Prorussische Separatisten nehmen die ostukrainische Stadt Debalzewe ein

Berichten zu Folge haben die pro-russischen Separatisten die ostukrainische Stadt Debalzewe eingenommen. Die Stadt ist ein wichtiger Eisenbahnknotenpunkt, der die von Rebellen kontrollierten Städte Donezk und Lugansk miteinander verbindet. Die Separatisten versuchen mit der Einnahme, ihre strategische Position gegenüber dem pro-westlichen Regime in Kiew zu stärken.

Am Mittwoch bestätigte der ukrainische Präsident Petro Poroschenko den Abzug von Regierungstruppen aus der Stadt. „Heute morgen haben die ukrainischen Streitkräfte mit der Nationalgarde die geplante Operation zur Evakuierung unserer militärischen Einheiten aus Debalzewe abgeschlossen“, erklärte Poroschenko in Kiew. Damit gab das Regime erstmals zu, dass es die Schlacht um Debalzewe verloren hat.

Der unabhängige ukrainische Fernsehsender „Hromadtske TV“ zeigte Live-Bilder aus der Stadt. Soldaten ganzer Einheiten verließen sie zu Fuß. Einige sprachen mit dem Reporter. „Das war's, der Krieg ist verloren, wir ziehen ab“, sagte einer der demoralisierten Kämpfer. Ein anderer beschwerte sich, dass es keinen Nachschub mehr gegeben habe: „Unsere Männer der 128. Brigade haben seit fünf Tagen nichts gegessen. Wir haben keine Munition mehr und sonst auch nichts“.

Das Regime in Kiew und seine westlichen Verbündeten reagieren auf die schwere Niederlage der ukrainischen Armee mit neuen Drohungen gegen Russland.

Die Aktivitäten der „von Russland unterstützten Separatisten“ in Debalzewe seien „eine klare Verletzung der Waffenruhe“, erklärte die Außenbeauftragte der Europäischen Union Federica Mogherini. Sie forderte die Separatisten auf „alle militärischen Aktivitäten zu stoppen“. Sollten die Kämpfe weitergehen, sei die EU zu einer „angemessenen“ Reaktion bereit. „Russland und die Separatisten“ müssten „sofort und vollständig die Verpflichtungen umsetzen“, die sie in der letzten Woche beim Gipfel in Minsk eingegangen seien, forderte Mogherini.

Der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert, verurteilte den Vorstoß der Rebellen scharf und beschuldigte sie, die Waffenruhe „massiv verletzt“ zu haben. Es sei „eine schwere Belastung für das Abkommen wie für die Friedenshoffnungen für die Ostukraine insgesamt“, erklärte Seibert. Den „Friedensplan“ wollte die Bundesregierung aber noch nicht als gescheitert ansehen. Weitere Sanktionen gegen Russland und die Rebellen schließe sie aber nicht aus. Erst am Montag hatte die EU der Liste von Personen in Russland und der Ostukraine, gegen die Finanzsanktionen und Reiseverbote bestehen, neunzehn weitere Namen hinzugefügt, unter anderem Russlands stellvertretenden Verteidigungsminister.

Der amerikanische Vizepräsident Joe Biden Russland gab den Separatisten die Schuld am Bruch der Waffenruhe. Sie handelten „im Einklang mit den russischen Kräften“, hieß es in einem Statement Bidens, aus dem die Süddeutsche Zeitung zitierte. Biden habe zuvor mit Poroschenko telefoniert und dabei gedroht, dass Russland „einen höheren“ Preis bezahlen müsse, wenn es weiterhin die Minsker Vereinbarungen missachte, schrieb das Blatt.

Bereits am Dienstag hatte die Sprecherin des US-Außenministeriums, Jen Psaki, vor der Presse erklärt, dass die Obama-Regierung noch immer bereit sei, das ukrainische Regime mit tödlichem Kriegsgerät auszurüsten. „Wir glauben, dass eine diplomatische, politische Herangehensweise hier die richtige ist sind, aber wir halten uns die Optionen offen, die wir vor einer Woche oder vor zwei Wochen erwogen haben," sagte sie.

Washington hat das Minsker Abkommen nur deshalb nicht öffentlich abgelehnt, weil sich die regierungstreuen Truppen in der Ostukraine in einer militärisch verzweifelten Lage befinden. Nach dem letzten gescheiterten Waffenstillstand im September, der ebenfalls in Minsk ausgehandelt wurde, weigerte sich das Kiewer Regime, seine Truppen und Artillerie aus ihren Stellungen im Osten abzuziehen. Daher gingen die Kämpfe weiter.

Kiew versucht das Minsker Abkommen wieder zu nutzen, um Zeit zu gewinnen und sich vor einer erneuten Offensive gegen die Separatisten neu zu formieren. Am Dienstag genehmigte Poroschenko einen Plan, laut dem bis Ende des Jahres Männer bis 27 Jahre einberufen werden sollen. Zuvor hatte er bereits mit der Einführung des Kriegsrechts im ganzen Land gedroht.

Der russische Präsident Wladimir Putin beschuldigte am Dienstag in einer Rede nach einem Treffen mit dem ungarischen Premierminister Viktor Orban die westlichen Mächte, Waffen an das Regime in Kiew zu liefern. „Laut unseren Informationen werden [Kiew] bereits Waffen geliefert“, erklärte er. Putin hatte die ukrainische Armee indirekt zur Kapitulation in Debalzewe aufgefordert. „Die ukrainischen Offiziellen sollten ihre Soldaten nicht daran hindern, die Waffen niederzulegen“, sagte Putin in Budapest. Dann könne die in Minsk vereinbarte Waffenruhe Bestand haben.

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