Großbritannien umwirbt China

Am Dienstag traf der chinesische Präsident Xi Jinping zu einem viertägigen Staatsbesuch in Großbritannien ein.

Da diese Reise für beide Länder von geostrategischer Bedeutung ist, bereitete die konservative Regierung Präsident Xi einen oppulenten Empfang. Xi und seine Frau residierten als Gäste der Queen im Buckingham Palace. Zu Beginn ihres Besuchs wurden Xi und seine Frau Peng Liyuan als Ehrengäste mit einer feierlichen Prozession über die Londoner Prachtstraße The Mall zum Buckingham Palace geleitet, wo der offizielle Staatsempfang stattfand. Während des Spektakels wurden 103 Salutschüsse abgefeuert.

Xi hielt von der Royal Gallery des Parlamentsgebäudes eine Rede vor Mitgliedern des Ober- und Unterhauses und traf sich mit dem Labour Party-Vorsitzenden Jeremy Corbyn. Am Dienstagabend nahm er an einem Staatsbankett der Queen teil. Im Laufe seines Besuchs wird er sich außerdem mit Premierminister David Cameron auf dessen Landsitz treffen.

Am letzten Tag seines Besuches wird Xi mit Finanzminister George Osborne nach Manchester fliegen, um mehrere Investitionsprojekte zu begutachten. Sie werden über Chinas Investition in das Programm „Northern Powerhouse“ diskutieren, das u.a. den Bau einer Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen London und mehreren Städten im Norden des Landes umfasst.

Sich Xi anzubiedern, hatte für die britische Elite dabei höchste Priorität. Osborne gab schon letzten Monat während einer Reise nach China den Ton vor. Er sprach in der Börse und unternahm eine medienwirksame Reise in die nordwestchinesische Region Xinjiang. Diese Region wird von separatistischen Unruhen der uigurischen Bevölkerung erschüttert, die große Unterstützung von Seiten Washingtons genießt.

Er fragte rhetorisch: „Sind wir beim Thema Menschenrechte geteilter Meinung? Ja, das sind wir... Aber ist es nicht besser, zusammen über diese Dinge zu reden, statt nur daneben zu stehen und Megaphon-Diplomatie zu betreiben?“

Die Tatsache, dass Prinz Charles nicht an dem Staatsbankett teilnahm, erregte große Aufmerksamkeit. Charles ist ein bekennender Unterstützer der Unabhängigkeit Tibets. Doch auch das war nur eine symbolische Geste, da Charles und seine Frau, die Herzogin von Cornwall, Xi und seine Frau in ihrer Londoner Villa Clarence House empfangen haben. Im Vorfeld von Xis Reise hatte Charles sogar entschieden, sich nicht mit dem Dalai Lama zu treffen, als dieser im September in Großbritannien zu Gast war.

Prinz William kritisierte zwar in einer Rede, die später im chinesischen Staatsfernsehen gezeigt werden soll, den illegalen Elfenbeinhandel, verlor aber kein Wort über die brutale Ausbeutung von hunderten Millionen chinesischer Arbeiter durch westliche Konzerne. Großbritanniens Beziehungen zum chinesischen Regime beruhen auf dieser extremen Ausbeutung. Zudem macht sich Großbritannien selbst Menschenrechtsverletzungen schuldig. Edward Snowden hat die Massenüberwachung der elektronischen Kommunikation in Großbritannien enthüllt.

China bekommt beispiellose Investitionsmöglichkeiten und weitgehenden Zugang zur britischen Wirtschaft angeboten, u.a.. zu strategisch wichtigen Sektoren wie der Atomenergieindustrie. Für Atomreaktoren bei Hinkley Point und Sizewell werden Investoren gesucht, und Chinas Atomenergiekonzerne wollen bei Bradwell an der Küste von Essex einen Reaktor vom Typ Hualong One bauen. Diese Projekte könnten in den nächsten zehn Jahren 100 Milliarden Pfund wert sein und werden trotz Bedenken von Teilen des Militär- und Geheimdienstapparates wegen möglicher Folgen für die Sicherheit vorangetrieben.

Großbritannien orientiert sich immer mehr in Richtung China. Anfang des Jahres kündigte Premierminister David Cameron an, dass sich Großbritannien als Gründungsmitglied an der Asiatischen Investitionsbank für Infrastruktur (AIIB) beteiligen werde. Dieses Projekt wurde von China ins Leben gerufen und soll über ein Kapital von 50 Milliarden Dollar verfügen. Nach Großbritannien kündigten auch Deutschland, Frankreich und Italien an, Gründungsmitglieder der Bank zu werden. Mittlerweile beteiligen sich mehr als 50 Staaten an dem Projekt, darunter seit Juni auch Australien.

China ist mittlerweile Großbritanniens zweitgrößter Exportmarkt, hinter Deutschland, aber vor den USA. Die Exporte nach China sind von 7,3 Milliarden Pfund im Jahr 2010 auf 15,9 Milliarden Pfund im Jahr 2014 angestiegen, d.h. jährlich durchschnittlich um etwa zwanzig Prozent. Chinas Investitionen in Großbritannien haben sich seit 2012 stark erhöht und sind jetzt fast doppelt so hoch, wie vor sieben Jahren.

Seit dem Jahr 2000 entfallen fast 40 Prozent aller chinesischen Investitionen in den Aufkauf oder für Fusionen mit europäischen Unternehmen auf britische Unternehmen. Letztes Jahr schrieben sich 58.810 chinesische Erstsemesterstudenten in Großbritannien ein, mehr als aus der ganzen EU.

Während Xis Reise werden vermutlich bilaterale Investitionsabkommen in einem Gesamtwert von über 30 Milliarden Pfund beschlossen.

Die Industrie macht mittlerweile nur noch zehn Prozent der britischen Wirtschaft aus. Sie ist stattdessen auf die parasitären Interessen der City of London ausgerichtet. Der britische Imperialismus ist heute in außerordentlich starkem Ausmaß auf Investitionen und Finanzierung aus dem Ausland angewiesen. Diesen Monat verabschiedeten die Tories ein Gesetz, das künftigen Regierungen selbst in „normalen Zeiten“ verbietet, Kredite für Investitionen aufzunehmen. Dadurch wären in Zukunft alle Regierungen automatisch zu Austeritätsmaßnahmen verpflichtet.

Der wichtigste Aspekt der Beziehung der britischen herrschenden Elite zu China ist jedoch der Finanz- und Bankensektor. Laut jüngsten Zahlen haben britische Banken mit umgerechnet 295 Milliarden Dollar in China mehr Kredite vergeben, als ganz Europa (144 Milliarden Dollar) und Nordamerika (116 Milliarden Dollar) zusammen - wobei die Hongkonger Tochtergesellschaften der Londoner Banken HSBC und Standard Chartered mit einer Gesamtsumme von 209 Milliarden Dollar mit eingerechnet sind.

Diese Abhängigkeit wird sich noch erhöhen.

Das wichtigste Ergebnis von Xis Besuch ist, dass London als erstes außerchinesisches Finanzzentrum, für die Eröffnung eines Marktes für Staatsanleihen in Renminbi ausgewählt wurde.

Ein chinesischer Regierungsvertreter erklärte: „London erhielt gegenüber anderen Finanzzentren in Europa und den USA der Vorzug. Das zeigt, dass Beijing sich für London als bevorzugten Ort für ein Offshore-Zentrum für Renminbi Wechsel und Investitionen außerhalb der chinesischen Zeitzone entschieden hat.“

In einer Kolumne der Financial Times mit dem Titel „Was China von Großbritannien will“ hieß es, das chinesische Wirtschaftswachstum hänge davon ab. Sie schrieb, wenn die AIIB „mehr sein soll als ein Klon von Bretton Woods-Institutionen wie der Weltbank, muss der Renminbi stärker sein als der US-Dollar.“

Die FT schrieb, China habe zweifellos „vor allem die City of London im Blick, die einen zentralen Platz im globalen Finanzsystem einnimmt. China will, dass seine Währung dort eine größere Rolle spielt.“

Großbritannien ist seinen Rivalen, vor allem Deutschland und der Schweiz zuvorgekommen, die sich beide als Basis für den Renminbi-Handel angeboten haben. Großbritannien war der erste G7-Staat, der einen Währungsswap mit China organisiert hat.

Die Zementierung der wirtschaftlichen Beziehungen Großbritanniens mit China hat große geostrategische Auswirkungen. Sie geschieht zu einer Zeit, in der die USA immer aggressiver gegen China vorgehen. Beispielhaft hierfür ist der „Pivot to Asia“ (Konzentration auf Asien) von Präsident Barack Obama.

Großbritannien hatte sich trotz des heftigen Widerstandes der USA an der AIIB beteiligt. Ein Vertreter des Weißen Hauses bezeichnete die Entscheidung als Teil eines „Trends zur ständigen Annäherung“ an China.

Als Cameron erklärte, in den Beziehungen zwischen China und Großbritannien sei ein neues „goldenes Zeitalter“ ausgebrochen, wurde ihm die Frage gestellt, ob das nicht die „besondere Beziehung“ zu den USA beschädige. Er antwortete: „Wir sehen keinen Konflikt zwischen dieser sehr besonderen Beziehung und unserem Verlangen, ein starker Partner für China zu sein, da die chinesische Wirtschaft weiterhin wächst und China sich zu einer enormen Weltmacht entwickelt.“

Ein „höchst einflussreicher pensionierter US-Regierungsvertreter“ widersprach Camerons leidenschaftlicher Formulierung in der FT. Er warnte die britische Regierung unverhohlen: „Was wir hier erleben, ist ein Musterbeispiel für einen Kotau.“

Die FT zitierte ihn: „Nicht nur Osborne, sondern die ganze Regierung Cameron verbiegt sich, und das wird für Großbritannien in der Zukunft definitiv Probleme schaffen.“

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