Sanders gewinnt Vorwahlen der Demokraten in New Hampshire

Mit deutlichem Vorsprung gewann der Senator aus Vermont, Bernie Sanders, die Vorwahl bei den Demokraten in New Hampshire am Dienstag. Er besiegte Ex-Außenministerin Hillary Clinton und erzielte die höchste Stimmenzahl und den größten prozentualen Vorsprung, der in dem Bundesstaat je erzielt wurde. New Hampshire ist der Bundesstaat, der seine Vorwahlen für die amerikanische Präsidentschaftskandidatur traditionell als erster abhält.

Sanders, der sich selbst einen „demokratischen Sozialisten“ nennt, besiegte Clinton mit 60 zu 39 Prozent und übertraf damit fast alle Umfragen. Er siegte in allen Bevölkerungsschichten. Besonders hoch war sein Stimmenanteil bei jungen Wählern (85 Prozent bei den Wählern unter dreißig), bei Wählern aus der Arbeiterklasse (65 Prozent bei Wählern mit einem Jahreseinkommen von unter 50.000 Dollar, und 67 Prozent bei Wählern ohne College-Ausbildung).

2008 hatte Clinton die Vorwahl in New Hampshire überraschend gegen Barack Obama gewonnen. Sie erhielt damals 112.000 Stimmen gegenüber 104.800 für Obama. Sanders übertraf diese beiden Ergebnisse. Man erwartet nach Auszählung aller Stimmzettel, dass Sanders 140.000 Stimmen erhalten hat. Wie ein Wahlbeobachter feststellte, hat Sanders auf allen Feldern besser abgeschnitten als damals Obama. Dies trifft besonders auf Arbeiterstädte wie Berlin (New Hampshire) zu, in denen Clinton 2008 gewonnen hatte, 2016 aber zweistellig verlor.

Das Clinton-Lager steckte schon vor der Abstimmung vom Dienstag in einer tiefen Krise. Nachdem Sanders bei den ersten Wahlversammlungen Anfang Februar in Iowa fast einen Gleichstand mit Clinton erzielt hatte, sagten Umfragen eine heftige Niederlage für Clinton in New Hampshire voraus. Ex-Präsident Bill Clinton griff daraufhin Sanders am Wochenende mehrmals in zornigen Tiraden an.

Das Clinton-Lager versuchte, die Frauenkarte zu spielen und Wählerinnen für eine Wahl Clintons als erste weibliche Präsidentin zu mobilisieren. Mehrere prominente Clinton-Anhängerinnen wurden aufgeboten, darunter Ex-Außenministerin Madeleine Albright und Gloria Steinem, die Gründerin der Nationalen Frauenorganisation.

Das entpuppte sich aber als Schlag ins Wasser. Auch die Wählerinnen stimmten mit großer Mehrheit für Sanders. Die einzigen demographischen Gruppen, die mehrheitlich Clinton wählten, waren die über 65-Jährigen und die Wähler mit einem Einkommen von über 200.000 Dollar im Jahr.

Die Unterstützungswelle für Sanders ist, wie die World Socialist Web Site erklärt hat, eine verspätete politische Reaktion auf den Finanzkrach von 2008 und die darauf folgende Wirtschaftskrise, die sich nach wie vor verheerend auf die Arbeitsplätze und den Lebensstandard der amerikanischen Arbeiterklasse auswirkt.

Laut den Exit Polls waren wirtschaftliche Ungleichheit, Arbeitsplätze und Gesundheitspolitik bei den Demokraten die bei Weitem wichtigsten Themen. Diese Klassenfragen spielten eine viel wichtigere Rolle als Identitätsfragen wie Geschlecht und Hautfarbe, die Clintons Team in der letzten Wahlkampfwoche in den Vordergrund gestellt hatte.

Die gleichen Fragen spielten auch bei der Republikanischen Vorwahl eine Schlüsselrolle, allerdings in rechtspopulistischer Gestalt. Dort gewann der Milliardär Donald Trump mit 34 Prozent. Er erhielt damit mehr als doppelt so viele Stimmen wie der zweitplatzierte John Kasich, Gouverneur von Ohio.

Drei weitere Kandidaten, Ted Cruz, Senator aus Texas, Jeb Bush, Ex-Gouverneur aus Florida und Marco Rubio, Senator aus Florida, belegten die Plätze drei bis fünf mit jeweils elf Prozent. Der Gouverneur von New Jersey, Chris Christie landete mit acht Prozent abgeschlagen auf Platz sechs. Er wird wahrscheinlich aus dem Rennen aussteigen.

Trumps Wahlkampf steht für die Mobilisierung eines kriminellen Elements in der amerikanischen Elite, das sich durch nationalen Chauvinismus, Militarismus und die Glorifizierung autoritärer Herrschaftsformen auszeichnet. Sein aggressiver Charakter und seine rassistischen Angriffe auf Muslime, Mexikaner und andere sind ein sichtbarer Ausdruck der Tatsache, dass die ohnehin schon verkommene amerikanische Politik auf groteske Weise verroht. Besonders Trumps Attacken auf Muslime haben quasi faschistische Reaktionen provoziert. Exit Polls in New Hampshire zeigen, dass 66 Prozent der Republikanischen Wähler Trumps Forderung nach einem umfassenden Einreiseverbot für Muslime unterstützen.

Das erste Stadium des Wahlkampfs zeigt eine extreme Polarisierung des gesellschaftlichen und politischen Lebens in den Vereinigten Staaten. Große Teile der Arbeiterklasse und der Jugend bewegen sich nach links, was das ganze politische System und beide großen, von der Wirtschaft kontrollierten Parteien aus dem Gleichgewicht bringt. Die herrschende Elite versucht, diese Linksentwicklung mit populistischer Demagogie „linker“ Provenienz (Sanders) und offen rechtsextremem Populismus zu kontrollieren und zu stoppen.

Viele Medien-Kommentatoren waren regelrecht erschüttert über Sanders’ hohen Sieg und die massive Zurückweisung des politischen Establishments beider Parteien. Bei der NBC-Berichterstattung über die Ergebnisse der Vorwahl rutschte Chris Matthews die Bemerkung raus, Sanders sei der neue Spitzenkandidat für die Demokratische Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten. Andrea Mitchell, die Ehefrau des ehemaligen Federal Reserve-Vorsitzenden Alan Greenspan, meinte ganz verwundert, die Wähler seien dabei „den amerikanischen Kapitalismus abzuwählen“.

Was die millionenschweren Experten erschreckt, ist nicht etwa Sanders Politik. Er ist trotz seiner nominellen Unabhängigkeit seit langem eine fixe Größe im Demokratischen Parteiestablishment. Was sie fürchten, ist die Radikalisierung der amerikanischen Bevölkerung, besonders der jungen Generation, die sich in der Unterstützung für seinen Wahlkampf ausdrückt. Eine Umfrage des Boston Globe vom Samstag unter Demokratischen Wählern bei den Vorwahlen ergab, dass sich mehr als die Hälfte der siebzehn- bis 34-Jährigen als „Sozialisten“ bezeichneten. Betrachtet man alle Altersgruppen sind es immer noch 31 Prozent.

In dieser politischen Krise ist Sanders Wahlkampf das wichtigste politische Instrument der herrschenden Klasse. Es fällt auf, wie bewusst, der Senator aus Vermont seine Rolle spielt, um die Demokratische Partei und das politische Monopol des Zwei-Parteien-Systems zu retten. Dies wurde in seiner Siegesrede am Dienstagabend deutlich sichtbar. Diese Rede unterschied sich in zwei wichtigen Aspekten von seiner Rede vor einer Woche in Iowa, als er mit Clinton beinahe gleichauf lag.

Erstens war er ausgesprochen bemüht, die Einheit der Demokratischen Partei zu wahren. Durch die Blume mahnte er das Clinton-Lager, es mit den Angriffen auf ihn nicht zu übertreiben. Gleichzeitig versprach er seine bedingungslose Unterstützung für den Sieger der Nominierung der Demokratischen Partei zur Präsidentschaftswahl. Der Wahlkampf müsse „sach-orientiert“ bleiben, sagte er mit einem klaren Seitenhieb auf Bill Clintons Angriffe auf ihn, denn: „In ein paar Monaten müssen wir uns zusammenraufen, weil die rechten Republikaner nicht ins Weiße Haus gelangen dürfen.“

Zweitens wiederholte er zwar die Hauptpunkte seiner Anklage gegen die Vorherrschaft der Wall Street über das wirtschaftliche und politische System der USA, wie auch seine Vorschläge für höhere Reichensteuern. Aber dann wandte er sich der Außenpolitik zu. Er versprach, den Islamischen Staat zu zerstören und „unser Land sicher zu machen“. Er versicherte damit der Wall Street und dem Militär- und Geheimdienstapparat, dass auch ein Präsident Sanders die globalen Interessen des amerikanischen Imperialismus wahren würde.

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