Perspektive

USA: Politische Aufgaben im Verizon-Streik

Der Streik von 40.000 Beschäftigten von Verizon Communications in den USA ist an einem kritischen Punkt angelangt. Am Wochenende schaltete sich die Obama-Regierung ein, um den Streik, der schon über vier Wochen dauert, zu beenden und das Diktat des Telekommunikationsriesen durchzusetzen. Nach einem Treffen mit US-Arbeitsminister Thomas Perez am Sonntag kamen der Verizon-Vorstand und die Gewerkschaften am Dienstag zu Gesprächen zusammen.

Verizon ist entschlossen, tausende von Arbeitsplätzen abzubauen, die Kosten für Krankenversicherung und Renten den Arbeitern aufzubürden und die Belegschaft auf den Status von Gelegenheitsarbeitern zu degradieren.

Der Verizon-Streik ist Teil einer Reihe neuer militanter Arbeitskämpfe auf der ganzen Welt. Überall greifen Konzerne und Regierungen die Arbeitsplätze, Löhne und den Lebensstandard der Arbeiterklasse unablässig an. Im letzten Jahr streikten in Amerika bereits die Ölarbeiter, und die Autoarbeiter leisteten passiven Widerstand gegen einen Tarifvertrag, mit dem die Autoarbeitergewerkschaft United Auto Workers (UAW) die Interessen der drei großen Autokonzerne durchsetzen wollte. Gleichzeitig kam es zu Arbeitskämpfen der Lehrer in Detroit und Protesten, Demonstrationen und Kundgebungen von Arbeiterfamilien in Flint, im Bundesstaat Michigan, gegen die Verseuchung des Trinkwassers durch Blei.

In Griechenland finden Massenstreiks gegen die brutalen Sparmaßnahmen der pseudolinken Syriza-Regierung statt. In Frankreich gehen Arbeiter und Schüler gegen Sozialkürzungen und die reaktionäre „Arbeitsreform“ der Sozialistischen Regierung auf die Straße, und auch in China und Indien branden neue Streikwellen auf.

Alle Teile der Arbeiterklasse und der Jugend sind Angriffen ausgesetzt, entweder durch Entlassungen und tarifliche Verschlechterungen, oder weil ihnen Strom und Wasser abgestellt wird, oder weil sie sich durch hohe Ausbildungs- und Studienkosten extrem verschulden müssen. Alle diese Angriffe haben eines gemeinsam: Ihre Ursache ist der Bankrott und das Scheitern des Kapitalismus.

Das macht deutlich, dass es sich um einen politischen Kampf handelt und ausnahmslos alle Arbeiter, unabhängig von Herkunft und Alter sich zu einer gemeinsamen massiven Gegenoffensive gegen die Wirtschaftselite und alle ihre Parteien zusammenschließen müssen.

Schon die Einmischung der Obama-Regierung verdeutlicht, dass sich die Streikenden in einem politischen Kampf befinden. Sie sind nicht nur mit einem einzelnen Unternehmen konfrontiert, sondern mit der ganzen Unternehmerklasse und dem kapitalistischen Staat. Vor dem Treffen mit dem Arbeitsminister hatten sich letzte Woche bereits das National Labor Relations Board (NLRB) und die Gerichte eingemischt. Mit ihrer Unterstützung konnte der Verizon-Konzern sein Verbot von Streikposten vor den Quartieren seiner Streikbrecher in New Yorker Hotels durchsetzen.

Kurz vor diesem Verbot hatte ein New Yorker Polizist mit einem Kleinbus voller Streikbrecher eine Streikpostenkette durchbrochen und dabei einen Streikenden umgefahren und verletzt. Der Vorfall zeigt, dass die New Yorker Polizei, die dem Demokratischen Bürgermeister Bill de Blasio unterstellt ist, den Streikbruch bei Verizon aktiv unterstützt.

Die Gewerkschaften sind Teil dieser unheiligen Allianz gegen die Verizon-Arbeiter. Genau wie in allen früheren Kämpfen, den Streiks der Ölarbeiter, Stahlarbeiter oder Lehrer, versuchen sie vorsätzlich, die Arbeiter zu isolieren, zu demoralisieren und in die Knie zu zwingen, um die Ziele der Unternehmen durchzusetzen. Die Communications Workers of America (CWA) und die International Brotherhood of Electrical Workers (IBEW) unternehmen nichts gegen den Streikbruch des Konzerns, sondern hungern die Arbeiter durch Zahlung von völlig unzureichenden Streikgeldern aus. Sie unterstützen die Demokratische Partei, eine der zwei Parteien des Großkapitals, obwohl diese die Angriffe der Polizei organisiert und alles tut, um den Kampf zu unterdrücken.

Die Gewerkschaften haben dafür gesorgt, dass die Arbeitsniederlegungen unter Obama auf ein beispiellos niedriges Niveau gesunken sind, wie unter keinem andern Präsidenten mit zwei Amtszeiten seit Beginn der Aufzeichnungen 1947. Unter der Obama-Regierung stagnieren die Löhne über den längsten Zeitraum seit der Großen Depression. Fast alle Einkommenszuwächse des angeblichen „Aufschwungs“ seit 2009 gingen an das oberste Bevölkerungsprozent.

Letzte Woche hat die CWA die Polizei gerufen, um Reporter der World Socialist Web Site von den Streikposten zu vertreiben. Das ist ein sicheres Anzeichen dafür, dass die Gewerkschaften den Verrat des Streiks vorbereiten. Wie tausende Streikende wissen, ist die WSWS das einzige Medium, das die Wahrheit über den Streik verbreitet, die Arbeiter zu Wort kommen lässt und sich dafür einsetzt, dass die ganze Arbeiterklasse den Streik unterstützt.

Die WSWS ist die authentische Stimme des revolutionären Sozialismus – ganz im Gegensatz zum falschen Sozialismus des Demokratischen Präsidentschaftskandidaten Bernie Sanders. Die Gewerkschaften propagieren Sanders und haben seine Alibi-Stippvisite an einem Streikposten gefeiert, mit dem er vor der Vorwahl in New York auf Stimmenfang gehen wollte. Dabei wissen sie genau, dass er nicht für die breite Masse der Arbeiter steht, sondern für die Bürokraten. Vor allem unterstützen sie Sanders' Wirtschaftsnationalismus, mit dem er amerikanische Arbeiter gegen ihre Kollegen in Mexiko, den Philippinen und Kanada aufhetzt und sie vor den Karren ihrer „eigenen“ Arbeitgeber spannen will.

Die Verizon-Arbeiter haben zwar mächtige Gegner, aber ihre Verbündeten, die nur auf eine Mobilisierung warten, sind weitaus stärker: Es sind die Arbeitermassen in den USA und auf der ganzen Welt. Deshalb fordere ich als Präsidentschaftskandidat der amerikanischen Socialist Equality Party (SEP) die Verizon-Beschäftigten auf, den Gewerkschaften die Kontrolle über den Streik zu entreißen und für eine breite Mobilisierung der Arbeiterklasse zu kämpfen.

Die SEP schlägt den Aufbau von Basiskomitees durch die Verizon-Beschäftigten vor, um den Kampf unabhängig von den Gewerkschaften und der Demokratischen Partei zu führen. Diese Arbeiterkomitees müssen Autoarbeiter, Lehrer, Jugendliche, Arbeitslose und Rentner zur Unterstützung des Streiks aufrufen. Organisiert Massendemonstrationen! Mobilisiert die gesamte Arbeiterklasse!

„Jeder Klassenkampf ist ein politischer Kampf“, sagte einst der Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus, Karl Marx. Das ist heute noch genauso wahr wie damals.

Es ist notwendig, eine politische Massenbewegung auf der Grundlage eines sozialistischen und internationalistischen Programms zu entwickeln, damit die Ursache für Ungleichheit, Armut und Krieg: das kapitalistische System, beseitigt werden kann.

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