Perspektive

Das Pentagon plant einen weiteren Krieg in Libyen

Vor knapp fünf Jahren haben die USA und ihre Verbündeten Libyen unter dem „humanitären“ Vorwand angegriffen, ein angeblich drohendes Massaker zu verhindern. Jetzt planen sie einen neuen Angriff auf das ölreiche nordafrikanische Land. Als Vorwand dient ihnen diesmal das blutige Banner des „Krieges gegen den Terrorismus“.

Pentagon-Pressesprecher Peter Cook bestätigte am Mittwoch, dass Washington „militärische Optionen“ prüfe. Er gab zu, dass amerikanische Spezialkräfte bereits in Libyen vor Ort seien, um „eine Vorstellung davon zu bekommen, wer die wichtigsten Kräfte sind, welche die Unterstützung der USA und einiger unserer Partner verdienen“.

Bereits zuvor hatte sich der Vorsitzende des Generalstabs, General Joseph Dunford Jr., ähnlich geäußert. Er hatte am letzten Freitag erklärt: „Man kann sagen, dass wir uns auf eine entscheidende Militäraktion gegen den Islamischen Staat in Verbindung mit dem politischen Prozess in Libyen einstellen. Der Präsident hat deutlich gemacht, dass wir die Befugnis zum Einsatz militärischer Gewalt haben.“

Dass bereits amerikanische Spezialeinheiten in Libyen aktiv sind, ist kein Geheimnis, wurde jedoch von den Mainstream-Medien größtenteils ausgeblendet. Auf der Facebook-Seite der libyschen Luftwaffe war im vergangenen Monat ein Bild erschienen, das etwa zwanzig amerikanische Kommandos in Zivilkleidung und mit automatischen Feuerwaffen zeigt. Laut der Bildunterschrift hatten die libyschen Streitkräfte auf dem Luftwaffenstützpunkt „ihre Intervention abgewehrt, sie entwaffnet und gezwungen, das libysche Staatsgebiet zu verlassen.“

Vertreter des Pentagon bestätigten den Vorfall und erklärten gegenüber NBC News, dass ähnliche amerikanische Einheiten „seit einiger Zeit in Libyen ein- und ausgehen“.

Der angebliche „Kampf gegen den Terror“, ist ein ebensolcher Betrug wie es der angebliche „Kampf für Menschenrechte“ im Jahr 2011 war. Beide sind darauf ausgelegt, die räuberischen Ziele des Imperialismus vor der Bevölkerung zu verbergen. In Wirklichkeit geht es bei den Militärinterventionen, um wirtschaftlichen Interessen und Ressourcen – in Libyen befinden sich etwa die größten Ölvorkommen in ganz Afrika – und um die Rekolonialisierung ganzer Länder und Regionen.

Im Jahr 2011 hatte Obama noch in einer Fernsehansprache an die Nation seine falschen Rechtfertigungen für den Krieg vorgebracht und danach eine Resolution des UN-Sicherheitsrats als rechtlichen Deckmantel für die Aggression beantragt. Dass fünf Jahre später ein General des Marine Corps beiläufig erwähnt, dass er befugt sei, nach Belieben einen neuen Krieg zu beginnen, verdeutlicht das ständige Anwachsen des amerikanischen Militarismus beim gleichzeitigen Verfall der amerikanischen Demokratie.

Vor fünf Jahren hieß es, der langjährige Machthaber Libyens, Muammar Gaddafi, stehe kurz davor, „friedliche politische Demonstranten“ im ostlibyschen Bengasi zu massakrieren. Obama und seine Nato-Verbündeten bestanden darauf, dass nur eine Intervention des Westens dieses Massaker verhindern könne und man daher keine Zeit verlieren dürfe.

Eine ganze Schar von Pseudolinken unterstützte diese Behauptungen. Einige von ihnen, wie die französische Neue Antikapitalistische Partei (NPA), behaupteten, dass die Verteidigung der „libyschen Revolution“ das wichtigste Anliegen sei. Der Akademiker Gilbert Achcar, ein bekannter Sprecher der NPA, erklärte: „Man kann nicht im Namen von anti-imperialistischen Prinzipien die Verhinderung eines Massaker an Zivilisten ablehnen.“

Professor Juan Cole von der Universität Michigan, dessen „linker“ Ruf sich auf seine recht qualifizierte Ablehnung des Irakkrieges begründete, äußerte sich ähnlich: „Den 'Antiimperialismus' gedankenlos über alle anderen Werte zu erheben, führt ehrlich gesagt zu absurden Positionen.“ Cole versicherte außerdem: „Wenn mich die Nato braucht, bin ich zur Stelle.“

Mit der Unterstützung dieser pseudolinken Kräfte, beriefen sich der US-Imperialismus und seine europäischen Verbündeten auf die neokoloniale Doktrin der „Schutzverantwortung“ und benutzten die UN-Resolution zur Verhinderung des angeblich kurz bevorstehenden Massakers in Bengasi als Blankovollmacht für einen Krieg zum Sturz des Regimes. Fast 30.000 Menschen wurden durch Nato-Luftangriffe getötet, Gaddafi selbst wurde im Oktober 2011 von einem Lynchmob gefoltert und ermordet.

Im Nachhinein gaben NGOs und Menschenrechtsorganisationen wie die International Crisis Group und Amnesty International zu, dass es keine faktische Grundlage für die Behauptung gab, in Bengasi habe ein „Massaker“ gedroht.

Das Nato-Bombardement und der darauf folgende Bürgerkrieg haben Libyen ins Chaos gestürzt und einen humnanitäre Katastrophe angerichtet. Bis zu zwei Millionen Libyer, fast ein Drittel der Vorkriegsbevölkerung, wurden ins Exil in die Nachbarstaaten Tunesien und Ägypten getrieben. Diejenigen, die geblieben sind, leben unter katastrophalen Bedingungen. Hunderttausende sind als Binnenflüchtlinge vor den Kämpfen zwischen rivalisierenden Milizen geflohen.

Die Menschenrechtsgruppe Human Rights Watch, die den Krieg 2011 unterstützt hatte, berichtete im Januar, dass die Milizen, die das Land regieren „wahllos zivile Wohngebiete beschießen, willkürlich Menschen verhaften, foltern und plündern und bei Angriffen [...] ziviles Eigentum verbrannten oder anderweitig zerstört haben“. Die Milizen „attackieren, entführen, verschleppen und vertreiben Menschen aus ihrer Heimat“, so Human Rights Watch weiter. Das Justizsystem sei „in großen Teilen des Landes zusammengebrochen, was die Menschenrechtskrise verschlimmert“ habe.

Tausende von Libyern und Ausländern sitzen seit 2011 ohne Anklage oder Prozess in von den Milizen kontrollierten Gefängnissen. In ihnen ist Folter weit verbreitet.

Da die Bedingungen heute unbeschreiblich schlechter sind als im März 2011 spricht niemand mehr von einer „Schutzverantwortung“. Als Vorwand für den nun geplanten Krieg muss stattdessen der Kampf gegen den Islamischen Staat herhalten. Der IS hat mittlerweile eine Hochburg in der Küstenstadt Sirte, Gaddafis ehemaliger Heimatstadt, die im Jahr Nato-Krieg 2011 größtenteils zerstört worden war.

Die Stimmen im politischen Establishment und den Medien, die sich die Mühe machen, eine Verbindung zwischen dem Erstarken des IS in Libyen und der Nato-Invasion 2011 herzustellen, stellen die Angelegenheit meist als Unterlassungssünde dar. Ihr Mantra lautet: Washington und seine Verbündeten hätten es versäumt, nach dem Luftkrieg eine wirkliche Besatzung des Landes zu organisieren, um die staatlichen Strukturen neu aufzubauen.

Dies ist natürlich eine bewusste Vertuschung der real begangenen Verbrechen. Der IS ist kein versehentlicher Nutznießer des Chaos in Libyen. Seine Entstehung und Entwicklung waren aufs engste mit dem Nato-Krieg verbunden, in dem al-Qaida-nahe islamistische Milizen vom Westen bewaffnet und finanziert und als Bodentruppen eingesetzt wurden.

Nach dem Sturz und der Ermordung Gaddafis wurden die gleichen Elemente, sowie große Mengen Waffen, die aus Beständen der libyschen Regierung geplündert worden waren, nach Syrien umgeleitet, wo die CIA den nächsten Krieg zum Sturz des Regimes von Baschar al-Assad schürte. Durch diese Operation wurden der IS und ähnliche Gruppierungen deutlich gestärkt. Mit der der Zeit kehrten dann viele Libyer, die als Kämpfer nach Syrien geschickt worden waren, wieder nach Hause zurück, sodass sich die islamistische Gruppierung entlang der libyschen Nordküste ausbreiten konnte.

Die Quelle der angeblichen terroristischen Bedrohung in Libyen, die als Vorwand für einen weiteren imperialistischen Krieg dienen soll, sind die US-geführten Militärinterventionen des Westens selbst. Sie haben die ganze Region in Blutvergießen und Chaos gestürzt und drohen einen globalen Konflikt auszulösen.

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