USA: Autoarbeiter rebellieren gegen Gewerkschaft

In den USA rebellieren die Autoarbeiter gegen die Gewerkschaft UAW (United Auto Workers). Die Socialist Equality Party (SEP) in den USA kämpft dafür, diese Rebellion zu einer politisch bewussten Bewegung zu entwickeln, die sich nicht nur gegen die UAW und ihre Vereinbarung mit dem Fiat-Chrysler-Konzern richtet, sondern gegen das gesamte kapitalistische System. Weil die SEP mit dieser Perspektive massiv an Unterstützung gewinnt, reagiert die UAW mit wachsender Feindschaft auf die SEP und die rebellierenden Arbeiter.

Fiat-Chrysler-Chef Sergio Marchionne und UAW-Chef Dennis Williams hatten am 17. September auf einer gemeinsamen Pressekonferenz über den Vertrag informiert, den sie hinter dem Rücken der Arbeiter ausgehandelt hatten.

Die UAW hatte sich anfangs geweigert, den Vertrag mit einer Laufzeit von vier Jahren vor der Abstimmung überhaupt vorzulegen. Sie bot lediglich eine Kurzfassung mit den angeblichen „Highlights“ an, die die wesentlichen Punkte der Vereinbarung schönfärbte.

Doch die Arbeiter ließen sich nicht hinters Licht führen. Ihnen wurde schnell klar, dass sie ihre Forderungen nicht hatten durchsetzen können und vor einer weiteren Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen standen.

Ein Arbeiter von Warren Truck wirbt für die Ablehnung des Vertrags

Die Arbeiter reagierten mit massiven Protesten. Sie machten sich die Forderung des WSWS-Autoarbeiter-Newsletters zu eigen, der zu Tausenden versandt und verteilt worden war, und forderten die Aushändigung des gesamten Vertrags. Die UAW sah sich daraufhin gezwungen, den Vertag vollständig auf ihrer Website zu veröffentlichen. Doch der dreiteilige Vertrag umfasste rund 1000 Seiten, so dass ihn die Arbeiter unmöglich vor der Abstimmung lesen konnten.

Hauptpunkt des Vertrags ist die Beibehaltung des verhassten Zwei-Klassen-Lohnsystems (two-tier-wage-system). Ältere, besser bezahlte Arbeiter (tier-one) sollen im Lauf von vier Jahren eine Lohnerhöhung von 3 Prozent erhalten, was eine Reallohnsenkung bedeutet. Diese Arbeiter haben seit mehr als zehn Jahren keine Lohnerhöhung mehr erhalten, die Kaufkraft ihrer Löhne ist um 22 Prozent gesunken.

Die jüngeren, schlechter bezahlten Arbeiter sollen eine leichte Lohnsteigerung erhalten, die die Kluft zu den älteren Arbeitern verringert. Im Jahre 2022 (!) soll ihr Stundenlohn dann rund 25 Dollar betragen, weniger als die älteren Arbeiter jetzt verdienen.

Arbeiter beim Tochterunternehmen Mopar (Ersatzteil- und Kundenservice-Center) erhalten sogar noch weniger als die Two-tier-Arbeiter. „Die UAW sagte, sie wolle das Zwei-Klassen-System abschaffen“, sagte Ed, ein älterer Autoarbeiter der WSWS. „Nun haben wir drei Klassen.“

Als Gegenleistung für ihre Zustimmung zu den dauerhaft niedrigen Löhnen wird der UAW die betrieblich finanzierte Krankenversorgung ausgehändigt. Zusätzlich zu dem 60 Milliarden Dollar schweren Rentenfonds VEBA, den die UAW bereits übernommen hat, werden der Gewerkschaft damit weitere zig Milliarden übertragen. Sie dienen vor allem der persönlichen Bereicherung der UAW-Funktionäre. Für die Arbeiter bedeutet die Übertragung dagegen Kürzungen bei ihrer medizinischen Versorgung, für die die UAW verantwortlich sein wird. Bei den Renten hat sie dies bereits vorexerziert.

„Die UAW will noch mehr Geld in ihre Hände bekommen“, kommentierte ein Ford-Arbeiter aus Louisville (Kentucky) diese Vereinbarung. „Die Arbeiterklasse wird das teuer bezahlen.“

Ein Kollege aus Sterling Heights, Michigan, fügte hinzu: „Wenn die UAW uns ansieht, haben sie Dollarzeichen in den Augen. Das ist nicht zu akzeptieren.“

„Die UAW liegt mit dem Management in einem Bett“, sagte ein Fordarbeiter aus Lima, Ohio.

Weitere maßgebliche Punkte des UAW-Fiat-Chrysler-Vertrags sind die Zustimmung zur Verlagerung von Arbeitsplätzen nach Mexiko, zu einer möglichen Fusion von Fiat-Chrysler mit General Motors und zu einer verschärften Ausbeutung in den Fabriken. Dazu dient etwa die Vereinbarung, zukünftige Lohnbestandteile an den Gewinn zu koppeln, um damit die Erhöhung der Geschwindigkeit der Produktionsbänder zu rechtfertigen.

Insbesondere der letzte Punkt macht viele Arbeiter wütend. Die älteren Tier-One-Arbeiter, die Marchionne eine „aussterbende Klasse“ nannte, würden dadurch aus den Fabriken gedrängt.

Die Fiat-Chrysler-Arbeiter haben inzwischen in beinahe allen Werken über den Vertag abgestimmt. Bis auf wenige Ausnahmen – und diese gehen wohl eher auf Manipulationen der UAW zurück – haben die Arbeiter den Vertrag mit überwältigender Mehrheit abgelehnt.

Dabei ist es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen UAW-Vertretern und den Arbeitern gekommen. Arbeiter des LKW-Werks in Warren bei Detroit berichteten, die Gewerkschaft habe sie davor gewarnt, mit „Nein“ zu stimmen. Sonst würden sie alle ihre Jobs verlieren.

In Kokomo, Indiana, weigerte sich die Gewerkschaft auf einer Betriebsversammlung, Fragen der Arbeiter zu beantworten.

In Sterling Heights rief die UAW die Polizei, um Unterstützer der SEP daran zu hindern, den WSWS-Autoarbeiter-Newsletter zu verteilen. Darin rief die SEP zur Ablehnung des Vertrags und zum Kampf gegen die UAW auf. Die UAW schrie einen Arbeiter, der aus dem Newsletter zitierte, nieder und brachte ihn so zum Schweigen.

Die SEP ruft die Arbeiter auf, aus der Zwangsjacke der Gewerkschaften auszubrechen und eigene, unabhängige Basis-Komitees zu gründen. Viele Arbeiter unterstützen dies. Der Arbeiter aus Sterling Height sagte: „Mit den Basis-Komitees beginnt alles. Jedem, mit dem ich arbeite, leite ich den WSWS-Autoarbeiter-Newsletter und die Artikel der WSWS weiter.“

Der Arbeiter aus Lima drückt es so aus: „Jedermann muss den Autoarbeiter-Newsletter bekommen. Wir brauchen Treffen, wo immer wir sie halten können, um allen unabhängig von der Gewerkschaft zu erklären, was sie erwartet.“

Obwohl die UAW, die Auto-Konzerne und auch die US-Regierung unter Barack Obama angesichts der heftigen Opposition der Arbeiter geschockt sind, werden sie nun alles daran setzen, die Inhalte des Vertrags irgendwie durchzusetzen. Es ist daher nicht damit getan, den Vertrag abzulehnen, so mutig dieser erste Schritt auch war.

In einem Perspektivartikel der WSWS heißt es: „Dieser Kampf erfordert mehr als bloße Entschlossenheit und Militanz – so wichtig diese sind. Die Arbeiter brauchen eine durchdachte politische Strategie, um die größtmögliche Unterstützung von Arbeitern und Jugendlichen in ganz Amerika und weltweit zu mobilisieren. Dafür müssen die politischen und sozialen Kräfte verstanden werden, die sich der Arbeiterklasse entgegenstellen.“

So bezeichnen Arbeiter die UAW-Funktionäre zu Recht als korrupte Handlanger des Unternehmens. „Ich möchte gerne wissen, wie viel Geld [UAW-Chef] Dennis Williams dafür bekommen hat“, sagte etwa ein Chrysler-Arbeiter aus Toledo der WSWS.

Viele hoffen, die UAW ließe sich irgendwie reformieren. Alle möglichen pseudolinken Organisationen und „UAW-Dissidenten“ erklären, dass dies möglich sei, wenn man genügend Druck auf die Gewerkschaftsspitze ausübe. Das ist falsch und dient allein der UAW.

Die UAW ist schon lange keine „Arbeiterorganisation“ mehr, die reformiert werden kann. Sie hat heute die Aufgabe, die Arbeiter dem Kapitalismus unterzuordnen, sie zu kontrollieren und die Angriffe der Konzerne gegen sie durchzusetzen. Sie spielt die Rolle einer Betriebspolizei. Dafür erhält sie von den Konzernen Milliarden. Die UAW ist inzwischen selbst ein Unternehmen, das sich an den Arbeitern bereichert.

„Arbeiter, die ihre elementaren Rechte verteidigen“, schreibt der für Arbeitskämpfe verantwortliche WSWS-Redakteur Jerry White, „stehen nicht nur im Konflikt mit Fiat-Chrysler, den anderen Autokonzernen und ihren Handlangern in der UAW. Sie geraten in Konflikt mit dem gesamten wirtschaftlichen und politischen System, das die Bedürfnisse der Arbeiterklasse dem Profitstreben der Eigentümer, der Banken und Konzerne unterordnet.“ Es gehe daher „nicht darum, ‚bessere Gewerkschaften‘ aufzubauen, sondern einen politischen Massenkampf der Arbeiterklasse um die politische Macht zu entwickeln“.

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