Linksfraktion nimmt Kurs auf Rot-Rot-Grün in Berlin

Am vergangenen Wochenende hielt die Berliner Linkspartei eine Fraktionsklausur im thüringischen Erfurt unter dem Titel „Berliner Herausforderungen – Erfurter Erfahrungen“ ab. Das Treffen fand bezeichnenderweise im gleichen Saal eines Erfurter Hotels statt, in dem die thüringische Linkspartei im November 2014 ihre Koalition mit der SPD und den Grünen ausgehandelt hatte. An der Tagung nahm auch der erste „linke“ Ministerpräsident Deutschlands, Bodo Ramelow, teil. Er reiste direkt aus Rom an, wo er eine Privataudienz bei Papst Franziskus hatte.

Die Botschaft des Treffens war unmissverständlich. Bei den anstehenden Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus im September strebt die Linkspartei wie in Thüringen eine Regierungskoalition mit den Hartz-IV- und Kriegsparteien SPD und Grüne an. „CDU und SPD können und wollen nicht mehr miteinander“, erklärte Fraktionschef Udo Wolf gleich zu Beginn der Klausur, „insofern steht Rot-Rot-Grün als Option.“ Thüringen zeige, „dass eine Dreierkonstellation funktionieren kann“, und man sei bereits „sehr detailliert vorbereitet auf eine Regierungsbeteiligung“, so Wolf.

Arbeiter und Jungendliche sollten dies als Warnung verstehen. Nachdem die Linkspartei von 2001 bis 2011 in Berlin in der Regierung saß und gemeinsam mit der SPD eine soziale Katastrophe angerichtet hat, bereitet sie sich nun darauf vor, diese Politik in einem rot-rot-grünen Bündnis mit noch größerer Brutalität fortzusetzen.

Was sind die „Erfurter Erfahrungen“, an denen sich die Berliner Linkspartei orientieren will?

Seitdem Rot-Rot-Grün in Thüringen an der Macht ist, spielen die Landesregierung und allen voran Ramelow selbst eine wichtige Rolle dabei, die reaktionäre Politik der Bundesregierung umzusetzen. Dazu gehören unter anderem ein extrem wirtschaftsfreundlicher Kurs (Ramelow prahlt damit, „investorenfreundlicher“ als die CDU zu sein), die massenhafte Abschiebung von Flüchtlingen und die offene Propagierung des deutschen Militarismus.

In den letzten Wochen machte Rot-Rot-Grün vor allem durch steigende Zahlen bei Abschiebungen von sich reden. Laut Aussagen des thüringischen Ministers für Migration, Justiz und Verbraucherschutz, Dieter Lauinger (Grüne), wurden im vergangenen Jahr 460 Menschen abgeschoben. Laut einem Bericht der Thüringer Allgemeinen waren das „etwa doppelt so viel wie noch vor Jahren“. Insgesamt seien sogar 1600 Menschen „wieder gegangen“, 1154 davon jedoch angeblich „freiwillig“.

Im Interview mit der Thüringischen Landeszeitung prahlte Lauinger jüngst: „Wenn man betrachtet, wie viele Menschen Thüringen verlassen haben, weil es weder Asylgrund noch Duldung gab, dann ist das prozentual gesehen mehr als im Vergleich zu Sachsen.“

Seit Ende letzten Jahres organisiert die von der Linkspartei geführte Landesregierung regelmäßig Massenabschiebungen. Bereits Ende 2015 schrieb die Thüringer Allgemeine: „Zuletzt waren bei mehreren, in der Nacht durchgeführten Massenabschiebungen fast 200 Menschen auf den Balkan zurückgeflogen worden. Betroffen waren vor allem Familien mit Kindern, die teilweise bereits etliche Jahre in Deutschland lebten.“

Eine Pressemitteilung der Organisation „Roma Thüringen“ beschreibt die brutale Sammelabschiebung mehrerer Roma-Familien mit Kindern am 16. Dezember aus Erfurt nach Belgrad. „Die Betroffenen erwachten in der besagten Nacht dadurch, dass PolizistInnen plötzlich in ihrem Zimmer neben dem Bett standen und das Licht anschalteten. Sie hatten vorher weder geklingelt noch angeklopft. Den Menschen wurde außerdem das Telefon abgenommen, als sie Andere von ihrer Abschiebung benachrichtigen wollten. Damit wurde ihnen auch der Kontakt zu AnwältInnen verwehrt.“

Offenbar geht das der Linkspartei lange nicht weit und schnell genug. Am gleichen Wochenende, an dem die Fraktionsklausur tagte, billigten die rot-rot-grüne Landesregierung in Thüringen und auch das rot-rot regierte Land Brandenburg das Asylpaket II im Bundesrat, das das Grundrecht auf Asyl weiter beschneidet und zügigere Abschiebungen ermöglichen soll.

Lauinger schreckte im Bundesrat nicht davor zurück, das Gesetz von rechts anzugreifen. Gleich zu Beginn seines Redebeitrags erklärte er: „Das Gesetz hat zum Ziel, beschleunigte Asylverfahren zu ermöglichen. Ob das Gesetz diese Ziel erreicht, ist meiner Ansicht nach fraglich. Beschleunigungen im Asylverfahren erzielen wir vor allem dadurch, dass wir die Kapazitäten beim Bamf erhöhen, mehr Mitarbeiter einstellen und tatsächlich Regelungen schaffen, um 700.000 Altverfahren abzuarbeiten.“

Die reaktionäre Flüchtlingspolitik von Rot-Rot-Grün geht dabei Hand in Hand mit der Verherrlichung der Bundeswehr und des deutsche Militarismus.

In einem Interview mit Jakob Augstein im Freitag stellte sich Ramelow hinter „humanitäre“ Einsätze der Bundeswehr und deren Einsatz im Inland. Unter dem Titel, „Wir brauchen Mehrheiten links der Mitte“, sagte er: „Mir ist es lieber, die Bundeswehr wird eingesetzt, um Menschen zu retten. Zwischen Lampedusa und Afrika zum Beispiel. Oder zu Hause. Uns unterstützen derzeit 1.000 Soldatinnen und Soldaten bei der Unterbringung von Flüchtlingen. Ich hab noch nie so viele Kerle gesehen, wie sie Frauen- und Kinderkleider sortieren. Unsere Bundeswehr leistet Großartiges bei der Flüchtlingsunterbringung in Thüringen. Dafür bedanke ich mich.“

Bereits im letzten Frühjahr hatte Ramelow als Hauptziel von rot-rot-grünen Regierungen die Überwindung der pazifistischen Grundhaltung der deutschen Bevölkerung und die Entwicklung einer neuen deutschen Großmachtpolitik nach zwei verlorenen Weltkriegen ausgeben. In einem Interview mit der Rheinischen Post unter dem vielsagenden Titel „Pazifismus ist nichts für Deutschland“ erklärte er zynisch, dass er zwar „Hochachtung für jeden“ habe, „der für sich sagt: ich bin Pazifist“. Dies sehe er allerdings „nicht als Handlungskonzept für eine Nation wie Deutschland“.

Auf die Frage, worüber er „denn mit SPD und Grünen reden“ wolle, antwortete Ramelow, es müsse um „eine Reform der Nato“ und „eine neue Weltfriedensarchitektur“ gehen. Ihn beschäftige „seit vielen Jahren die Frage, ob nicht jeder Kontinent für seine eigene Sicherheit Verantwortung übernehmen sollte. In einem Weltfriedensrat säßen dann die Sicherheitsorganisationen aller Kontinente und nicht mehr die Anti-Hitler-Koalition als immerwährendes Weltsicherheitssystem.“

Wir schrieben damals: „Ramelows Forderung hat nicht nur revanchistische Untertöne, der thüringische Ministerpräsident verbindet sie direkt mit einem Plädoyer für das deutsche Militär und für Aufrüstung.“ Er erklärte: „Für mich ist die Bundeswehr als Verteidigungsarmee nötig, für mich sind die Standorte der Bundeswehr in Thüringen wichtig. Und ich finde es nicht in Ordnung, dass die Bundeswehr schlechte Gewehre, schlechte Schiffe und schlechte Hubschrauber hat.“

Aktuell gehört Ramelow zusammen mit dem grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg zu den ausgesprochensten Anhängern der Außen- und Flüchtlingspolitik Angela Merkela (CDU), die zunehmend die Form einer Militarisierung Europas unter deutscher Führung annimmt.

Eine rot-rot-grüne Landesregierung in Berlin nach Thüringer Vorbild würde diesen Kurs weiter stärken.

Es passt ins Bild, dass der designierte Spitzenkandidat der Linkspartei in Berlin, Klaus Lederer, ein Mitglied des „Forum demokratischer Sozialismus“ (FDS), einer rechten Strömung innerhalb der Linkspartei ist. Der Vorsitzende des FDS ist kein anderer als Stefan Liebich, der als einer der führenden Außenpolitiker der Linkspartei an der Ausarbeitung des Strategiepapiers „Neue Macht – neue Verantwortung“ beteiligt war, der Blaupause für die Rückkehr des deutschen Militarismus.

Innenpolitisch würde die Linkspartei neben der restriktiven Flüchtlingspolitik vor allem die Spar- und Privatisierungspolitik verschärfen. Dies macht das gerade erschienene Buch des früheren „linken“ Berliner Wirtschaftssenators Harald Wolf deutlich. Unter dem Titel „Rot-Rot in Berlin – 2002-2011: eine (selbst-) kritische Bilanz“ lobt Wolf ausdrücklich den von der Linkspartei organisierten sozialen Kahlschlag.

Wolf nennt die milliardenschwere „Risikoabschirmung“ der Berliner Bank, die er zynisch als „bitteren Apfel“ bezeichnet, den „Sündenfall“ der Privatisierung der GSW, der die Mieten in Berlin explodieren ließ, und „politische Entscheidungen mit hohem Symbolwert, wie z.B. die Kürzung des Blindengelds und die vorübergehende Abschaffung des Sozialtickets“. Ein Kapitel trägt den Titel: „Die Politik der Haushaltskonsolidierung“.

Wolf und die Linkspartei sind auf all diese Maßnahmen, die Hunderttausende Berliner in die Armut getrieben haben, erklärtermaßen stolz. In seinem Fazit schreibt er: „Am Ende der rot-roten Ära waren die Berliner Finanzen wieder stabilisiert – auch wenn die heute knapp 60 Mrd. Euro Schulden bei wieder steigenden Zinsen ein nach wie vor erhebliches Risiko darstellen.“ Angesichts dieser Bilanz könne man feststellen: „Die Sanierungsarbeit der rot-roten Koalition war erfolgreich.“

25 Jahre nachdem die Linkspartei als SED/PDS den Kapitalismus in Ostdeutschland restauriert hat und damit auch die Grundlage für die erneute Entfesselung des deutschen Militarismus legte, präsentiert sie sich heute als die bessere und effektivere kapitalistische Partei. So schreibt das frühere Mitglied der pablistischen Gruppe Internationale Marxisten Wolf zynisch: „Rot-rot vollzog [in Berlin] eine Transformation von einem parasitär-klientelistischen Modell zu einem Modell ‚normaler‘ kapitalistischer Entwicklung.“

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