Perspektive

Syrien-Verhandlungen in Genf haben begonnen

Am Montag begannen im schweizerischen Genf Verhandlungen über den Krieg in Syrien, der seit vier Jahren andauert, 260.000 syrische Todesopfer gefordert und Millionen Menschen zur Flucht gezwungen hat. Es besteht kein Anlass zur Hoffnung, dass dieser von den Vereinten Nationen vermittelte Prozess das Blutbad beenden wird.

Die Friedensverhandlungen begannen erst mit einer Woche Verzögerung, weil es erbitterte Streitigkeiten über die Frage gegeben hatte, wer die sogenannten Rebellen und andere politische Kräfte, die gegen die Assad-Regierung kämpfen, repräsentieren sollte.

Letzten Endes beugte sich der UN-Gesandte für Syrien, Staffan de Mistura, dem Druck Washingtons und seiner regionalen Verbündeten Saudi-Arabien, der Türkei und Katar. Er ernannte das „Hohe Verhandlungskomitee“ (HNC), einen von der saudischen Monarchie zusammengeschusterten Block, zur exklusiven Vertretung der Opposition. Doch selbst nach dieser Entscheidung gab es weitere Verzögerungen und Berichte über hitzige Debatten innerhalb dieses Gremiums, ob es nach Genf reisen sollte oder nicht.

Der Vorsitzende der HNC-Delegation ist der ehemalige syrische Premierminister Riad Hijab. Er gilt als einer der höchsten syrischen Funktionäre, die zum Westen übergelaufen sind. Sein Anreiz bestand aus einem Koffer voller Bargeld vom französischen Geheimdienst.

Sein Verhandlungsführer ist Mohammed Alloush, der Anführer der Armee des Islam (Jaysh al-Islam). Diese salafistische Dschihad-Miliz arbeitet eng mit der al Nusra-Front zusammen, dem syrischen Ableger von Al Qaida. Ihre vergiftete sektiererische Ideologie ist von der Bigotterie des Wahabismus inspiriert, der die Vernichtung von Millionen Schiiten in aller Welt und die Wiederherstellung des Kalifats aus dem siebten Jahrhunderts fordert. Der wichtigste Förderer des Wahabismus ist die saudische Monarchie. Alloush ist ein Beispiel für die Kräfte, die von amerikanischen Regierungsvertretern als „gemäßigt“ bezeichnet werden.

Es ist unbestreitbar, dass diese beiden Personen die vom Westen unterstützten „Rebellen“ bzw. das, was pseudolinke Gruppen wie die Neue Antikapitalistische Partei (NPA) in Frankreich und die International Socialist Organization (ISO) in den USA als die „syrische Revolution“ feiern, vertreten. Doch die Behauptung, dass diese Bande von Mitarbeitern der westlichen Geheimdienste, Ultrareaktionären und religiösen Fanatikern die Hoffnungen der syrischen Bevölkerung vertreten, ist abscheulich.

Die politische Agenda dieser Elemente zeigte sich im Vorfeld der Verhandlungen in Form eines Terroranschlages auf ein schiitisches Heiligtum außerhalb der syrischen Hauptstadt, bei dem mindestens 72 Menschen getötet und zahllose weitere verwundet wurden.

Zu Beginn der Verhandlungen erklärte US-Außenminister John Kerry in einer Videobotschaft: „Fast fünf Jahre lang hat die Welt mit Schrecken zugesehen, wie Syrien in einem brutalen Konflikt versunken ist, der hunderttausende das Leben gekostet und Millionen Menschen zur Flucht innerhalb und aus dem Land gezwungen hat.“

Er fügte hinzu, die Verhandlungen dienten dazu, „die Gewalt zu verringern, terroristische Vereinigungen wie Daesh zu isolieren und die Grundlage für das umfassende, friedliche und pluralistische Syrien zu schaffen, das uns allen vorschwebt.“

Wen will Kerry damit für dumm verkaufen? Washington sieht nicht unschuldig und „mit Schrecken“ zu, wie Syrien zerstört wird. Der US-Imperialismus trägt die Hauptverantwortung für das Blutvergießen. Die CIA hat zusammen mit der türkischen Regierung und den Monarchien von Saudi-Arabien und Katar die Finanzierung und Bewaffnung der islamistischen Milizen als Stellvertretertruppen in dem Krieg für einen Regimewechsel organisiert.

Tatsächlich hat Washington in den Wochen vor Beginn der Verhandlungen in Genf seine militärische Gewalt in Syrien systematisch verschärft, die Stationierung von hunderten weiteren Soldaten, verstärkte Luftangriffe und eine Ausweitung der Hilfe an die „Rebellen“ angekündigt.

Der Daesh oder IS ist in jeder Hinsicht eine Schöpfung Washingtons. Er ist ein Nebenprodukt des amerikanischen Einmarschs im Irak und des religiösen Chaos, das die amerikanische Besatzungsmacht durch ihre Politik des Teilens und Herrschens verursacht hat. Der Nato-Krieg mit dem Ziel eines Regimewechsels in Libyen, in dem ähnliche Al Qaida-nahe islamistische Kämpfer als Stellvertretertruppen eingesetzt wurden, hat den IS deutlich gestärkt. Nach dem Krieg wurden diese Kämpfe und große Mengen von libyschen Waffen nach Syrien geschleust.

Vor zwei Jahren haben die USA und ihre Verbündeten die sogenannten „Genf II“-Verhandlungen in Montreux sabotiert, indem sie die sofortige Entmachtung des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad zu einer nicht verhandelbaren Forderung erhoben. Die Obama-Regierung drängt ihre islamistischen Stellvertreter in Syrien dazu, an den Verhandlungen in Genf teilzunehmen, weil sie nicht in der Lage waren, mit Waffengewalt einen Regimewechsel zu erzwingen und schwere Niederlagen gegen die syrischen Regierungstruppen erleiden, die von russischen Luftangriffen unterstützt werden.

Die Ziele der USA haben sich jedoch nicht geändert. Wenn Kerry von einem „friedlichen und pluralistischen Syrien“ spricht, meint er die Einsetzung eines amerikanischen Marionettenregimes in Damaskus. Washington hofft, den Iran und Russland sowie Elemente der syrischen nationalen Bourgeoisie und des Assad-Regimes durch Drohungen, Druck und Bestechung zur Zusammenarbeit bewegen zu können und sein Ziel auf dieser Weise zu erreichen.

Doch die USA haben nicht einmal das Grundgerüst einer Strategie zur Errichtung eines stabilen Vasallenregimes formuliert. Nichts deutet darauf hin, dass die so genannten Rebellen in der Lage wären, Syrien zu regieren. Ebenso wenig deutet etwas darauf hin, dass es einen Plan oder eine Strategie zum Wiederaufbau eines Landes gibt, in dem die Hälfte der Bevölkerung vertrieben und ein Großteil der grundlegenden Infrastruktur zerstört wurde.

Letzten Endes haben die Debakel, die die USA durch ihre Militärinterventionen im Irak, Libyen und Syrien angerichtet haben, keine zuverlässigen Marionetten an die Macht gebracht, sondern ganze Gesellschaften zerstört.

Angesichts der unlösbaren Widersprüche des amerikanischen Kapitalismus und der verzweifelten Versuche der amerikanischen herrschenden Klasse, den Rückgang ihres Einflusses auf der Weltbühne mit militärischen Mitteln auszugleichen, ist der einzig erkennbare Kurs Washingtons, der einer dauerhaften Kriegsführung. Sein Ziel ist es, die Entstehung eines globalen oder auch nur regionalen Rivalen zu verhindern, der in der Lage wäre, die Hegemonie der amerikanischen Banken und multinationalen Konzerne über irgendeinen Teil der Welt zu beenden – egal wie viele Menschenleben es kostet.

Die Millionen toten, verwundeten und vertriebenen Iraker, Afghanen, Libyer und Syrer sind die Opfer dieses endlosen und immer weiter eskalierenden Kriegskurses der USA. Und es werden noch viele weitere Millionen Opfer dazukommen. Verhandlungen oder Friedensgespräche in Genf werden das Blutbad nicht beenden, sondern nur die Grundlagen für neue, noch blutigere Konflikte schaffen. Nur die politische Intervention der Arbeiterklasse im Kampf für den Sozialismus kann den Kurs auf einen Weltkrieg stoppen.

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