Die Konservative Partei hat die britische Unterhauswahl am Donnerstag mit knapper Mehrheit gewonnen. Sie wird voraussichtlich 331 Sitze im Parlament haben und damit nicht, wie zuvor prognostiziert wurde, von der Unterstützung der nordirischen Democratic Unionist Party oder der Liberaldemokraten abhängig sein.
Dieses Wahlergebnis bedeutet nicht, dass die Bevölkerung hinter den Konservativen steht. Sie erhielten ungefähr 36 Prozent der Stimmen - etwas mehr als 2010 - aber aufgrund des britischen Mehrheitswahlrechts konnte sie ihre Parlamentsfraktion um mindestens zweiundzwanzig Sitze vergrößern.
Die Wahl war eher eine Niederlage für Labour als ein Sieg für die Konservativen.
Der Stimmanteil der Labour Party ging am deutlichsten in Schottland zurück, wo sie von der Scottish National Party (SNP) fast völlig verdrängt wurde. Die SNP konnte die Zahl ihrer Sitze von sechs im Jahr 2010 auf 56 steigern, Labour, die Konservativen und die Liberaldemokraten haben jeweils noch einen einzigen Abgeordneten in ganz Schottland.
Der Hauptgrund für den krassen Gegensatz beim Abschneiden der beiden Parteien bestand darin, dass die SNP - im Gegensatz zu Labour - an den Widerstand der Bevölkerung gegen den Sparkurs appelliert hatte.
Labour-Parteichef Ed Miliband hatte sich im Wahlkampf darauf konzentriert, seine Partei als Befürworter eines "vernünftigeren" Sparkurses darzustellen, bei dem in eng begrenzten Bereichen noch ein gewisses Wachstum möglich sein sollte. Er versprach eine Schuldenbremse und ein härteres Vorgehen gegen Immigranten und kündigte an, die Europäische Union zu verteidigen und Großbritanniens Rolle als führende Militärmacht zu wahren.
Dadurch konnte die SNP die weit verbreitete Ablehnung gegenüber Westminster, und vor allem gegenüber Labour, für ihre nationalistische Agenda ausnutzen. Unterstützung erhielt sie dabei von pseudolinken Gruppen wie der Scottish Socialist Party und Solidarity Scottland, die zur Wahl der SNP aufriefen.
Die SNP ist jetzt die drittgrößte Partei in Westminster. Dies wird erhebliche Folgen für die Zukunft des Vereinigten Königreiches und seine Existenz als einheitlichen Staat haben. In vielen Wahlkreisen in Schottland verlor Labor mehr als 30 Prozent.
Abgesehen von der hohen Wahlbeteiligung in Schottland war sie landesweit niedriger als im Jahr 2010.
Die Wahl hat drei Parteichefs den Kopf gekostet.
Die Labour Party steht ohne Parteichef da. Miliband trat nur wenige Stunden nach Bekanntgabe der Ergebnisse zurück, weil Labour nicht, wie erwartet, in letzter Minute seinen Rückstand aufholen konnte. Schatten-Finanzminister Ed Balls und Schatten-Außenminister Douglas Alexander verloren ihre Wahlkreise. Labour konnte seine Verluste in Schottland nicht durch deutliche Gewinne in umkämpften Tory-Wahlkreisen ausgleichen. Sogar in den großen Ballungsräumen verzeichnete sie schlechte Ergebnisse. Insgesamt hat Labour fast 100 Sitze weniger als die Konservativen. Das ist ihr schlechtestes Wahlergebnis seit 1987.
Die UK Independence Party (UKIP) ist jetzt mit dreizehn Prozent die Partei mit den drittmeisten Stimmen. Sie hat Zulauf von den Konservativen und von Labour erhalten. Sie hat etwa vier Millionen Stimmen und damit wesentlich mehr als die SNP erhalten, bekommt aber im Unterhaus trotzdem nur einen Sitz.
Nigel Farage trat als UKIP-Vorsitzender zurück, weil er seinen Wahlkreis in Thanet nicht gewinnen konnte. Der Hauptfinancier der UKIP, Arron Banks, hatte die Wähler aufgerufen, in diesem Wahlkreis die Tories zu wählen, weil Premierminister David Cameron versprochen hatte, 2017 ein Referendum über die EU-Mitgliedschaft durchzuführen.
Der Erfolg der UKIP in England entspricht dem der SNP in Schottland. Bei allen programmatischen Unterschieden schüren beide gefährliche nationalistische Stimmungen.
Der Führer der Liberaldemokraten, Ex-Vizepremier Nick Clegg, trat ebenfalls zurück, nachdem seine Partei eine, wie er sagte, „grausame Nacht“ erlebt hatte. Clegg verteidigte seinen Wahlkreis nur knapp und nur dank einiger Tories, die taktisch abstimmten. Die Mehrheit der Sitze, die die Tories hinzugewannen, kam von den Liberaldemokraten. Alle anderen führenden Liberaldemokraten, zum Beispiel Ex-Wirtschaftsminister Vince Cable und der ehemalige Chefsekretär des Finanzministers, Danny Alexander, verloren ihre Sitze. Übrig blieben nur acht liberaldemokratische Abgeordnete, die in einem Minibus in Westminster anreisen könnten.
Caroline Lucas ist weiterhin die einzige Abgeordnete der Grünen, obwohl die Partei ihren landesweiten Stimmenanteil aufgrund ihres links tönenden Programms vergrößern konnte.
Die herrschende Elite Großbritanniens hat ihr Wunschergebnis bekommen. Praktisch alle Medien und führenden Wirtschaftsgrößen bestanden darauf, dass eine Tory-Mehrheit notwendig sei, um an den Finanzmärkten „Stabilität“ zu garantieren, – und sie sind die einzige Einflussgruppe, die zählt.
Aber es ist ein Pyrrhussieg. Die herrschende Klasse hat jetzt eine Regierung, die nicht nur Großbritannien aus der EU führen könnte, sondern vielleicht das Vereinigte Königreich dahin bringt, dass es auseinander bricht. Diese Regierung hat zudem nur die Zustimmung von 22 Prozent der Wahlberechtigten, unter Bedingungen, wo sie weitere brutale Kürzungsmaßnahmen ergreifen und Millionen ins Elend treiben wird.
Die generelle Botschaft der Wahl lautet, dass die Veränderung, die eine große Bevölkerungsmehrheit wollte, nicht durch das Parlament kommen wird und ganz sicher nicht durch die Labour Party.
Labour ist eine bürokratische Organisation ohne wirkliche Basis in der Arbeiterklasse. Sie ist völlig unfähig, die Arbeiterklasse zu mobilisieren. Sie wird nicht mehr als Oppositionstendenz verstanden, sondern als eine blasse Kopie der Tories.
Als Reaktion auf die Niederlage spekulieren Labour-Politiker nun, die Partei sei womöglich zu weit nach links abgedriftet, und einige fordern eine Rückkehr zu den glorreichen Tagen von Tony Blair.
Die Kluft zwischen der Stimmung in der breiten Bevölkerung und der offiziellen Politik war noch nie so tief. Es ist die ideologische Widerspiegelung der Kluft, die sich zwischen der Arbeiterklasse und der superreichen Oligarchie auftut, die die Politik aller großen Parteien diktiert.
Diese Situation wird explosive Folgen haben.
Die parlamentarische Demokratie befindet sich in einem desolaten Zustand; sie kann nicht wiederbelebt werden. Die Arbeiterklasse muss unabhängig eingreifen und für ihre eigenen Interessen kämpfen, wenn sie der Zerstörung von Arbeitsplätzen, Löhnen und sozialen Bedingungen und der wachsenden Gefahr von Militarismus und Krieg Einhalt gebieten will.
Das kann sie nur mit einem sozialistischen Programm erreichen.
Die Socialist Equality Party ist bei der Wahl mit zwei Kandidaten angetreten, mit Katie Rhodes in Glasgow Central und David O’Sullivan in Holborn & St. Pancras, London. Rhodes erhielt 58 Stimmen und O’Sullivan 108. Das Ziel des Wahlkampfs der SEP bestand darin, die Notwenigkeit einer neuen sozialistischen Bewegung der Arbeiterklasse aufzuzeigen. Diese muss für eine Arbeiterregierung in Großbritannien kämpfen, als Bestandteil von Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa und einer sozialistischen Weltföderation.
Das erfordert die Ausbildung der fortschrittlichsten und opferbereitesten Elemente der Arbeiterklasse und besonders der Jugend in grundlegenden politischen und historischen Fragen.
In ihrem Wahlkampf hat die SEP mehrere Tausend Exemplare ihres Wahlaufrufs verbreitet und mit vielen tausend Wählern gesprochen. Unsere Kandidaten haben auf fast einem Dutzend Wahlveranstaltungen gesprochen und ausführlich über die Programme und den Klassencharakter aller großen Parteien, wie auch der pseudolinken Gruppen geschrieben, die in deren Umfeld leben.
Besonders wichtig war, dass die SEP die Internationale Online-Maikundgebung gegen imperialistischen Krieg der World Socialist Web Site ins Zentrum des Wahlkampfs gestellt hat. In Glasgow und London wurden zwei sehr erfolgreiche Treffen organisiert, auf denen das Ereignis online verfolgt werden konnte.
Das Wahlergebnis ist eine deutliche Bestätigung des Programms und der Perspektiven der SEP. Wir fordern Arbeiter und Jugendliche auf, die Entscheidung zu treffen, Mitglied unserer Partei zu werden.