Perspektive

General Clarks Forderung nach Internierung: Das Gespenst einer Militärdiktatur

Die Äußerungen des pensionierten Vier-Sterne-Generals und ehemaligen Nato-Kommandeurs Wesley Clark gegenüber dem US-Nachrichtensender MSNBC, man solle „radikalisierte“ und „illoyale“ Amerikaner wie im Zweiten Weltkrieg internieren, müssen von der Arbeiterklasse als ernste Warnung verstanden werden.

Als prominentester politischer General Amerikas sprach Clark nicht nur für sich selbst, sondern für einflussreiche Schichten im Militär- und Geheimdienstapparat sowie der herrschenden Oligarchie, die ein Anwachsen der sozialen Opposition fürchten und ihre Interessen um jeden Preis verteidigen wollen.

Der Anlass für Clarks Äußerungen war ein Zwischenfall in Chattanooga, Tennessee, bei dem vier Marines und ein Seemann vor einem Rekrutierungszentrum der US-Streitkräfte erschossen worden waren. Clark bezeichnete seinen Vorschlag der Masseninternierung als Antwort auf die angebliche „Selbstradikalisierung“ der Bürger und Terrorakte „einsamer Wölfe“ – Begriffe, die seit über zehn Jahren für diese Art terroristischer Angriffe benutzt werden. Die große Mehrheit solcher „einsamen Wölfe“ waren unglückliche, oft psychisch gestörte Personen, die nicht selten vom Inlandsgeheimdienst FBI und Polizeiprovokateuren in eine Falle gelockt wurden.

Sollten Clarks Vorschläge umgesetzt werden, wären solche Provokationen und die darauf folgenden Schauprozesse nicht mehr nötig. Die „selbstradikalisierten“ Bürger ließen sich dann rasch an ihren Gedanken, Bemerkungen oder Internet-Posts identifizieren und ohne viel Federlesens in Lager internieren.

Gemessen an der tatsächlichen Bedrohung ist das Ausmaß von Clarks Forderung vollkommen unverhältnismäßig. Angriffe von „selbstradikalisierten“ Tätern fordern meist deutlich weniger Opfer als solche Massaker, bei denen die Täter vorher keinerlei Anzeichen von Selbstradikalisierung aufwiesen. Angesichts dessen kann man nicht die Augen davor verschließen, dass sich hinter den Äußerungen tieferliegende Motive verstecken.

Wenn man Clarks Erklärungen beim Wort nimmt, wird ihnen die Bezeichnung „Orwellscher Neusprech“ kaum gerecht. Im Fernsehinterview sagte Clark: „Wir müssen die Personen identifizieren, von denen am ehesten zu erwarten ist, dass sie sich radikalisieren. Wir müssen das schon im Voraus unterbinden.“ Mit anderen Worten, die amerikanische Bevölkerung muss mehr denn je rund um die Uhr überwacht werden, damit potentiell radikale Bürger identifiziert und auf der Grundlage ihrer angeblichen Gedanken und Äußerungen eingesperrt werden können.

Clark fuhr fort: „Wenn im Zweiten Weltkrieg jemand Nazi-Deutschland zum Schaden der Vereinigten Staaten unterstützte, dann haben wir auch nicht gesagt, das ist Meinungsfreiheit, sondern wir haben ihn in ein Lager gesperrt. Er war dann ein Kriegsgefangener.“

Er machte unmissverständlich klar, was er damit meinte: „Wenn diese Leute sich radikalisieren und die Vereinigten Staaten nicht unterstützen und grundsätzlich illoyal gegenüber den Vereinigten Staaten sind, okay – das ist ihr Recht. Und es ist unser Recht und unsere Pflicht, sie von der normalen Gesellschaft für die Dauer des Konflikts abzusondern.“

Menschen sollen „für die Dauer“ des endlosen “Kriegs gegen den Terror” in Lager gesperrt werden können, weil sie die Vereinigten Staaten nicht ausreichend unterstützen und „illoyal“ sind. Diese Anschuldigungen können jeden betreffen, der sich gegen die imperialistischen Kriege der USA, gegen Polizeirepressionen im Inland oder gar gegen die Profitinteressen der US-amerikanischen Banken und Konzerne ausspricht.

Ironischerweise zieht Clark als Präzedenzfall für Masseninternierungen die Anhänger von Nazi-Deutschland im Zweiten Weltkrieg heran, die in den USA verhaftet wurden. In Wirklichkeit waren unter den Internierten vor allem japanisch-stämmige Amerikaner, rund 110.000, die ausschließlich aufgrund ihrer Herkunft inhaftiert wurden. Heute werden diese Internierungen während des Zweiten Weltkriegs weithin zu den größten Verbrechen gegen die Grundrechte in der amerikanischen Geschichte gezählt.

Noch schwerer wiegt, dass Clarks Vorschlag völlig auf einer Linie mit den Praktiken des Nazi-Regimes liegt. Nachdem die Nationalsozialisten 1933 an die Macht gekommen waren, rechtfertigten sie die Aufhebung demokratischer Rechte, einschließlich des Habeas Corpus, mit erfundenen „terroristischen“ Bedrohungen. Das Regime eröffnete in Dachau sein erstes Konzentrationslager für Zehntausende politische Gefangene, unter ihnen Sozialisten und Gewerkschafter, die als „illoyal“ gegenüber dem Dritten Reich galten.

Wesley Clark ist kein Adolf Hitler. Aber die Maßnahmen, die er vorschlägt, liegen auf einer Linie mit denen des Nazi-Regimes.

Clark ist keineswegs ein rechter Medien-Demagoge im Stile des konservativen US-Radiomoderators Rush Limbaugh. Nach seiner militärischen Karriere entwickelte er sich zu einem führenden Politiker der Demokratischen Partei und einem prominenten Anhänger der Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton. Als Investmentbanker machte er lukrative Geschäfte und steht heute an der Spitze einer internationalen Consultingfirma namens Wesley K. Clark & Associates, die sich vor allem für die Interessen großer Ölkonzerne, Waffenlieferanten und Investmentbanker einsetzt. Die Firma preist Clarks „Reputation“ und seine „Beziehungen“ als ihren besonderen Vorzug.

Der pensionierte General ist zudem nicht der Einzige, der sich auf Internierungslager beruft. Der Richter Clarence Thomas hatte letzten Monat eine abweichende Position zur landesweiten Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe durch das Oberste Gericht eingenommen. Während die Mehrheit argumentierte, die „Würde“ gleichgeschlechtlicher Paare sei zu respektieren, argumentierte Richter Thomas, die Regierung könne eigentlich niemanden seiner „Würde“ berauben. Er verwies auf die Masseninternierung japanisch-stämmiger Amerikaner im Zweiten Weltkrieg, die er mit den Worten kommentierte: „Die Insassen der Internierungslager haben nicht ihre Würde verloren, nur weil die Regierung sie eingesperrt hatte.“

In den Medien wurde die Erklärung mit Erstaunen aufgenommen. Überlebende der Lager sowie einige Bürgerrechtsorganisationen reagierten empört.

Bereits im letzten Jahr hatte Thomas’ rechter Kollege, der Richter Antonin Scalia, auf das Urteil des Obersten Gerichts von 1944 verwiesen, das die Legalität der Masseninternierungslager im Zweiten Weltkrieg bekräftigte. Dieses Urteil ist niemals aufgehoben worden. Scalia kommentierte: „Man macht sich was vor, wenn man glaubt, dass es so etwas nicht noch einmal geben könnte.“

Offenbar wird das Thema Internierungslager in den höchsten Kreisen des US-Staates und des herrschenden Establishments intensiv und ausführlich diskutiert.

Vielleicht noch entlarvender ist das eiserne Schweigen der führenden Medien angesichts von Clarks Forderung nach Internierungslagern. Die New York Times hat genau wie die anderen großen Medien keine einzige Zeile über Clarks Äußerungen verloren. Nur wenige Tage vorher hatte sie in einem Artikel texanische Bürger als „paranoid“ und „Verschwörungstheoretiker“ verhöhnt, weil sie sich besorgt über eine Militärübung gezeigt hatten. Unter dem Namen „Jade Helm 15“ führte die militärische Eliteeinheit Special Operations Command in sieben Bundesstaaten eine Übung durch, bei der die Inhaftierung, Internierung und Ermordung von Zivilisten trainiert wurde.

Die angeblich allgegenwärtige Gefahr eines Terroranschlags ist nur der Vorwand für die Polizeistaatsmaßnahmen, aber nicht ihr wirklicher Grund. Zu den bereits eingeführten Maßnahmen gehörten der Aufbau des Heimatschutzministerium 2002, die Einführung des Patriot Act 2001, die umfassende Überwachung der amerikanischen und internationalen Bevölkerung, die Einrichtung des United States Northern Command 2002, das den nordamerikanischen Kontinent kontrolliert und die unaufhaltsame Militarisierung der amerikanischen Polizei. Jetzt werden neue, den Methoden des Faschismus ähnliche Polizeistaatsmaßnahmen im Sinne Clarks hinzukommen.

Seitdem im April 2013 nach einem Bombenanschlag auf den Boston-Marathon faktisch die ganze Stadt unter Kriegsrecht gestellt wurde, verhängten die Polizei- und Militärkräfte in den folgenden zwei Jahren in Ferguson (Missouri) und Baltimore (Maryland) Ausgangssperren.

Diese politische Entwicklung wird angetrieben durch den unlösbaren Widerspruch zwischen den demokratischen Grundrechten einerseits und der beispiellosen sozialen Ungleichheit sowie den militärischen Abenteuern des US-Imperialismus andererseits. In den imperialistischen Kriegen kommt die historische Krise des amerikanischen Kapitalismus am schärfsten zum Ausdruck.

Die Wirtschafts- und Finanzaristokratie ist sich der gewaltigen Kluft bewusst, die sie von der breiten Masse der arbeitenden Bevölkerung trennt. Sie lebt in der berechtigten Furcht, dass ihre Politik einer sozialen Revolution den Boden bereitet. Clarks Äußerungen sind ein weiteres Anzeichen dafür, dass sich die herrschende Klasse darauf vorbereitet. Die Arbeiterklasse muss es ebenfalls tun. Sie muss erkennen, dass im politischen Establishment keiner die demokratischen Grundrechte verteidigen wird. Diese Aufgabe fällt der Arbeiterklasse zu. Sie hängt von der unabhängigen politischen Mobilisierung der Arbeiter im Kampf für den Sozialismus ab.

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