Perspektive

Der Polizeimord in Los Angeles

Am letzten Sonntag beobachteten mehrere entsetzte Augenzeugen in Los Angeles, wie sich sechs Polizisten am helllichten Tag auf einen offenbar geistig verwirrten Obdachlosen stürzten. Der Stadtstreicher hatte sein Lager in der Skid Row, unweit des Stadtzentrums, aufgeschlagen.

Ungeachtet der Proteste wütender Passanten griffen die Polizisten den unbewaffneten Mann mit einem Elektroschocker an und schlugen ihn zusammen. Dann feuerten drei der Cops insgesamt fünf Schüsse auf ihr Opfer und töteten den wehrlos am Boden Liegenden.

Wie bei etlichen anderen Polizeiübergriffen in den USA in den letzten Monaten wurde auch dieses Ereignis von Zeugen gefilmt. Ein vier Minuten langes Video geht bereits um die Welt und ruft bei Millionen Menschen Abscheu hervor. Was man darauf sieht ist kaum zu glauben: Ein Mensch wird rücksichtslos ermordet. Und warum? Aus welchem Grund?

Der Mord an Charley Saturmin Robinet, genannt „Afrika“, ist nur die letzte einer ganzen Reihe von Polizeibrutalitäten. Buchstäblich jeden Tag töten im angeblich „demokratischen“ Amerika Schläger in Uniform Menschen auf grausame Weise. Bei den Opfern handelt es sich meist um Leute, die in einer Welt von Reichtum und Privilegien nur mühsam über die Runden kommen.

Im letzten Jahr tötete die Polizei 1.202 Personen. Fast 200 wurden bereits in diesem Jahr getötet. Zu den Opfern gehören der 18jährige Michael Brown aus Ferguson (Missouri), Eric Garner in Staten Island (New York), der 12jährige Tamir Rice in Cleveland (Ohio), die 16jährige Jessica Hernandez in Denver (Colorado) und Antonio Zambrano-Montes in Paso (Washington).

In jedem dieser Fälle reagierten die kommunalen und regionalen Regierungen auf die gleiche Weise: Sie stellten sich vor die Killer Cops. Manipulierte Geschworenengerichte weigerten sich, die Polizisten, die Michael Brown und Eric Garner getötet hatten, unter Anklage zu stellen. Und das obwohl durch Zeugenaussagen und sogar Videoaufzeichnungen bewiesen war, dass die Opfer unbewaffnet waren und ihre Killer auf keine Weise bedroht hatten.

Vertreter der Obama-Regierung haben an die Presse durchsickern lassen, dass das Justizministerium keine Anklage des Bundes gegen den Polizisten Darren Wilson aus Ferguson erheben wird, der Michael Brown ermordete.

In der letzten Woche argumentierten die Behörden in Cleveland vor Gericht, dass Tamir Rice selbst für seinen Tod durch die Polizei verantwortlich sei, weil er mit einer Spielzeugpistole hantiert habe.

Die Reaktion des Staates auf die zahlreichen Polizeimorde, die im ganzen Land zu Protestaktionen führten, ist unmissverständlich: Die Polizei darf ungestraft schlagen und töten. Nicht ein einziger Polizist wurde gerichtlich verfolgt. Im Gegenzug jedoch wurden Hunderte Demonstranten verhaftet und Dutzende angeklagt, weil sie in sozialen Netzwerken Kritik an der Polizei geübt hatten.

Die Brutalität und Gewalt in der amerikanischen Gesellschaft drückte sich diese Woche auch in einem weiteren Ereignis aus, das vor aller Augen stattfand.

Am Montag wurde in Georgia zum zweiten Mal in weniger als einer Woche die Hinrichtung einer Frau aufgeschoben, nur wenige Stunden, bevor ihr die tödliche Injektion gespritzt werden sollte. Die 46 Jahre alte Kelly Renee Gissendaner wurde in die Todeszelle zurückgebracht, wo sie auf einen weiteren Termin mit dem Henker warten muss. Das geschieht in einem Land, dessen Verfassung „grausame und ungewöhnliche Strafen“ verbietet.

Die Umstände der Tötung Robinets am Sonntag weisen auf den allgemeinen Zustand der sozialen Verhältnisse in den USA hin. Die Straße Skid Row in Los Angeles ist das Zuhause von rund 1.700 Obdachlosen, von denen viele psychisch krank sind. Sie landeten dort auf Grund der andauernden Sozialkürzungen und und chronischer Arbeitslosigkeit.

Die Polizeibeamten, die in die Schießerei verwickelt waren, sind Teil der sogenannten „Initative sichere Stadt“. Es handelt sich um eine Spezialeinheit, die „Verbrechen gegen die Lebensqualität“ verhindern soll, indem sie Jagd auf Arme und Notleidende macht. Damit sollen Obdachlose aus einer Gegend vertrieben werden, die zur Gentrifizierung vorgesehen ist.

Wie die New York Times am Dienstag berichtete, wird durch eine „explosionsartige Stadtentwicklung und Gentrifizierung“ Druck auf städtische Beamte ausgeübt, „die Straße zu säubern“. So sagte ein Bewohner der Skid Row der Times: „Die Cops wollen uns dort nicht haben. Sie haben versucht, an ihm [Robinet] ein Exempel zu statuieren.“

Diese Praktiken finden sich in den Städten überall im Land. In Detroit werden Wasser und Strom abgeschaltet, um große Teile der armen Bevölkerung aus der Stadt zu vertreiben, während ein Teil der Stadt in eine Enklave für Reiche verwandelt wird.

Die psychopatischen Aktionen der Polizisten widerspiegeln die explosiven sozialen Gegensätze, die sich in den Vereinigten Staaten zusehends verschärfen. Die herrschende Klasse Amerikas, deren Reichtum und Eigentum von Polizei und Staatsapparat beschützt werden, betrachtet die Arbeiterklasse mit einer Mischung aus Hass und Furcht.

Die Oligarchen der Wall Street und die Konzernvorstände sind sich bewusst, dass ihre rücksichtslosen Angriffe auf die arbeitende Bevölkerung und die Jugend und ihre unersättliche Gier zwangsläufig zu sozialen Aufständen führen. Sie reagieren darauf, indem sie jeden Ausdruck von Widerstand in der Gesellschaft gewaltsam unterdrücken und die Infrastruktur eines Polizeistaats aufbauen.

Daher werden die Polizeikräfte überall im Land in paramilitärische Einheiten zur inneren Aufstandsbekämpfung umstrukturiert. Die arbeitende Bevölkerung im eigenen Land wird mit ähnlichen Augen betrachtet wie die Menschen im Irak und in Afghanistan: als eine feindliche und potentiell aufständische Macht.

Mehr und mehr werden die Methoden feindlicher Okkupation direkt innerhalb der USA angewandt. 2013 in Boston und 2014 in Ferguson wurden Polizei und Militär eingesetzt, um ganze Städte abzusperren.

All dies wurde auf höchster Regierungsebene in Gang gesetzt. Die Obama-Regierung hat den Transfer von Milliarden von Dollars in die militärische Ausrüstung der kommunalen Polizeikräfte verfügt. Sie unterstützt das Programm des Verteidigungsministeriums, die lokale Polizei mit Panzern, Hubschraubern und militärtauglichen Waffen auszurüsten.

Die gesamte Politik des Weißen Hauses folgt dieser Linie: Der Präsident lässt den allgemeinen Lauschangriff der NSA im Innern ausbauen, beansprucht das Recht, amerikanische Bürger zu ermorden, und schützt jene, die für das Folterprogramm der Bush-Regierung verantwortlich sind.

Die militärisch-polizeiliche Unterdrückung innerhalb der Vereinigten Staaten ist eine Folge der endlosen Kriege im Ausland und der sozialen Konterrevolution im Innern. Es ist die Antwort der herrschenden Klasse auf die ständig wachsende soziale Ungleichheit.

Krieg, Ungleichheit und Diktatur sind unausweichliche Ergebnisse des Kapitalismus. Die Verteidigung demokratischer Rechte, darunter das Recht auf Leben, ist untrennbar mit dem Kampf verbunden, diese brutale, korrupte und überholte Gesellschaftsordnung zu stürzen und durch eine neue, auf Gleichheit beruhende Sozialordnung zu ersetzen.

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