Poststreik: Unternehmensvorstand will Streikende in die Knie zwingen

Seit über 30 Tagen laufen die Streikaktionen der Post-Zusteller gegen die 20-prozentige Lohnsenkung, die der Vorstand der Deutschen Post durch die Auslagerung der Paketzustellung in eine Billigtochter erzwingen will.

Eine neu gegründete Delivery GmbH mit ihren 49 Regionalgesellschaften soll schrittweise die Auslieferung der Pakete übernehmen. Diese Tochterfirma unterliegt dem Tarifvertrag für Fracht und Logistik, den die Gewerkschaft Verdi mit den Unternehmen dieser Branche ausgehandelt hat, der aber zwanzig Prozent unter dem Haustarif der Deutschen Post liegt.

Mit massiven Drohungen wurden Tausende Paket-Zusteller unter Druck gesetzt, neue Arbeitsverträge bei der Delivery GmbH zu akzeptieren, da sonst ihre Zeitverträge nicht mehr verlängert würden. Unter diesem Druck wechselten seit Januar etwa 4.000 Beschäftigte von der Post zur Delivery GmbH und nahmen damit eine massive Lohneinbuße hin. Dazu kommen noch etwa 2.000 weitere Beschäftigte, die vom Arbeitsmarkt direkt bei der neuen Firma eingestellt wurden.

In den nächsten Jahren sollen bis zu 10.000 Zusteller bei der Delivery GmbH arbeiten, da die Online-Bestellungen im Internet rasant zunehmen.

Der Vorstand der Deutschen Post, die noch zu 21 Prozent im Besitz des Staates ist, hat seit dem Börsengang im Jahr 2000 mit der Strategie einer weltweiten Expansion auf Kosten der Belegschaften ein Ziel verfolgt, das weg vom Auftrag der Grundversorgung der Bevölkerung hin zur reinen Profitmaximierung führt.

Zynisch weist der Chef der Deutschen Post, Frank Appel, darauf hin, dass die Beschäftigten der Delivery GmbH ja langfristige Arbeitsverträge und damit eine besser gesicherte Stellung erhielten als mit den bisherigen Zeitverträgen: „Wir verstehen nicht, was Verdi gegen 6.000 unbefristete Arbeitsplätze hat, die nach Verdi-Tarifverträgen bezahlt werden und immer noch 50 Prozent über den Löhnen unserer Wettbewerber liegen.“

Der derzeitige Durchschnittslohn der Post-Beschäftigten liegt bei etwa 17 bis 18 Euro pro Stunde, während die Delivery GmbH im Schnitt rund 13 Euro bezahlt. Die Konkurrenzfirmen setzen meist Subunternehmer ein, bei denen der Stundenlohn auf dem Niveau des Mindestlohns von etwa 8,50 Euro liegt.

Die Kampfbereitschaft unter den Postbeschäftigten ist sehr groß. Trotzdem weigert sich die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi einen Vollstreik der weit über 100.000 Beschäftigten zu organisieren. Bis Anfang Juni beschränkte die Gewerkschaft die Auseinandersetzung auf regionale Warnstreiks mit beschränkten Auswirkungen.

Im Anschluss an die sechste Verhandlungsrunde unterbreitete Verdi das Angebot, beim neuen Tarifvertrag mit einer Laufzeit von 27 Monaten im ersten Jahr auf eine lineare Gehaltserhöhung zu verzichten. Eine Einmalzahlung von 500 Euro soll vorerst ausreichen. Im Gegenzug fordert die Gewerkschaft aber, die Delivery-Gesellschaften dem Haustarifvertrag zu unterstellen, was sie faktisch überflüssig machen würde. Die gesetzte Antwortfrist ließ der Post-Vorstand kommentarlos verstreichen.

Unter dem Druck der Arbeiter und Angestellten sah sich Verdi gezwungen, zum Wochenanfang einen unbefristeten Streik auszurufen, ohne aber eine Urabstimmung durchzuführen. Gleichzeitig beschränkt die Gewerkschaft den Streik nach wie vor auf Nadelstiche und ermutigt damit den Postvorstand zu immer neuen Attacken.

Vorstandsmitglied Jürgen Gerdes lehnte Ende letzter Woche die Forderung der Gewerkschaft kategorisch ab. Arrogant erklärte er, nach dreißig Streiktagen seien die Auswirkungen des Streiks gering. Die Post könne das hohe Volumen von über 60 Millionen täglichen Brief- und Paketzustellungen mit kleinen Verspätungen ohne große Probleme bewältigen.

Die Beeinträchtigungen beliefen sich auf höchstens 11 Prozent, da die Post Mitarbeiter aus Polen und 40.000 Beamte, die nicht streiken dürfen, in wichtigen Stellen der Briefverteilerzentren einsetze. Das Bonner Amtsgericht wies am 26. Mai eine Klage von Verdi gegen den Einsatz von Beamten als Streikbrecher ab.

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