Berliner Innensenator informiert sich über chinesische Polizeimethoden

Am vergangenen Wochenende reisten Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) und Polizeipräsident Klaus Kandt auf Einladung des chinesischen Ministeriums für öffentliche Sicherheit nach China. Henkel und Kandt besuchten die Städte Peking und Shanghai, um sich dort unter anderem mit dem Pekinger Polizeipräsidenten und dem stellvertretendem Bürgermeister zu beraten.

„Wir haben uns ausgetauscht über die Sicherung von Großveranstaltungen, die Terrorabwehr und die Organisierte Kriminalität“, erklärte Henkel nach seiner Rückkehr aus China im Tagesspiegel. Hintergrund des Besuchs sei „die zehnjährige polizeiliche Kooperation“, die sein Vorgänger Ehrhart Körting (SPD), der Innensenator der rot-roten Vorgängerregierung, abgeschlossen habe. „Wenn man solche Partnerschaften eingeht, muss man sie auch mit Leben erfüllen“, so Henkel.

Auf die Frage des Tagesspiegel, ob es wirklich „eine gute Idee“ sei, „von einem Polizeistaat wie China etwas über öffentliche Sicherheit lernen zu wollen“, antwortete Henkel ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen: „Ein Austausch kann nie schaden. Wir haben uns zum Beispiel über den Einsatz und die Führungsstruktur von Spezialeinsatzkräften unterhalten, das wird auch beim Gegenbesuch der Chinesen wieder Thema sein.“

Henkels eigene Aussagen bestätigen, dass die Berliner Eliten nicht „nur“ mit autoritären Regimes zusammenarbeiten, um ihre wirtschaftlichen Interessen zu verfolgen oder diplomatische Initiativen voranzutreiben. Sie kooperieren auch mit autoritären Regimen wie der stalinistischen Diktatur in China und der Militärjunta al-Sisis in Ägypten, um von deren Methoden zu „lernen“ und ihren eigenen Polizeistaat aufzubauen.

Schon in der Pressemitteilung, die der SPD-geführte Berliner Senat vor der Reise veröffentlichte, hieß es ganz offen, dass sich Henkel und Kandt „in Peking unter anderem über die Arbeitsweise der SWAT-Abteilung informieren“.

Um ein Bild davon zu bekommen, über was genau sich der Berliner Innensenator und sein Polizeichef da „informiert“ haben, genügt ein Blick auf Wikipedia. Chinesische SWAT-Einheiten wie die „Immediate Action Unit“ sind hochgerüstete paramilitärische Kampfeinheiten, die vor allem zur „inneren Notstandsbekämpfung“ eingesetzt werden. So verfügt ein einzelner Kämpfer der Elite-Einheit „Snow-Leopard Commando Unit“ über eine Ausrüstung im Wert von über 40.000 Euro, darunter Maschinengewehre und gepanzerte Fahrzeuge.

Welche Absichten Henkel verfolgt, zeigen jüngste Ereignisse in Berlin. Unter dem Motto „starkes Berlin“ fährt die CDU in der bevorstehenden Landtagswahl einen Law-and-Order-Wahlkampf, in dessen Mittelpunkt Großrazzien gegen „Ausländerkriminalität“, Massenabschiebungen von Flüchtlingen, aber auch Attacken auf die Berliner Bevölkerung stehen.

Im Justizapparat setzt der Senat auf einen strammen Rechtskurs. Gerade in diesen Tagen wurde bekannt, dass die Justizbehörde den Staatsanwalt Roman Reusch, der im Landesvorstand der rechtsextremen Partei AfD in Brandenburg sitzt, zum Leitenden Oberstaatsanwalt befördert hat. Er soll die Abteilung „Auslieferung ausländischer Straftäter“ leiten.

Im Januar überfielen fünf Hundertschaften und zwei Sondereinsatzkommandos ein von der alternativen Szene bewohntes Haus in Friedrichshain. Ausgerechnet am Tag vor seiner Abreise nach China sanktionierte Henkel einen provokativen Polizeiangriff auf die Alice Salomon Hochschule, die sich gegen Rassismus engagiert.

Derartige Einsätze erinnern an Methoden, mit denen paramilitärische Spezialkräfte in autoritären Staaten gegen die Bevölkerung vorgehen. Es passt ins Bild, dass Kandt nach seiner Ausbildung beim Bundesgrenzschutz bei der Spezialeinheit GSG9 und anschließend im Sondereinsatzkommando (SEK Berlin) aktiv war. Der ehemalige Generalleutnant der Bundeswehr und spätere Staatssekretär für Sicherheitspolitik, Bundeswehrplanung und Rüstung im Verteidigungsministerium Jörg Schönbohm holte ihn als Polizeipräsident erst nach Potsdam und 2012 nach Berlin.

Seitdem die Bundesregierung die Beteiligung an Auslandseinsätzen im Nahen Osten und Nordafrika vorantreibt und Millionen Menschen aus den Kriegsgebieten fliehen, nutzt der Berliner Senat die entstandene Situation, um den Polizei- und Sicherheitsapparat systematisch aufzurüsten.

Nach den Anschlägen von Paris am 13. November 2015 hat der Senat eine massive Aufrüstung der Mobilen Einsatzkommandos (MEK) und Spezialeinsatzkommandos (SEK) beschlossen. Die Gelder für „Sachmittel“ – darunter neue Waffen, Schutzhelme, ballistische Westen etc. – wurden auf 7,8 Millionen Euro pro Haushaltsjahr erhöht.

„Dieses Paket ist die richtige Antwort auf die aktuelle Sicherheitslage“, erklärte Henkel am 23. November. „Es ist unsere Pflicht, alles dafür zu tun, dass unsere Polizei für diese Herausforderung gewappnet ist.“ Kandt beklagte: „Die bisherige Ausstattung ist nicht mehr zufriedenstellend.“

Von der Opposition wird die Aufrüstung der Berliner Polizei unterstützt. Benedikt Lux, der Innenexperte der Grünen, die wie die Linkspartei regelmäßig mehr Polizeikräfte fordern, beschwerte sich jüngst, dass die versprochenen Waffen nicht schon längst angeschafft worden seien. „Eine derartige Ausschreibung“ lasse „sich guten Willens auch in zwei Monaten realisieren“, zitierte ihn die Berliner Zeitung. Es sei „fahrlässig, wie hier mit dem Ausrüstungsbedarf umgegangen wird“.

Was steckt hinter dieser massiven Aufrüstung und was treibt Henkel und Kandt an die Seite des Polizeiregimes in Peking?

Das chinesische stalinistische Regime, an dessen Händen noch das Blut des Massakers auf dem Tianmen-Platz von 1989 klebt, bereitet sich auf die Niederschlagung von Streiks und Arbeiterprotesten vor, die sich mit den wachsenden Problemen der chinesischen Wirtschaft und angekündigten Massenentlassungen immer weiter ausbreiten.

Nach einem Bericht von Amnesty International traten schon 2014 „so viele Arbeiternehmer wie noch nie in den Streik und forderten höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen“. Andere Berichte von Anfang dieses Jahres zeigen, dass das Regime nicht nur gegen Menschenrechtler oder Künstler vorgeht, sondern mehr und mehr gegen die Arbeiter.

Die in Hongkong ansässige Organisation „China Labor Bulletin“ hat im vergangenen Jahr 2606 Arbeitskonflikte in der Volksrepublik registriert, während es im Vorjahr 1379 waren. Im November vergangenen Jahres zählte die Organisation mit 301 Zwischenfällen die höchste Zahl von Arbeitskonflikten in einem Monat.

Auch der Berliner Senat rüstet sich für Auseinandersetzungen in der Hauptstadt, die sich mit der sozialen Spaltung, der Flüchtlingskrise und dem wachsenden Militarismus zuspitzen werden.

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