Regionalwahlen in Frankreich:

Sozialistische Partei erleidet eine weitere Niederlage

Die Sozialistische Partei erlitt in der Endrunde der französischen Regionalwahlen am Sonntag eine weitere Niederlage. Der neofaschistische Front National hatte nach seinem Erfolg in der ersten Runde am 6. Dezember damit gerechnet, in zwei oder sogar drei oder mehr Regionen stärkste Kraft zu werden, gewann aber tatsächlich nirgendwo.

Die Wahlenthaltung lag bei 42 Prozent, in der ersten Runde waren es 50 Prozent. Die Wahlbeteiligung war am stärksten in den Regionen, in denen der FN Aussichten auf einen Sieg hatte, wie in Nord-Pas de Calais-Picardie und Provence-Alpes-Côte d’Azur. Viele Wähler stimmten gegen den FN, der in der ersten Runde beträchtliche Stimmgewinne erzielt hatte und in sechs der dreizehn Regionen Frankreichs stärkste Kraft wurde. Bei der Stichwahl am Sonntag nahm der FN in allen Regionen teil.

Nach ersten Schätzungen hat die PS in fünf Regionen gewonnen: in der Bretagne, in Aquitaine-Limousin-Poitou-Charentes Languedoc-Roussillon-Midi-Pyrénées, in Bourgogne-Franche-Comté und in Centre-Val de Loire. Die rechten Republikaner (LR) gewannen in sieben Regionen: Ile-de-France, Nord-Pas-de-Calais-Picardie, Provence-Alpes-Côte d’Azur, Alsace-Champagne-Ardenne-Lorraine, Auvergne-Rhône-Alpes, Normandie und Pays de la Loire. Auf Korsika wurde eine korsisch-nationalistische Wahlliste stärkste Kraft.

Der FN gewann zwar in keiner Region, erzielte jedoch im ersten und zweiten Wahlgang bedeutende Erfolge. Er entwickelt sich zu einer zentralen Kraft im Mainstream der bürgerlichen Politik und profitiert direkt von der reaktionären Politik der PS-Regierung und ihres Präsidenten Francois Hollande. Bei der Präsidentschaftswahl im Frühjahr 2017 wird der FN vermutlich ein gutes Ergebnis erzielen oder sogar als Sieger hervorgehen.

Die Zeitung Liberation schrieb noch während der Auszählung der Stimmen: „Obwohl noch zehn Prozent der Stimmen ausgezählt werden müssen, hat der FN im zweiten Wahlgang bereits mehr Stimmen gewonnen als Marine Le Pen in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl 2012. Le Pens Partei hat noch nie so viele Stimmen in einer Wahl gewonnen.“

Nachdem die PS im ersten Wahlgang verheerende Stimmverluste erlitten hatte, rief sie ihre Wähler auf, in Regionen, in denen die PS drittstärkste Kraft wurde, LR-Kandidaten zu wählen und damit den Aufstieg des FN zu verhindern und die „Werte der Republik“ zu verteidigen.

In der nordfranzösischen Region Nord-Pas-de-Calais-Picardie rief die PS zur Wahl des LR-Kandidaten Xavier Bertrand gegen FN-Führerin Marine Le Pen auf, die im ersten Wahlgang 43 Prozent der Stimmen erhalten hatte. In der südfranzösischen Region Provence-Alpes-Côte d’Azu unterstützte die PS den Kandidaten der LR, den rechten Bürgermeister von Nizza, Christian Estrosi gegen die FN-Kandidatin Marion Maréchal-Le Pen, Marine Le Pens Nichte.

Die Versuche der PS und ihrer Anhängsel, wie der stalinistischen Kommunistischen Partei Frankreichs (KPF), mit den LR eine „Republikanische Front“ zu bilden, um die Demokratie zu verteidigen und den Aufstieg des FN zu verhindern, waren ein zynischer Betrug. Diese Kräfte und die ganze herrschende Klasse sind dabei, durch ihre ständige Propagierung von Krieg, Maßnahmen gegen Muslime, Austerität und Angriffen auf demokratische Rechte die politische Agenda des FN zu legitimieren.

Am Freitag rief Premierminister Manuel Valls erneut zur Blockade gegen den FN auf. Er erklärte: „Wir sind an einem historischen Moment angelangt. Wir haben zwei Optionen: die Rechtsextremen, die Spaltung propagieren und einen Bürgerkrieg auslösen können, und die Republik und ihre Werte. Der FN ist eine antisemitische, rassistische Partei, die die Republik ablehnt und die französische Bevölkerung täuscht.“

Valls Kommentar ist ein zynische politische Ausflucht. Die Parteifunktionäre der FN vertreten zwar zweifellos ein zutiefst arbeiterfeindliches und undemokratisches Erbe – darunter fallen das Vichy-Regime während des Zweiten Weltkriegs, die Leugnung des Holocaust und Kriegsunterstützung – doch der Arbeiterklasse drohen auch vonseiten der bürgerlichen Mainstreamparteien große Gefahren, vor allem von der PS. Valls' eigene Regierung verstößt gegen demokratische Grundrechte und setzt sich für die Einführung eines dauerhaften Notstandes ein, der Frankreich in eine Präsidentschaftsdiktatur verwandeln würde.

Nur einen Monat vor den Regionalwahlen wurden am 13. November bei Terroranschlägen in Paris 130 Menschen getötet. Danach erklärte die PS ihre Absicht, demokratische Grundrechte auf Eis zu legen. Sie rief einen dreimonatigen Ausnahmezustand aus, der es ihr ermöglichte, gegen Protest vorzugehen, willkürliche Durchsuchungen und Beschlagnahmen durchzuführen und jeden, der als potenzielle Gefahr für die öffentliche Ordnung eingestuft wird, ohne Prozess verhaften zu lassen. Die PS will die Verfassung ändern, um es dem Präsidenten zu ermöglichen, diese Notstandsvollmachten auf unbegrenzte Zeit zu verlängern.

Angriffe auf demokratische Grundrechte gehen einher mit einer drakonischen Sparpolitik und einer Eskalation des Kriegskurses, den die PS seit ihrer Machtübernahme 2012 verfolgt hat. Unterstützt wurde sie dabei von ihren pseudolinken Verbündeten wie der Neuen Antikapitalistischen Partei (NPA) und den Gewerkschaften.

Es gibt keinen organisierten linken Widerstand gegen die PS, da ihre pseudolinken Verbündeten und die Gewerkschaften die Opposition in der Arbeiterklasse unterdrücken und die Polizeistaatsmaßnahmen der Regierung unterstützten. Daher entwickelt sich der FN zum wichtigsten Profiteur der Polizeistaatsmaßnahmen, welche die PS nach den Terroranschlägen am 13. November eingeführt hat. Sie nutzt zudem die Desillusionierung der Massen über die PS und die LR aus.

Die FN-Vorsitzende Marine Le Pen wies darauf hin, dass der FN in der Lage war, die PS zu besiegen und erklärte stolz, sie habe die Zahl ihrer Regionalabgeordneten verdreifacht und werde damit „die führende Oppositionspartei in den meisten Regionalräten sein.“

Sie dankte ihren Wählern mit den Worten: „Bravo, meine Freunde. Ihr habt euch von den unanständigen Parolen und den Rufmord- und Verleumdungskampagnen befreit, die in den vergoldeten Palästen der Republik geplant wurden.“ Sie begrüßte „die Auslöschung der „besonders bösartigen sozialistischen Parteimaschinerie“ und verwies auf den „unaufhaltsamen Aufstieg der nationalistischen Tendenz in einer Wahl nach der anderen“.

Die PS und die LR feierten zwar ihr Ergebnis im zweiten Wahlgang als Sieg, betonten aber, der Aufstieg des FN sei unvermeidlich.

Valls erklärte: „Heute Abend sollte es keine Erleichterung, keinen Triumph und keine Siegesnachrichten geben. Die rechtsextreme Gefahr ist noch nicht gebannt, noch lange nicht. Ich vergesse die Ergebnisse des ersten Wahlgangs ebenso wenig wie die letzte Wahl.“

Der LR-Vorsitzende und ehemalige Präsident Nicolas Sarkozy erklärte: „Trotz der Mobilisierung zugunsten unserer Kandidaten im zweiten Wahlgang sollten wir keinesfalls die Warnung übersehen, die der erste Wahlgang der Regionalwahlen an alle politischen Funktionäre übermittelt hat, auch an unsere.“

Der ehemalige Premierminister Alain Juppé äußerte sich besorgt über die zunehmende Desillusionierung mit den offiziellen Parteien. Er erklärte: „Wir sollten jetzt die Lehren aus dieser Wahl ziehen. Sie zeigt, dass immer mehr unserer Mitbürger den Parteien misstrauen. Wir sollten keine sinnlose Debatte darüber beginnen, ob wir im Wahlkampf zu weit rechts waren, oder nicht rechts genug, zu weit in der Mitte oder nicht weit genug.“

Juppés Hauptsorge ist nicht der Aufstieg des FN, der ein Ergebnis der Sparpolitik, der Kriege und der Förderung des Chauvinismus durch die PS und die LR ist, sondern die wachsende soziale Wut der Arbeiterklasse.

Die Pseudolinken forderten im zweiten Wahlgang mit zynischen Phrasen über die sogenannte „Republikanische Front“ alle Gegner des FN dazu auf, den führenden Gegenkandidaten zu unterstützen, um einen Sieg des FN im zweiten Wahlgang zu verhindern. Allerdings unterstützen alle diese Parteien stillschweigend die undemokratischen Polizeistaatsmethoden der PS.

Der Vorsitzende der Linksfront, Jean-Luc Melenchon erklärte: „Heute Abend wurde eine Katastrophe ganz knapp verhindert […]. Wir müssen den Millionen Menschen danken, die zur Wahl gegangen sind, und dabei auch gegen ihre tiefsten Überzeugungen gestimmt haben.“ Damit meinte er offenbar die PS-Wähler, die für LR-Kandidaten gestimmt hatten, um einen Sieg des FN zu verhindern.

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