Bundesregierung will Wehretat erhöhen und massiv aufrüsten

Die Bundesregierung will den Wehretat erhöhen und die Bundeswehr massiv aufrüsten. Das verkündete Finanzminister Wolfgang Schäuble am Wochenende in einem Interview mit der Bild am Sonntag.

„Natürlich werden wir angesichts der Krisen und Instabilitäten in der Welt in den nächsten Jahren höhere Leistungen für Verteidigung schultern müssen“, sagte Schäuble und ergänzte: „Kurzfristig, also für das kommende Jahr, können Sie mit einem höheren Verteidigungsetat allerdings wenig ausrichten, weil die Industrie so schnell gar nicht große Rüstungsprojekte liefern kann.“ Ab 2017 solle der Wehretat jedoch steigen. Zusätzliche Mittel müssten zukünftig auch für die Bereiche Entwicklung und innere Sicherheit aufgewendet werden.

Die Ankündigung des Finanzministers, den Verteidigungshaushalt zu erhöhen und „große Rüstungsprojekte“ anzuschieben, ist der nächste Schritt in den Plänen, Deutschland gegen den Willen der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung zu remilitarisieren und auf Krieg vorzubereiten. Ein Jahr nachdem die Bundesregierung auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2014 das „Ende der militärischen Zurückhaltung“ verkündet hat und Politik und Medien monatelang für Aufrüstung und mehr Auslandseinsätze getrommelt haben, sollen Nägel mit Köpfen gemacht werden.

In einem Interview mit den hauseigenen Medien der Bundeswehr am vergangenen Freitag hatte Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) bereits ihre Forderung nach einer massiven Aufrüstung im Rahmen einer aggressiveren Militärdoktrin wiederholt.

Gegenüber der Redaktion der Bundeswehr erklärte sie, dass im vergangenen Jahr „immer wieder zu Recht die Frage nach der Einsatzfähigkeit von Mensch und Material“ gestellt worden sei. „Die Frage, was wir wirklich können müssen und was die Truppe dafür braucht und was nicht“, müsse „neu und ehrlich“ beantwortet werden. Das sei auch „Thema des Weißbuchprozesses“ und werde selbstverständlich „Auswirkungen auf die Konzepte und mittelfristigen Planungen der Bundeswehr haben“. Die Streitkräfte müssten „sich permanent modernisieren und anpassen, um mit neuen Rahmenbedingungen Schritt zu halten“, so von der Leyen.

Sie wolle deshalb den „dringend notwendigen Modernisierungsprozess“ vorantreiben, „beim Material“ ebenso „wie die Veränderungen für die Menschen in der Bundeswehr“. Anders als bislang nahm von der Leyen gegenüber den Medien der Bundeswehr kein Blatt mehr vor den Mund. Für all das seien Milliarden notwendig!

„Wenn man die gesamte Ausrüstung der Bundeswehr betrachtet, sprechen wir über einen Gesamtwert von 200 Milliarden Euro“, erklärte die Verteidigungsministerin. Da könne sich jeder vorstellen, „dass jedes Jahr Milliardensummen und eine kontinuierliche Planungsarbeit erforderlich sind, um diesen Bestand in Schuss zu halten und zu erneuern“. Ihre Wahrnehmung sei: „Die Bundeswehr hat genauso wie bei modernen Arbeitsbedingungen auch beim Material einen enormen Investitionsstau aufgebaut. Da müssen wir ran.“

Im weiteren Verlauf des Interviews führte von der Leyen aus, was sie damit meint. Das bisherige Leitmotto der Bundeswehr „Breite vor Tiefe“, das die Erhaltung aller Fähigkeiten und Waffengattungen der Bundeswehr in begrenztem Maß vorsah, sei lediglich ein „Schlagwort“ und nicht ausreichend. Als Rahmennation der Nato und in anderen Bündnissen müsse die Bundeswehr natürlich „immer eine angemessene Breite an militärischen Fähigkeiten vorhalten, wie zum Beispiel als NATO-Speerspitze, oder bei der Führung der Ausbildungsmissionen im Nodirak oder in Afghanistan“.

Ebenso dringend sei jedoch „mehr Durchhaltetiefe“ bei „einzelnen Schlüsselfähigkeiten“. Wichtig sei ihr, „dass die Bundeswehr nicht nur auf dem Papier gut ist, sondern auch in der Realität ihre Leistungsfähigkeit üben und unter Beweis stellen kann“. Und dies habe natürlich „sehr viel mit der Verfügbarkeit und der Einsatzfähigkeit der modernen Waffensysteme zu tun.“

Mit anderen Worten: die Bundeswehr braucht mehr neue Waffensysteme und muss die bereits vorandene Ausrüstung modernisieren. „In der Vergangenheit ist deutlich das Material reduziert worden, das der Truppe zur Verfügung steht für Grundbetrieb und Übung“, kritisierte die Ministerin. Die Armee dürfe nicht „schleichend in eine Mangelverwaltung hineingeraten, die zunehmend den Grund- und den Ausbildungsbetrieb aushöhlt“.

Von der Leyen beschwor hier erneut ein Katastrophen-Szenario herauf, für das sie seit Monaten tatkräftige Schützenhilfe von den Meiden erhält. Immer wieder werden gezielt Nachrichten über das marode Gerät der Bundeswehr gestreut. Die Themen der jüngsten Schreckensberichte reichen vom Marinehubschrauber MH90, der mit den klimatischen Bedingungen über Nord- und Ostsee bereits überfordert sei, bis zu Schützenpanzerbesatzungen, die bei Nato-Übungen in Norwegen in Ermangelung eines Waffenrohrs mit schwarz lackierten Besenstielen Vorlieb nehmen müssten.

Die Ministerin versicherte, diesen „Abwärtstrend zu stoppen“. Die Obergrenzen für „Großgeräte“, die in einer entsprechenden Aufstellung der Bundeswehr von 2011 auf 225 Kampfpanzer Leopard 2 und 350 Schützenpanzer Puma beziffert wird, stellte sie genauso in Frage wie die Personalobergrenzen der Truppe. Und sie kündigte konkrete Maßnahmen an.

Zum „Beispiel Panzertruppe“ erklärte sie: „Anstatt funktionstüchtige Leopard 2 auszumustern und zu verschrotten, sollten wir überlegen, wie wir das gute, noch vorhandene Material in die bestehenden Strukturen integrieren können.“

Am Standort Bergen in Niedersachsen solle deshalb ein derzeit gekadertes Panzerbataillon aktiviert werden. Konkret heißt das, dass nach dem Abzug der britischen Streitkräfte 2016 mindestens 1000 Soldaten und 44 Leopard-Panzer des Panzer-Bataillons 414 in Bergen stationiert werden. Insgesamt verfügt die Bundeswehr aktuell noch über vier weitere aktive und ein „gekadertes“ Panzer-Bataillon. („Gekadert“ heißt in diesem Zusammenhang, dass nur ein Grundstock an Personal und Material vorhanden, das Bataillon aber nicht einsatzfähig ist.)

Von der Leyen stellte die Verstärkung der Panzerflotte in direkten Zusammenhang mit der Aufrüstung der Nato in Osteuropa: „Wir haben bei der Schnellen Speerspitze [Nato-Eingreiftruppe in Osteuropa] zum Beispiel eine Einsatzbereitschaft von zwei bis fünf Tagen, die wir herstellen müssen. Das ist was völlig anderes als die 180 Tage, die wir in der Vergangenheit Zeit hatten.“ Deshalb benötige man „mehr Material, zum Beispiel bei den Panzern, die sofort zur Verfügung stehen“ müssten.

In Bezug auf das Personal werde überprüft, ob „das Verhältnis von Soldaten auf Zeit zu den Berufssoldaten stimmig“ sei oder ob „dort nochmal nachjustiert werden muss“. Bei den Zivilbeschäftigten sei „heute bereits absehbar, dass wir mit der Stellenzahl von 55.000 Ende im Jahr 2017 nicht auskommen werden“. Es seien deshalb 1000 zusätzliche Stellen eingeplant. Ab Herbst solle es auch wieder die Möglichkeit geben, „dass sich junge Männer und Frauen für zwei Jahre verpflichten, um Reserveoffiziere werden zu können“. Dies mache den „Karriereeinstieg bei der Bundeswehr deutlich attraktiver“.

Auch die Infrastruktur der Bundeswehr sei laut von der Leyen „buchstäblich eine Riesenbaustelle“. Man werde deshalb bereits bis Ende 2017 bis zu vier Milliarden Euro investieren. Es gebe „ein Sofortprogramm zur Sanierung von Kasernen, das kurzfristig die gröbsten und dringendsten Mängel abstellen soll“.

Am Ende des Interviews erklärte die Verteidigungsministerin, dass die Modernisierung der Bundeswehr „ein echter Marathon“ sei. Das vergangene Jahr habe der Öffentlichkeit dabei „eindrucksvoll vor Augen geführt, dass Sicherheit und eine einsatzfähige Bundeswehr nicht zum Nulltarif zu haben sind“.

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