Österreich: Keine Alternative in der Stichwahl um die Präsidentschaft

Am kommenden Sonntag findet in Österreich die zweite Runde der Präsidentschaftswahl statt. Die erste Runde hatte Norbert Hofer, der Kandidat der rechtsextremen Freiheitlichen Partei (FPÖ), mit 35 Prozent der Stimmen klar gewonnen. Zweitplatzierter war mit 21 Prozent der Grüne Alexander Van der Bellen, der nun in der Stichwahl gegen Hofer antritt. In den Umfragen liegt Hofer derzeit rund 13 Prozent vor seinem Kontrahenten.

In einem Kommentar hatten wir den Wahlerfolg der FPÖ in der ersten Runde als „Warnsignal für ganz Europa“ bezeichnet: „Er zeigt, dass der Aufstieg der Rechten sowie die Rückkehr von Nationalismus, Rassismus und Krieg unvermeidlich sind, wenn das Schicksal Europas den etablierten Parteien überlassen bleibt und die Arbeiterklasse nicht unabhängig ins politische Geschehen eingreift.“

Der seitherige Wahlkampf hat diese Warnung bestätigt. Hinter dem 72-jährigen Wirtschaftsprofessor Van der Bellen, der jahrelang den Grünen vorstand aber formal als Unabhängiger ins Rennen ging, hat sich alles versammelt, was unter breiten Bevölkerungsschichten verhasst und diskreditiert ist. Dabei vertritt Van der Bellen ein rechtes Programm, das sich in vielen Fragen kaum von dem der FPÖ unterscheidet.

Im sogenannten „Personenkomitee“ des grünen Kandidaten – das sind Prominente, die sich unter Nennung ihres Namens für ihn einsetzen – finden sich führende Vertreter der konservativen Volkspartei (ÖVP) und der Sozialdemokratie (SPÖ), die das Land jahrzehntelang abwechselnd oder gemeinsam regiert haben, sowie zahlreiche führende Köpfe der Wirtschaft.

Unter anderem haben sich die ehemaligen ÖVP-Vorsitzenden Erhard Busek, Wilhelm Molterer, Josef Riegler und Josef Pröll, der ehemalige Präsident der Österreichischen Nationalbank Claus Raidl, der Generalsekretär des Sparkassenverbands Michael Ikrath, Ex-Rewe-Vorstand Werner Wutscher und Ex-Siemens-Managerin und SPÖ-Politikerin Brigitte Ederer hinter Van der Bellen gestellt. Auch die Herausgeber des Gourmet-Führers Gault-Millau, Karl und Martina Hohenlohe, unterstützen den Grünen.

Die Wiener Sozialdemokraten haben ihm ihre Plakatständer für die Wahlwerbung überlassen. Der neue SPÖ-Chef und Bundeskanzler Christian Kern hat zwar keine offizielle Wahlempfehlung abgegeben, jedoch öffentlich erklärt: „Ich wähle Alexander Van der Bellen.“ Gleichzeitig hat der ehemalige Bahnmanager zu erkennen gegeben, dass die Sozialdemokraten unter seiner Führung zu einer engeren Zusammenarbeit mit der rechtsextremen FPÖ bereit sind.

Die Unterstützung breiter Teile der politischen und wirtschaftlichen Prominenz für den grünen Kandidaten ist nicht so sehr darauf zurückzuführen, dass die den Einzug eines Rechtsextremen in die Wiener Hofburg verhindern wollen. Vielmehr gehen sie davon aus, dass sich der Sozialabbau und andere wirtschaftliche „Reformen“, die auch der neue Kanzler Kern in Angriff nehmen will, unter einem Präsidenten Van der Bellen reibungsloser durchführen lassen als unter Hofer.

Ein von zahlreichen konservativen Politikern unterzeichneter Appell für Van der Bellen drückte die Erwartung aus, dass dieser auch die anstehenden Reformen anschieben werde. Dabei hoffe man auf einen positiven Beitrag zur Lösung der aufgestauten Probleme, wozu „Protest und ‚Nein-Sagen‘, Suche nach Sündenböcken und leere Parolen“ nicht taugten.

Das Staatsoberhaupt hat zwar weitgehend repräsentative Aufgaben, ist aber laut Verfassung auch Oberbefehlshaber des Bundesheeres und kann in bestimmten Fällen das Parlament auflösen. Hofer hatte im Wahlkampf gedroht, er werde von diesen Vollmachten exzessiv Gebrauch machen.

Der einzige wesentliche Unterscheid zwischen Hofer und Van der Bellen besteht in der Haltung zu Europäischen Union. Während der FPÖ-Kandidat als Gegner der EU auftritt, verteidigt sie der Grüne vehement – einschließlich dem brutalen Spardiktat für Griechenland und der Abschottung der Außengrenze gegen Flüchtlinge.

Ansonsten unterscheiden sich Van der Bellens Standpunkte in der Flüchtlingsfrage kaum von jenen Hofers, der die Hetze gegen Flüchtlinge zu einem zentralen Thema seines Wahlkampfs gemacht hat.

Im Januar hatte Van der Bellen der Presse erklärt, als Präsident würde er die „besten Verfassungsjuristen in die Hofburg bitten”, um eine Obergrenze für Flüchtlinge auch rechtlich abzusichern. Weiter sagte er, bei 500.000 Arbeitslosen solle man Wirtschaftsflüchtlinge „sehr zurückhaltend“ aufnehmen.Im Ö1-Morgenjournal bekräftigte er die Differenzierung zwischen Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlingen. Er bestritt, dass es sich dabei um eine neue Sichtweise handle: „Das war immer schon so.“

Van der Bellen hatte innerhalb der Grünen Partei über Jahre als rechter Einpeitscher agiert und sie gerade in Asylfragen auf einen stramm rechten Kurs getrieben. In einem Interview erklärte er dazu, man müsse „Probleme benennen können, ohne dass gleich die ‚grüne Würde‘ verletzt wird“.

Wie wenig sich die inhaltlichen Standpunkte der beiden Kandidaten unterscheiden, zeigte am Sonntag eine Debatte im österreichischen Privatsender ATV, bei der sich die beiden 45 Minuten lang ohne Moderation, ohne Regeln und ohne Publikum verbal duellierten.

Wer erwartet hatte, der distinguierte Wirtschaftsprofessor werde dem rechten Demagogen mit demokratischen Grundsätzen entgegentreten, sah sich getäuscht. Die Sendung wurde zu einem Fiasko. „Schlamm-Catchen“, „unterstes Niveau“ und „peinlich“ waren noch die freundlichsten Kommentare über den TV-Auftritt. Der Politikwissenschaftler Thomas Hofer resümierte: „Beide blamiert, Amt beschädigt“. Selbst das rechtspopulistische Boulevard-Blatt Kronen Zeitung nannte das Ganze eine „unwürdige Farce“.

Die Diskussion beschränkte sich im Wesentlichen auf unpolitische Vorhaltungen und Gezänk. So warf Hofer seinem Gegner vor, „oberlehrerhaft“ zu sein und nur „nachzuplappern“. Van der Bellen sagte: „Sie verstehen nichts von Wirtschaftspolitik“, worauf Hofer erwiderte: „Sie haben noch nie in der Wirtschaft gearbeitet.“

Politische Themen wurden höchstens gestreift. Viele Kommentare warfen Van der Bellen vor, sich auf das Niveau von Hofer begeben zu haben.

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