Proteste in Japan gegen US-Militärpräsenz

Am Sonntag fand vor dem japanischen Parlament eine Demonstration statt. Die Teilnehmer forderten die Auflösung eines amerikanischen Stützpunktes auf der Insel Okinawa. In letzter Zeit haben sowohl auf Okinawa als auch auf dem japanischen Festland schon zahlreiche Kundgebungen gegen die amerikanische Militärpräsenz in Japan stattgefunden.

Am Sonntag demonstrierten schätzungsweise 15.000 Menschen gegen Pläne, den Marine Corps-Stützpunkt und Flughafen Futenma auf einen neuen, im Bau befindlichen Stützpunkt bei Henoko umzusiedeln. Futenma liegt in der Stadt Ginowan, Henoko an einer weniger dicht besiedelten Küste von Okinawa. Viele Demonstranten trugen Transparente mit der Aufschrift „Nein zu Henoko“. Sie forderten die vollständige Räumung des Stützpunktes aus der gesamten Präfektur.

Ein Demonstrant namens Akei Kitajima erklärte in einem Interview: „Wir müssen diesen Bau aufhalten. Die Regierung versucht, diesen Plan durchzusetzen, egal wie sehr Okinawa dagegen ist.“ Die Demonstranten kündigten auch Widerstand gegen die amerikanischen Pläne an, auf dem Luftwaffenstützpunkt Yokoto in Tokio Transportflugzeuge vom Typ CV-22 Osprey zu stationieren.

Schon am vorherigen Sonntag hatten auf Okinawa 35.000 Menschen gegen die geplante Verlegung des Stützpunktes demonstriert. Die Proteste hatten am Freitag begonnen und dauerten das ganze Wochenende an. Am Samstag zogen die Demonstranten zu dem Stützpunkt Futenma. In anderen Städten im Land demonstrierten etwa 2.600 weitere Menschen. Abgesehen von Bekundungen ihres Widerstands gegen den Stützpunkt riefen die Demonstranten auch Parolen gegen Japans Kurswechsel zum Militarismus wie „Nein zum Ausbau japanisch-amerikanischer Militärbeziehungen“.

Die Verlegung des Stützpunktes Futenma war seit 1996 geplant, nachdem 1995 ein zwölfjähriges Mädchen der Insel von drei amerikanischen Soldaten auf brutale Weise entführt und vergewaltigt worden war, was zu umfangreichen antiamerikanischen Protesten führte. Auch andere, weniger bekannte Verbrechen von amerikanischem Militärpersonal haben zu antiamerikanischen Stimmungen beigetragen.

Okinawa würde in einem Konflikt mit China an vorderster Front liegen. Auf der strategisch wichtigen Insel im Ostchinesischen Meer nahe dem chinesischen Festland befindet sich die große Mehrheit der 47.000 US-Soldaten, die in Japan stationiert sind. Okinawa spielt daher eine wichtige Rolle in Washingtons „Pivot to Asia“, dessen Ziel es ist, China militärisch einzukreisen und wirtschaftlich den Interessen der USA unterzuordnen.

Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass sich die Obama-Regierung vor allem angesichts ihrer derzeitigen Provokationen gegen China dazu bereit erklären würde, den Stützpunkt ihrer Marine auf der Insel aufzugeben. Die Verlegung des Stützpunktes, die in einem Abkommen zwischen der amerikanischen und der japanischen Regierung aus dem Jahr 2006 festgelegt wurde, führte zu hartnäckigen Protesten. Die Demokratische Partei Japans (DPJ) versprach nach ihrem Wahlsieg im Jahr 2009, das Abkommen neu zu verhandeln, doch die Obama-Regierung weigerte sich ganz offen, das Thema mit Premierminister Yukio Hatoyama zu diskutieren und begann, dessen Position zu untergraben. Er war gezwungen, das Abkommen von 2006 zu akzeptieren und trat im Juni 2010 zurück. Sein Nachfolger Naoto Kan (ebenfalls DPJ) erklärte schnell seine uneingeschränkte Unterstützung für das Bündnis mit den USA.

Die amtierende Liberaldemokratische Partei (LDP) hat nicht nur deutlich gemacht, dass die Verlegung des Stützpunktes fortgesetzt werde, sondern auch die Wiederaufrüstung Japans zusammen mit Washington im Rahmen von dessen „Pivot“ gegen China vorangetrieben.

Die derzeitigen Demonstrationen wurden von Bürgerbewegungen organisiert, die der Regierung der Präfektur Okinawa nahestehen. Gouverneur Takeshi Onaga wurde letzten November als unabhängiger Kandidat gewählt, hauptsächlich wegen seiner Haltung gegen die Verlegung des Stützpunktes Futenma. Zuvor war er Mitglied der amtierenden LDP. Er wird von der konservativen Shinpuaki-Fraktion unterstützt, die wegen der Unterstützung der LDP für Stützpunkte auf Okinawa aus der Partei ausgetreten ist.

Onaga lehnt weder das Militärbündnis mit den USA noch den japanischen Militarismus ab. Er stellt nur die begrenzte Forderung, dass der Marine-Stützpunkt an einen anderen Ort in Japan verlagert werden solle. Vor kurzem erklärte er: „Ich verstehe [die Bedeutung] des japanisch-amerikanischen Bündnisses vollkommen. Es sollte niemals zerbrechen.“

Gleichzeitig schürte der Gouverneur Illusionen, Washington könne einlenken. Vor kurzem hatte Onaga erklärt: „Nur Okinawa wurde diese schwere Last auferlegt und ich möchte, dass die Vereinigten Staaten, eine demokratische Nation, von dieser unfairen Situation wissen.“

Obwohl Onaga den US-Militarismus ausdrücklich unterstützt, erhält er Schützenhilfe von der Kommunistischen Partei Japans und der Sozialdemokratischen Partei, die sich beide als Gegner der Remilitarisierung Japans aufspielen. Sie dienen als politisches Sicherheitsventil. Die Proteste geben den Menschen die Möglichkeit, Dampf abzulassen, während der Gouverneur an das Gefühl der Bevölkerung von Okinawa appelliert, sie werde vom Festland ungerecht behandelt.

Für Politiker wie Onaga geht es bei dem Kampf um die Stützpunkte auch um „Landraub“. Amerikanische Militärbasen bedecken fast ein Fünftel der Fläche von Okinawa und belegen damit Gebiete, welche die reiche Elite lieber benutzen würde, um Profit daraus zu schlagen. Der Gouverneur betrachtet die Stützpunkte als das „größte Hindernis“ für verbesserte Geschäftsmöglichkeiten.

Onaga hofft, die Insel in ein Tourismuszentrum verwandeln zu können. Dies würde bedeuten, dass weitere Hotels, Restaurants und andere Dienstleistungsbetriebe für Touristen gebaut und betrieben werden könnten, wovon auch die Bauindustrie profitieren würde. Im Jahr 2013 erreichte die Zahl der Touristen auf Okinawa mit 6,58 Millionen einen Rekordstand, die Zahl der ausländischen Besucher stieg im Vergleich zum Vorjahr um 64 Prozent auf 630.000. Insgesamt wurden im Geschäftsjahr 2013 mit Tourismus 448 Milliarden Yen (3.35 Milliarden Euro) erwirtschaftet.

Onaga will Auslandsinvestitionen anlocken. Im April hatte er als japanischer Delegierter der Vereinigung zur internationalen Handelsförderung China besucht. Vor dem Besuch erklärte ein Sprecher der Präfekturregierung von Okinawa: „Wir möchten die Gelegenheit [von Onagas Besuch] nutzen, um den wirtschaftlichen Austausch zwischen Okinawa und China zu fördern. Wir hoffen, dass Unternehmen die Sonderwirtschaftszonen in China und Okinawa nutzen, um miteinander Handel zu treiben.“

Onaga will die Bevölkerung von Okinawa als billige Arbeitskräfte anbieten. Okinawa ist die ärmste Präfektur in Japan, die Arbeitslosenquote liegt hier doppelt so hoch wie auf dem Festland. „Unternehmen wurden von Subventionen, niedrigen Personalkosten und der hohen Zahl von verfügbaren Arbeitskräften angezogen“, erklärte Takehide Kinjo letzten November im Wall Street Journal. Kinjo ist der Präsident der „Dinos Cecile Communications Company“ aus Uruma City, das eine Stunde Fahrzeit nördlich der Präfekturhauptstadt Naha liegt.

Lokale Investoren warten begierig darauf, das Land in die Hände zu bekommen, auf dem jetzt noch der Stützpunkt Futenma steht. „Die Erwartungen für neue Projekte auf dem Land nach der Räumung steigen“, erklärte ein Bankenvertreter aus Okinawa der Zeitung Asahi Shimbun. „Futenma hat gute Transportverbindungen und der Durchschnittspreis für Grundstücke könnte höher steigen als der im neuen Stadtzentrum von Naha.“ Im Stadtzentrum von Naha befanden sich früher Unterkünfte für US-Militärpersonal, mittlerweile gibt es dort Einkaufszentren und Geschäfte, die zollfreie Luxusartikel verkaufen.

Die Bevölkerung von Okinawa hat bereits seit Jahrzehnten eine problematische Beziehung zu Japan und den USA. 1879 wurde die Insel, die bis dahin als Königreich Ryukyu bekannt war, vom Kaiserreich Japan annektiert. Im Zweiten Weltkrieg kamen bei schweren Kämpfen um die Insel mehr als 100.000 Zivilisten ums Leben. Nach dem Krieg verblieb Okinawa bis 1972 unter direkter Kontrolle der USA und damit zwanzig Jahre länger als die anderen Teile Japans.

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