Perspektive

Pentagon-Manual rechtfertigt Kriegsverbrechen und Pressezensur

Der Leitartikel in der New York Times am Montag informierte die Öffentlichkeit über ein wichtiges neues Dokument des Verteidigungsministeriums, das Regeln für das Verhalten amerikanischer Soldaten und ihrer Kommandeure im Krieg festlegt. Das Law of War Manual, ein umfangreiches Dokument von 1165 Seiten Umfang, erschien im Juni, wurde aber zunächst nur in Blogs diskutiert, die sich speziell mit Militärrecht und Sicherheitspolitik befassen.

Die großen amerikanischen Zeitungen und Fernsehanstalten, die Pentagon-Vollzeitkorrespondenten beschäftigen und regelmäßig über Pressemitteilungen des Pentagon schreiben, entschieden sich dafür, über das Law of War Manual nicht zu berichten. Warum, das wird klar, wenn man sich dessen Inhalt ansieht. Auch über die Bestimmungen des Manual für den Umgang mit Journalisten berichteten die Medien erst, als das Committee for the Protection of Journalists (CPJ) am 31. Juli eine Erklärung unter der Überschrift veröffentlichte: „In Kriegszeiten behält sich das Pentagon das Recht vor, Journalisten wie Spione zu behandeln.“

Die Erklärung des CPJ machte auf die wachsende Zahl von Journalisten aufmerksam, die im Zuge ihrer Berichterstattung über das Vorgehen bewaffneter Gruppen in der Ukraine, im Nahen Osten und Afrika festgenommen oder getötet worden sind. Das CPJ kritisierte, dass das Pentagon die Behandlung von Journalisten als Kriegsteilnehmer oder direkt als Spione rechtfertige. Journalisten könnten auf Anordnung von Kommandeuren festgenommen, eingesperrt oder sogar getötet werden. Außerdem befürworte das Pentagon die umfassende Zensur der Berichterstattung durch das Militär.

„Das Verteidigungsministerium unter Obama hat die unter Bush im Krieg gegen den Terror eingeführten ungerechtfertigten Praktiken offenbar übernommen und zum Gesetz erhoben, das festlegt, wie das US-Militär Journalisten behandelt, die über bewaffnete Konflikte berichten“, heißt es in der Erklärung.

Die Kontinuität zwischen den Regierungen Bush und Obama wird an der Person des Hauptverantwortlichen für den Inhalt des Manuals, Pentagon-Anwalt Stephen W. Preston, deutlich. Bevor er ins Verteidigungsministerium wechselte, war Preston von 2009 bis 2012 Anwalt der CIA. In dieser Zeit setzte sich die CIA mit allen Mitteln gegen eine Untersuchung der Vorwürfe durch das Senate Intelligence Committee ein, die CIA habe unter Bush in „Geheimgefängnissen“ Folter praktiziert.

Der Times-Leitartikel beklagt die Regeln für den Umgang mit Journalisten und appelliert an das Weiße Haus, einzuschreiten und auf ihre sofortige Rücknahme zu drängen. Gleichzeitig weist er darauf hin, dass ein Sprecher des Nationalen Verteidigungsrates nicht einmal sagen wollte, ob das Weiße Haus das Manual genehmigt habe.

Die Times widerspricht der im Manual geäußerten Behauptung, „Die Berichterstattung über militärische Operationen kann dem Sammeln von Daten oder gar der Spionage ziemlich nahe kommen“, und dem Beharren, dass Journalisten „offen auftreten und mit der Erlaubnis der zuständigen Stellen auftreten“ müssen. Diese Bestimmung würde Kriegsberichterstattung nur noch als staatliche Propaganda ermöglichen, wie sie die berüchtigten „eingebetteten Journalisten“ bei der Invasion des Irak 2003 betrieben.

Doch die Redaktion erklärt nicht, weshalb die Times nie über das Law of War Manual berichtet hat, oder warum sich ihre Bedenken auf zwei Seiten des Dokuments beschränken, die die Arbeit von Journalisten betreffen, und nicht auf den großen Rest des Dokuments erstrecken, der dem Militär einen Freibrief für militärische Grausamkeiten und Massentötungen gibt.

Die World Socialist Web Site wird das 1165-Seiten-Dikument des Pentagon in den nächsten Tagen ausführlicher untersuchen. Einiges kann aber jetzt schon festgestellt werden. Das Law of War Manual

* erklärt den Einsatz von Nuklearwaffen mit der Begründung für legitim, „Ein generelles Verbot von Nuklearwaffen ist im internationalen Vertragsrecht und Völkergewohnheitsrecht nicht vorgesehen“. Dem Manual zufolge ist der Einsatz von Nuklearwaffen auch nicht „von sich aus unverhältnismäßig“, auch nicht gegen ein Land, das keine Atomwaffen besitzt;

* gestattet den Einsatz von Brandwaffen wie Napalm, Herbiziden (wie Agent Orange in Vietnam), Laserwaffen und Aufstandsbekämpfungsmitteln (Tränengas, Pfefferspray, etc.), sowie Munition mit abgereichertem Uran;

* gestattet Streumunition, Minen und Sprengfallen, und weist darauf hin, dass „die Vereinigten Staaten das Abkommen über Streumunition nicht unterzeichnet haben“;

* gestattet den Einsatz von Sprenggeschossen mit der Begründung, die Vereinigten Staaten hätten weder die Petersburger Erklärung von 1868 unterzeichnet, die deren Einsatz verbietet, noch die Erklärung des Haager Abkommens von 1899 (über die Humanisierung der Kriegsführung);

* rechtfertigt Drohnenangriffe des Pentagons und der Geheimdienste, z. B. der CIA, indem es ohne Umschweife erklärt, dass „das Kriegsrecht den Einsatz von ferngesteuerten Flugmaschinen nicht verbietet“;

* erklärt, dass, wenn Menschenrechtsabkommen mit den Gesetzen des Kriegs in Konflikt kommen, „diese offensichtlichen Konflikte anhand des Grundsatzes beigelegt werden könnten, dass das Gesetz des Krieges für die Führung von Kampfhandlungen das maßgebliche Gesetz darstellt.

In Diskussionsbeiträgen in Fachzeitschriften wird darauf hingewiesen, dass das neue Law of War Manual die Grundsätze aufhebt, die im bisher umfassendsten derartigen Dokument festgelegt wurden. In dem Dokument von 1956 erklärt das Pentagon, „die wichtigsten Ziele des Kriegsrechts sind: Schutz der Kämpfer, Nichtkämpfer und Zivilisten vor unnötigem Leid“.

Es wurde also davon ausgegangen, dass Gewalt gegen die Zivilbevölkerung nicht erlaubt war, und dass gezielte Angriffe auf Zivilisten illegal seien und ein Kriegsverbrechen darstellten.

Das neue Dokument trifft eine Unterscheidung zwischen „legitimen“ und „illegitimen“ Akten militärischer Gewalt gegen zivile Ziele nach dem Kriterium der militärischen Notwendigkeit. Massentötungen von Zivilisten können damit gerechtfertigt werden, wenn sich militärische Vorteile daraus ergeben.

Es überrascht nicht, dass die New York Times und die amerikanischen Medien insgesamt über das neue Law of War Manual Schweigen bewahren. Sie folgen einer Vorgabe, die Vorbereitungen des Pentagon auf neue und schrecklichere Kriegsverbrechen und die Zerstörung demokratischer, in der US-Verfassung garantierter Rechte vor der amerikanischen und Weltbevölkerung zu verbergen.

Die Times behandelt die Tatsache, dass das Pentagon den Ersten Verfassungszusatz zurückweist, der die Freiheit der Presse garantiert, als etwas, das nichts zu tun hat mit dem Ausbruch des amerikanischen Militarismus, den die Times unterstützt. Doch das neue Manual beweist gerade die Unvereinbarkeit von Militarismus und Demokratie. Der Kampf gegen den imperialistischen Krieg ist auch der Kampf gegen Diktatur. Beides erfordert die Entwicklung eines internationalen Kampfes der Arbeiterklasse gegen den Kapitalismus.

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