Kampf gegen imperialistischen Krieg“:

„Der Zusammenprall der imperialistischen und nationalstaatlichen Interessen beweist, dass es im Kapitalismus unmöglich ist, die weltweit integrierte Wirtschaft vernünftig zu organisieren und so für eine harmonische Entwicklung der Produktivkräfte zu sorgen. Zugleich erzeugen dieselben Widersprüche, die den Imperialismus an den Rand des Abgrunds treiben, die objektiven Triebkräfte für die soziale Revolution. Die Globalisierung der Produktion hat zu einem massiven Wachstum der Arbeiterklasse geführt. Nur diese soziale Kraft, die an keine Nation gebunden ist, kann das Profitsystem und damit die Ursache von Krieg beenden.“

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