Bundesregierung verschärft ein weiteres Mal das Asylrecht

Die Bundesregierung benutzt die gezielt geschürte rassistische Hysterie nach den Ereignissen der Silvesternacht in Köln, um eiligst eine weitere Verschärfung des Asylrechts und weit reichende Polizeistaatsmaßnahmen durchzusetzen. Die Regierungsparteien CDU, CSU und SPD werden dabei von den Oppositionsparteien Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke unterstützt.

Innenminister Thomas de Maizière (CDU) hat sich mit Justizminister Heiko Maas (SPD) auf neue Regelungen verständigt, mit denen zukünftig Flüchtlinge und Migranten noch schneller abgeschoben werden können. Straffällig gewordene Personen ohne deutsche Staatsbürgerschaft sollen ausgewiesen werden, wenn sie wegen Körperverletzung, Raub, sexueller Übergriffe, wiederholten Diebstahls oder Widerstands gegen die Staatsgewalt zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden sind. Dabei spielt weder die Länge der Haftstrafe eine Rolle, noch ob das Urteil zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Neben der Ausweisung droht Asylbewerbern, die wegen der gleichen Delikte zu Freiheitsstrafen von einem Jahr verurteilt werden, die zwingende Ablehnung des Asylantrags, ganz gleich ob tatsächlich Fluchtgründe vorliegen. Auch hier spielt es keine Rolle, ob das Urteil zur Bewährung ausgesetzt wurde. Selbst Heranwachsende und Jugendliche, die eigentlich unter besonderem Schutz stehen, werden von diesen drakonischen Strafen nicht ausgenommen.

Im Juristenjargon werden die betroffenen Flüchtlinge als „Gefahr für die Allgemeinheit“ bezeichnet. Tatsächlich öffnet die Neuregelung der Willkür von Polizei und Justiz Tür und Tor. Da sie bereits bei eher geringfügigen Vergehen die Ausweisung oder die Ablehnung des Asylgesuchs vorsieht, schafft sie die Voraussetzungen, um möglichst viele Flüchtlinge zwangsweise zu deportieren.

De Maizière führte ausdrücklich die Ereignisse der Silvesternacht als Grund für die verschärften Ausweisungsregeln an. Er erklärte: „Das ist eine harte, aber richtige Antwort des Staates auf diejenigen, die glauben, obwohl sie hier Schutz suchen, Straftaten begehen zu können, ohne dass das Auswirkungen auf ihre Anwesenheit in Deutschland hat.“

Vizekanzler Sigmar Gabriel hatte bereits am Sonntagabend in einem Interview mit der ARD eine verschärfte Ausweisungspraxis gefordert. Der SPD-Vorsitzende geht mit seinen Law-and-Order-Rufen inzwischen weiter als die Union. In der Bild-Zeitung forderte Gabriel, „alle Möglichkeiten des internationalen Rechts auszuloten, um kriminelle Asylbewerber in ihre Heimat zurückzuschicken“. Es müsse „schneller und effizienter abgeschoben werden“.

Afrikanischen Staaten drohte Gabriel mit der Kürzung der Entwicklungshilfe, „sollten diese sich weigern, abgeurteilte und abgelehnte Asylbewerber zurückzunehmen“. Weiter wolle er prüfen, wie der „Grundsatz der Haft im Heimatland wieder verwirklicht werden“ könne. „Warum sollen deutsche Steuerzahler ausländischen Kriminellen die Haftzeit bezahlen?“

Gabriel weiß sehr wohl, dass seine Forderungen weder mit der Genfer Flüchtlingskonvention noch mit dem deutschen Asylrecht vereinbar sind. Danach ist klar geregelt, dass Straftäter unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft nach dem gleichen Grundsatz angeklagt und bestraft werden müssen. Schon die Ausweisung neben der Verbüßung einer Haftstrafe ist in diesem Sinne eine unzulässige Doppelbestrafung.

Pure Demagogie ist die Abschiebeverschärfung auch deshalb, weil erst am 1. Januar ein verschärftes Ausweisungsrecht in Kraft getreten ist. Dabei wurde das Strafmaß für die zwingend zu erfolgende Ausweisung von drei auf zwei Jahre gesenkt und für die Ausweisung im Regelfall von zwei auf ein Jahr. Nun werden die Regeln weiter verschärft, obwohl das neue Recht noch nicht einmal zur Anwendung gekommen ist.

Am Dienstag legte CDU-Generalsekretär Peter Tauber noch einmal nach und verlangte eine Abschiebequote von tausend Flüchtlingen pro Tag. In der Rheinischen Post forderte er die Länder auf, abgelehnte Flüchtlinge konsequent und massenhaft abzuschieben. „Wenn nach den Erfahrungswerten im Schnitt jeder zweite Antrag negativ beschieden wird, dann stehen die Länder in der Pflicht, täglich tausend abgelehnte Asylbewerber abzuschieben“, erklärte er.

Wie weit sich das ganze politische Koordinatensystem nach rechts bewegt hat, zeigt auch die Unterstützung der flüchtlingsfeindlichen Abschiebepolitik durch die Linkspartei. Die Vorsitzende ihrer Bundestagsfraktion, Sahra Wagenknecht, forderte im Gleichklang mit de Maizière und Gabriel ein konsequentes Vorgehen gegen straffällige Migranten, denn, so Wagenknecht wörtlich, „wer Gastrecht missbraucht, der hat Gastrecht eben auch verwirkt“.

Das ist nicht nur grundfalsch, weil das Asylrecht kein vom Obrigkeitsstaat erteiltes Gnadenrecht ist, sondern ein in der Genfer Flüchtlingskonvention verankertes Grundrecht. Wagenknechts Äußerungen erinnern auch an die rechte Hetze des damaligen SPD-Kanzlerkandidaten Gerhard Schröder, der 1997 in der Bild am Sonntag erklärt hatte, „Wer unser Gastrecht missbraucht, für den gibt es nur eins: Raus, und zwar schnell.“

Wagenknecht steht mit ihrem Ruf nach einem starken Staat in der Linkspartei nicht alleine da. Der Parteivorsitzende Bernd Riexinger fordert eine massive Aufrüstung der Polizei, während Wagenknechts Co-Fraktionsvorsitzender Dietmar Bartsch die Anwendung der „vorhandenen Gesetze zur Ausweisung straffälliger Ausländer mit großer Konsequenz“ verlangt.

Derweil plant die Große Koalition bereits die nächste Polizeimaßnahme gegen Flüchtlinge. Im Interview mit der ARD erklärte Sigmar Gabriel: „Ich glaube, wir brauchen eine Wohnsitzauflage. Sonst ziehen die Menschen – auch die anerkannten Asylbewerber – alle in die Großstädte. Da massiert sich das Problem und wir kriegen richtige Ghettoprobleme.“

Bei der CDU, die auf ihrem Parteitag im Dezember einen entsprechenden Antrag beschlossen hatte, rannte er damit offene Türen ein. Kanzleramtsminister Peter Altmaier sieht „eine große Chance, eine solche Wohnsitzauflage in den nächsten Wochen gemeinsam zu vereinbaren“. So könne verhindert werden, dass alle Flüchtlinge in die Städte gingen und dort die Probleme in kurzer Zeit gesteigert würden.

Laut anderen offiziellen Verlautbarungen soll die Wohnortpflicht dem Aussterben ländlicher Gebiete entgegenwirken. Tatsächlich soll es den Flüchtlingen damit in Deutschland so unangenehm wie möglich gemacht werden. Die Wohnortpflicht ist ein klarer Verstoß gegen die Genfer Flüchtlingskonvention, die vorschreibt, dass anerkannte Flüchtlinge ihren Aufenthaltsort frei wählen und sich auch frei bewegen können.

Bisher gab es in Deutschland als einzigem europäischen Land eine Residenzpflicht für Asylbewerber und Geduldete (abgelehnte Asylbewerber, die (noch) nicht abgeschoben werden). Sie wurde vor einem Jahr auf maximal drei Monate beschränkt.

Mit der Einführung einer Wohnortpflicht für anerkannt Flüchtlinge würde ein juristischer Präzedenzfall geschaffen. Mit denselben Argumenten, mit denen Union und SPD jetzt dafür werben, könnte man auch Arbeitslosen oder Hartz-IV-Empfängern ihren Wohnort vorschreiben. Seit dem Zweiten Weltkrieg hatten in Europa nur einige stalinistische Regime das Recht auf freie Wohnortwahl beschränkt.

Bemerkenswert ist Gabriels Forderung nach einer Wohnortpflicht auch, weil er damit die angebliche „Ghettoisierung“ von Flüchtlingen und Migranten verhindern will. Der Begriff des Ghettos bezeichnet Stadtviertel, die ausgesonderten Bevölkerungsgruppen, vor allem aufgrund ihrer ethnischen Herkunft oder Religion, zugewiesen werden – also um das, was die Große Koalition jetzt plant.

Gabriels Gerede von einer „Ghettoisierung“ ist aber nicht nur historisch falsch, auch der eigentlich gemeinte Vorwurf, Flüchtlinge erzeugten in den Großstädten die vielbeschworenen „Parallelgesellschaften“, läuft ins Leere. Die Existenz ethnischer Parallelgesellschaften ist eine Mär, die von rassistischen Demagogen wie Thilo Sarrazin, Heinz Buschkowsky oder Necla Kelek vorgebracht und medial dann weit ins Land hinausposaunt wird.

Die Armutsviertel, die sich wie Geschwüre in den Großstädten ausbreiten, sind keine Folge von angeblich „integrationsunwilligen Migranten“. Vielmehr sind sie das Ergebnis der systematischen Zerschlagung des Sozialstaats, für die die SPD mit den Hartz-Gesetzen und der Agenda 2010 eine zentrale Verantwortung trägt. Damit wurde ein wachsender Billiglohnsektor geschaffen und eine permanente Abwärtsspirale von Sozialabbau und Niedriglöhnen in Gang gesetzt.

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