Perspektive

Das Weiße Haus will Verschlüsselungen verbieten

Die gerichtliche Anordnung, mit der die US-Regierung den Technologie-Konzern Apple Inc. zwingen will, eine „Hintertür“ zu seinem iOS Betriebssystem für Mobilgeräte zu schaffen, ist eine bedeutsame neue Offensive, um die Daten und Kommunikationen von jedermann auf der Welt auszuspähen.

Der Gerichtsbeschluss ergeht zu einem Zeitpunkt, da der Geheimdienstausschuss des Senats einen Gesetzentwurf vorbereitet, der Firmen Strafzahlungen androht, wenn sie gerichtlichen Anordnungen zur Entschlüsselung von Daten nicht Folge leisten. Das berichtete das Wall Street Journal am Donnerstag.

Am Dienstag hatte die Amtsrichterin Sheri Pym am US-Distriktgericht in Zentralkalifornien Apple angewiesen, ein betrügerisches Software Update zu schaffen, das von Geheimdiensten genutzt werden könne, um Zugang zu verschlüsselten Daten auf den Mobiltelefonen und Tablets des Konzerns zu erlangen.

Formal verlangt das Urteil von Apple „technische Unterstützung“ für das FBI beim Hacken eines Apple iPhones, das bei der Durchsuchung des Autos von Tafsheen Malik entdeckt wurde. Malik war einer der beiden Attentäter von San Bernardino, die am 2. Dezember 14 Menschen getötet hatten.

Apple-Chef Timothy Cook machte am Mittwoch in einem offenen Brief klar, dass das Urteil einen technischen und juristischen Präzedenzfall schaffen würde, der es der Regierung erlauben würde, jedes Telefon auf Verlangen zu hacken.

Die Gerichtsentscheidung ist ein weiterer Schritt zu dem Ziel der Geheimdienste, alle Daten abfangen und überwachen zu können, die irgendwo auf der Welt gespeichert oder übermittelt werden. Oder, wie es in einem internen Dokument heißt, das Edward Snowden veröffentlicht hat: „alles auszuspähen, alles zu sammeln, alles zu wissen, alles zu speichern und alles auszuwerten.“

Pyms Anordnung ist ein pseudojuristisches Unding. Sie stützt sich auf ein falsches Verständnis des All Writs Gesetzes von 1789, welches besagt, dass die Gerichte Anordnungen erlassen können, die dem „allgemeinen Rechtsverständnis und rechtlichen Prinzipien entsprechen“. Pyms Entscheidung ignoriert letztere Bestimmung schlicht und interpretiert das Gesetz in dem Sinn, dass die Gerichte praktisch allmächtig sind und tun können, was immer sie für „notwendig und angemessen“ halten. Das prostituiert die Justiz und gewährt der Exekutive praktisch unbegrenzte Überwachungsvollmachten.

Cook schreibt richtig: „Die Schlussfolgerungen, die sich aus den Forderungen der Regierung ergeben, sind beängstigend. Wenn die Regierung das All Writs Gesetz nutzen darf, um dein iPhone zu knacken, dann dürfte sie jederzeit in dein Gerät eindringen, um deine Daten abzugreifen. Die Regierung könnte diesen Bruch der Privatsphäre ausdehnen und von Apple verlangen, eine Überwachungssoftware zu implementieren, um Nachrichten abzufangen, deine Gesundheits- oder Finanzdaten einzusehen, deinen Aufenthaltsort festzustellen oder sogar das Mikrofon und die Kamera deines Telefons unbemerkt einzuschalten.“

In diesem Fall verlangt das Gericht von der weltgrößten Technologiefirma, „unsere eigenen Nutzer zu hacken und jahrzehntelange Bemühungen um Datensicherheit zu zerstören“, die „Dutzende Millionen amerikanische Bürger schützt.“

Die Gerichtsentscheidung verlangt von Apple, eine Version des iOS Betriebssystems zu bauen, bei dem entscheidende Sicherheitsfeatures abgeschaltet sind und dann eine gefälschte digitale Signatur zu schaffen, die den Eindruck vermittelt, das Betriebssystem befinde sich im originalen Zustand und könne unbedenklich installiert werden. Das würde dann dem FBI ermöglichen, das Passwort des Telefons mit einem „brute force“ Angriff zu hacken und Zugang zu den Daten in dem Telefon zu erlangen.

Wenn eine solche Software einmal entwickelt ist, gibt es keine Möglichkeit, zu verhindern, dass sie von den Geheimdiensten umfassend benutzt wird

Das Urteil ist der jüngste Versuch der Obama-Regierung, das Ausspionieren der Bevölkerung durch die Regierung auszuweiten, nachdem Edward Snowden 2013 die massiven illegalen Überwachungsprogramme der Regierung offengelegt hatte. Im Mai 2015 verabschiedete der Kongress das USA Freedom Gesetz, das den Anschein erwecken sollte, die illegale Überwachung durch die Regierung sei beendet, während sie in lediglich leicht abgewandelter Form weiterging.

Nach den Terroranschlägen vom November 2015 in Paris und dem Massenmord in San Bernardino im Dezember gab das Weiße Haus seiner Offensive eine andere Stoßrichtung und verlangte, dass Elektronik- und Computerhersteller Hintertüren in ihre Geräte einbauen, mit denen die Verschlüsselung geknackt werden kann.

Das entspricht völlig der Bilanz der Obama-Regierung in Fragen demokratischer Rechte. Das Weiße Haus hat unter Obama zweimal so oft Journalisten und Informanten wegen der Weitergabe geheimer Informationen angeklagt, wie alle früheren Regierungen zusammen. Chelsea Manning wurde ins Gefängnis gesteckt und gegen Edward Snowden und WikiLeaks-Gründer Julian Assange wurden Hexenjagden entfesselt.

Unter Obama hat sich das Weiße Haus geweigert, die Verantwortlichen in der Bush-Regierung für Folter vor Gericht zu stellen und sich stattdessen mit CIA-Direktor John Brennan zur Unterdrückung des Folterberichts des Geheimdienstausschusses des Senats verschworen. Als danach bekannt wurde, dass Brennan die Computer der Mitarbeiter des Senatsausschusses überwacht hatte, verteidigte ihn die Regierung,

Außerdem ist Obama der erste Präsident, der das Recht für sich in Anspruch genommen hat, amerikanische Bürger ohne ein Gerichtsurteil töten zu lassen, sogar innerhalb der Vereinigten Staaten. Bis heute hat das Drohnenmordprogramm des Weißen Hauses Tausende Menschen in Pakistan, dem Jemen und anderen Ländern das Leben gekostet, darunter auch vier amerikanischen Staatsbürgern.

Jetzt verschärft das Weiße Haus die Kriege im Nahen Osten und manövriert die Welt an den Rand eines Konflikts mit Russland und China. Um die Opposition in der Bevölkerung gegen Krieg, Angriffe auf demokratische Rechte und soziale Ungleichheit einzuschüchtern, versucht es jetzt, verschlüsselte Kommunikation zu unterdrücken.

Niemand sollte sich der Illusion hingeben, dass Konzerne wie Apple, die in der Vergangenheit bei illegaler Ausspähung mit Geheimdiensten zusammengearbeitet haben, und deren Gewissensbisse jetzt auf finanziellen Überlegungen beruhen, wirklich bereit und in der Lage wären, erfolgreich gegen die Kriminalisierung von Verschlüsselung vorzugehen.

Die Verteidigung demokratischer Rechte erfordert den Aufbau einer Massenbewegung der Arbeiterklasse im Kampf gegen Krieg und soziale Ungleichheit. Diese Bewegung muss mit einem sozialistischen Programm bewaffnet sein und für die Reorganisierung der Gesellschaft kämpfen, um die sozialen Bedürfnisse zu befriedigen und nicht privates Profitstreben.

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