Washington attackiert Russland im Syrien-Konflikt

Die Obama-Regierung hat die Spannungen mit Russland verschärft. Sie behauptet, in Syrien werde russisches Militär eingesetzt, um die syrische Regierung von Präsident Bashar al-Assad zu unterstützen.

Eine verstärkte russische Präsenz auf syrischem Boden könne zu einer „Konfrontation“ mit der US-geführten Koalition führen, drohte US-Außenminister John Kerry am Wochenende in einem Telefongespräch mit seinem russischen Amtskollegen Sergei Lawrow. Die von Washington angeführte Koalition lässt zurzeit Bombenangriffe auf Syrien fliegen, angeblich mit dem Ziel, den Islamischen Staat (IS) zu bekämpfen.

Kerrys außergewöhnliche Drohung mit einer bewaffneten Konfrontation zwischen den beiden größten Atommächten der Welt wurde am Dienstag vom Sprecher des Weißen Hauses, Josh Earnest, wiederholt. Er brachte die „Sorge“ der Administration über Berichte zum Ausdruck, dass „Russland womöglich zusätzliche Soldaten und Flugzeuge nach Syrien verlegt“ habe.

„Diese Schritte könnten zum Verlust von noch mehr Menschenleben führen, sie könnten zu einer Zunahme der Flüchtlingsströme führen und zum Risiko einer Konfrontation mit der gegen den IS kämpfenden Koalition, die in Syrien operiert“, warnte Earnest.

Weitere Provokationen begleiten die militärischen Drohungen der Washingtoner Regierung. Die USA setzen die Regierungen Griechenlands und Bulgariens unter Druck, Russland den Durchflug durch ihren Luftraum für Versorgungsflüge nach Syrien zu verweigern.

Bulgarien, wie Griechenland Nato-Mitglied, gab am Dienstag bekannt, es habe einer nicht genannten Anzahl russischer Flugzeuge den Durchflug durch seinen Luftraum auf dem Weg nach Syrien verweigert. Das griechische Außenministerium gab am Montag bekannt, dass die Syriza-Regierung in Athen eine Anfrage aus den USA erhalten habe, ähnliche Maßnahmen zu ergreifen. Sie sagte, Washington habe darum gebeten, russische Überflüge bis zum 24. September zu untersagen, weil diese militärischen Nachschub für die syrischen Regierungstruppen transportierten.

Das Vorgehen rief eine empörte Reaktion aus Moskau hervor. Vizeaußenminister Michael Bogdanow sagte der Nachrichtenagentur Interfax: „Wenn jemand Zweifel hat – wie in diesem Fall unsere griechischen und bulgarischen Partner, dann sollen sie sagen, wo das Problem liegt.“

„Falls es darum geht, dass sie auf Wunsch der Amerikaner restriktive Maßnahmen oder Verbote aussprechen, dann wirft das natürlich Fragen hinsichtlich ihres souveränen Rechts auf, Entscheidungen über Flugzeuge anderer Länder zu treffen, die ihren Luftraum durchqueren. In diesem Fall betrifft es besonders die russischen Flugzeuge“, sagte Bogdanow. “Wir teilen mit, wo unsere Flugzeuge hinfliegen und warum, und was sie geladen haben“, fügte er hinzu. Er wies darauf hin, dass diese Flüge seit langem Routine seien.

Hysterische Berichte in den amerikanischen Medien über eine potentiell unmittelbar bevorstehende russische „Intervention“ in Syrien erweisen sich alsbald unhaltbar. Sie sind nichts weiter als anonyme Behauptungen von Pentagon-Sprechern, dass eine erhöhte Zahl von Flugzeugen nach Syrien geflogen sei. Sie hätten Fertighäuser transportiert, die möglicherweise auch von russischen Militärs genutzt werden könnten.

Russlands Präsenz in Syrien zur Unterstützung der Assad-Regierung gegen den IS und andere islamistische Milizen, die das Land zu überrennen versuchen, ist vergleichsweise minimal, vor allem im Vergleich mit der Unterstützung, die die USA der Regierung im benachbarten Irak gegen dieselben Kräfte gewähren. In Wirklichkeit handelt es sich darum, dass Moskaus Unterstützung für die Assad-Regierung dem tatsächlichen Ziel der US-geführten Intervention in Syrien zuwiderläuft. Und das ist nicht der Kampf gegen den IS, sondern der Sturz der gegenwärtigen Regierung und ihre Ersetzung durch eine Marionette Washingtons.

Die New York Times zitierte am Dienstag „amerikanische Geheimdienstquellen“, denen zufolge eine Hauptsorge der USA darin bestehe, dass „Russland die syrische Luftverteidigung an entscheidenden Stellen stärken könnte”. Die Ertüchtigung von Luftverteidigungssystemen kann aber beim besten Willen nicht als eine Bedrohung für die angeblich zentrale Aufgabe der USA in Syrien dargestellt werden: für die Offensive gegen den IS und den Schutz der syrischen Zivilbevölkerung. Sie ist nur dann ein Problem, wenn Washington und seine Verbündeten in Wirklichkeit von gelegentlichen Schlägen gegen den IS zur massiven Bombenkampagne gegen die syrische Regierung übergehen wollen. Sie wollen Assad im Luftkrieg stürzen, wie vor ihm Hussein im Irak und Ghaddafi in Libyen.

Die Regierung des russischen Präsidenten Wladimir Putin hat schon mehrfach versucht, eine solche Intervention zu verhindern und ein Abkommen zur Beendigung des syrischen Bürgerkriegs zu vermitteln. Er erwägt ein Machtteilungsabkommen mit Teilen der Opposition oder eine Übergangsregierung, die Assad langsam aus dem Amt drängen würde.

Schon im September 2013 machte die russische Regierung einen solchen Vorschlag, als Obama im September 2013 drauf und dran war, einen Luftkrieg gegen Syrien auszulösen. Der Vorwand sollte ein HYPERLINK "https://www.wsws.org/de/articles/2013/09/19/nyts-s19.html"Giftgasangriff sein, der fälschlicherweise den syrischen Regierungstruppen angelastet wurde. Schon damals machte Putin einen Alternativvorschlag, in dessen Zentrum die Vernichtung aller syrischen Giftgasvorräte stand. Er verhinderte einen direkten amerikanischen Krieg für einen Regimewechsel. Unmittelbar vor dem Abschluss dieses Abkommens hatten sich die Spannungen zwischen den USA und Russland erheblich verschärft. Kriegsschiffe beider Länder schwammen in unmittelbarer Nachbarschaft vor der syrischen Küste.

In jüngerer Zeit schlug Moskau einen Friedensplan für Syrien auf der Grundlage eines gemeinsamen Kampfs der USA und ihrer Verbündeten und Russlands, des Iran und der syrischen Armee gegen den IS vor. Abgesichert werden sollte dieser Kampf durch die Bildung einer neuen Regierung der nationalen Einheit, in die Vertreter des Assad-Regimes, der syrischen Opposition und kurdischer Kräfte eingebunden sein sollten.

Gespräche zwischen den Russen, den USA und Saudi-Arabien landeten jedoch bald in der Sackgasse. Die saudische Monarchie, gemeinsam mit Katar und der Türkei Hauptfinanzier und Stütze des IS, der al-Qaida nahen al-Nusra Front und anderer islamistischer Milizen, weigerte sich, irgendein Abkommen zu unterstützen, das nicht den offenen Sturz des Assad-Regimes beinhaltete. Die Washingtoner Regierung unterstützte im Wesentlichen die saudische Königsfamilie, ihren wichtigsten Verbündeten in der arabischen Welt.

Ein Sprecher des Weißen Hauses machte am Wochenende klar, dass eine Rolle Russlands in der Entwicklung in Syrien nur insoweit akzeptabel wäre, als das Land sich den Zielen Washingtons und seiner „Koalition“ unterordnen würde. Die USA zeigen allerdings keinerlei Neigung, Russland in ihre imperialistische Front einzubeziehen.

Diese Ziele wären den Interessen des russischen Staates sowieso völlig entgegengesetzt. Syrien ist sein letzter arabischer Verbündeter im Nahen Osten. Dieses Verhältnis ist noch ein Erbe des früheren Einflusses der Sowjetunion in dieser Region. Russland hat heute noch einen Marinestützpunkt im syrischen Hafen Tartus. Das ist der einzige Marinestützpunkt außerhalb der ehemaligen Sowjetunion, über den das russische Militär noch verfügt.

Russische Ölinteressen haben Verträge mit der syrischen Regierung für die Erforschung von Ölvorkommen vor der syrischen Küste abgeschlossen. Die staatlich kontrollierte Energie-Gruppe Soyuzneftgaz hat ein Abkommen über 25 Jahre geschlossen.

Syrien in eine Marionette der USA und der arabischen Ölmonarchien zu verwandeln, würde Russland außerdem von einer potentiellen Pipeline-Verbindung zum Mittelmeer, zur Belieferung des europäischen Marktes, abschneiden und stattdessen eine rivalisierende Pipeline begünstigen, die Gas von Katar heranführt. Damit würden die so genannten „Rebellen“ weiter mit Milliarden Dollar finanziert und Assads Sturz beschleunigt.

Für den US-Imperialismus ist das Anstacheln des Blutbads in Syrien nur ein weiterer Schritt in seiner Strategie, seine Hegemonie im ganzen Nahen Osten, auf der eurasischen Landmasse und dem ganzen Planeten zu sichern. Dass seine Intervention in Syrien heute zur direkten Gefahr einer militärischen Konfrontation mit Russland führt, ist eine Folge dieser Strategie, und nicht einer angeblichen Stärkung des russischen Militärs in Syrien.

Die aufgeblasenen Berichte über eine solche Entwicklung, wie auch über die Flüchtlingskrise in Europa, werden als Vorwand missbraucht, um die amerikanische Intervention in Syrien auszuweiten. In den letzten Tagen haben Frankreich und Großbritannien eine Ausweitung der Bombardierung Syriens angekündigt. Dem wird sich Australien wohl bald anschließen.

Der neuste Ausbruch des imperialistischen Militarismus in Syrien und die Drohung mit einer Konfrontation mit Russland beinhalten die Gefahr, dass die US-geführte Intervention im Nahen Osten einem dritten Weltkrieg den Weg bereitet.

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