Perspektive

Die Krise des Kapitalismus und die Verteidigung demokratischer Rechte

Die Bundespräsidentenwahl in Österreich am Sonntag endete zunächst mit einem Patt zwischen Norbert Hofer von der rechtsextremen FPÖ und Alexander Van der Bellen von den Grünen. Erst nach Auszählung der Briefwahlstimmen konnte sich Van der Bellen am Montag mit dem minimen Vorsprung von 31.000 Stimmen gegen Hofer durchsetzen, der ansonsten das erste Staatsoberhaupt eines europäischen Landes seit 1945 geworden wäre, dessen Partei ihre Ursprünge auf die Nazis zurückführt.

Vor dreißig Jahren löste die Enthüllung, dass der österreichische Bundespräsident Kurt Waldheim ein ehemaliges NSDAP-Mitglied war, einen politischen Skandal aus. Heute ist Hofers Aufstieg Teil einer wachsenden und sich zunehmend durchsetzenden internationalen Entwicklung, die in herrschenden Kreisen beträchtliche Unterstützung genießt. In einem Land nach dem anderen werden rechte und autoritäre Kräfte mobilisiert, um die Wut und Frustration breiter Bevölkerungsmassen auf die traditionellen Parteien der herrschenden Klasse in andere Kanäle zu lenken.

Zu dieser Entwicklung gehören der Aufstieg des Front National in Frankreich, der Alternative für Deutschland, der UK Independence Party, neofaschistischer Kräfte in der Ukraine und der Wahlsieg von Rodrigo Duterte auf den Philippinen. Besonders bedeutsam ist, dass mit der bevorstehenden Nominierung Donald Trumps zum Republikanischen Präsidentschaftskandidaten eine der beiden großen Parteien der USA von einer Person geführt wird, deren Programm und Orientierung eindeutig faschistisch geprägt ist.

Der weltweite Zusammenbruch demokratischer Institutionen resultiert aus der anhaltenden globalen Wirtschaftskrise, dem extremen Anwachsen von Militarismus und Krieg und vor allem der Verschärfung des Klassenkampfs.

Am 21. Mai machte die World Socialist Web Site in ihrem Leitartikel darauf aufmerksam, dass weltweit Anzeichen für ein Wiederaufleben des Klassenkampfs und eine politische Radikalisierung zu erkennen waren. Beispiele dafür sind der Streik von 39.000 Verizon-Arbeitern in den USA, Massenproteste gegen die reaktionäre Arbeitsrechtsreform in Frankreich, ein Generalstreik in Griechenland und Streiks in China und Indien. „Das Wiederaufleben des Klassenkampfs“, erklärten wir, „äußert sich politisch in der Abkehr der Arbeiter von allen offiziellen, von den Gewerkschaften unterstützten 'linken' Parteien...“

Die herrschenden Eliten fühlen sich von allen Seiten bedrängt. Sie sind sich bewusst, dass ihr Austeritäts- und Kriegskurs zutiefst unpopulär ist und auf massiven Widerstand stößt. Sie versuchen, diese politische Radikalisierung durch die Mobilisierung rechtsextremer Kräfte zu verhindern und gleichzeitig die Bedingungen für eine noch brutalere Unterdrückung des sozialen Widerstands zu schaffen.

Sofern neofaschistische Kräfte einen breiteren Rückhalt gewinnen können, liegt die politische Verantwortung beim rechten und arbeiterfeindlichen Klassencharakter der offiziellen „Linken“. Am deutlichsten wird dies in Frankreich und Griechenland. In Frankreich haben Arbeiter und Jugendliche mit der Sozialistischen Partei eine Regierung an die Macht gebracht, die nun unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung den Ausnahmezustand verhängt und ein Gesetz durchs Parlament gepeitscht hat, das Löhne und Arbeitsbedingungen verschlechtert. In Griechenland setzt die Regierung unter Syriza („Koalition der Radikalen Linken“) Bereitschaftspolizei ein, um eben die Sparmaßnahmen durchzusetzen, die sie angeblich abschaffen wollte.

In Brasilien hat die amtierende Arbeiterpartei (PT) in dreizehn Jahren an der Regierung die Diktate der internationalen Banken durchgesetzt. Damit hat sie einer Intervention des Militärs den Weg bereitet – und das in einem Land, in dem vor 52 Jahren eine autoritäre Diktatur die Macht ergriffen und eine Terrorherrschaft gegen Arbeiter und Jugendliche errichtet hatte. Im Nachbarstaat Venezuela reagieren die politischen Erben von Hugo Chavez auf die steigende Inflation und die sinkenden Einnahmen aus dem Ölexport mit einem Notstand, der es Arbeitern verbietet, für höhere Löhne zu streiken.

Wenn der Milliardär und Geschäftsmann Trump mit seinem Versprechen, Amerika wieder „groß“ zu machen, durch Chauvinismus und extremem Nationalismus Unterstützung gewinnen kann, dann nutzt er aus, dass das Zweiparteiensystem in der Bevölkerung zutiefst verhasst ist. Sollten Trump und seine Demokratische Widersacherin Clinton gegeneinander antreten, so wird Trump sich als „Anti-Establishment“-Kandidat gegen eine korrupte und verachtete Vertreterin der Wall Street und des militärisch-geheimdienstlichen Establishments präsentieren können.

In dieser Situation propagieren die Vertreter der kleinbürgerlichen Pseudolinken, dass ein allumfassendes Bündnis „demokratischer Kräfte“ auf kapitalistischer Grundlage gebildet werden müsse. Stellvertretend dafür stehen die Äußerungen von Yanis Varoufakis, dem ehemaligen Finanzminister der Syriza-Regierung in Griechenland, der beim Verrat an dem Kampf der griechischen Arbeiter gegen die Sparmaßnahmen eine zentrale Rolle spielte.

In einem offenen Brief, der auf der Website von International Viewpoint veröffentlicht wurde, erklärte Varoufakis, wir befänden uns in einer historischen Situation, die den 1930er Jahren „sehr ähnlich“ sei: „Wir sind Zeuge von Deflation, Fremdenfeindlichkeit, übersteigertem Nationalismus, Abwertungswettläufen, krassem Patriotismus usw.“ Was, so fragt Varoufakis, „war die Pflicht von fortschrittlichen Kräften“ in den 1930er Jahren? „Sie bestand darin, über alle Parteigrenzen hinweg eine europaweite Bewegung von Demokraten zu schaffen (Radikale, Freiheitsliebende, sogar progressive Konservative) gegen die Kräfte des Bösen. Ich fürchte sehr, dass das auch heute unsere Pflicht ist.“

In Wirklichkeit sind die 1930er Jahre ein Paradebeispiel für den Bankrott der von Varoufakis vorgeschlagenen Politik. Damals reagierten die stalinistischen Kommunistischen Parteien auf die wirtschaftliche Depression, den Krieg und das Anwachsen des Faschismus mit der „Volksfrontpolitik“ – ein Bündnis mit angeblich „demokratischen“ Elementen der Bourgeoisie gegen den Faschismus. Die Folgen für die Arbeiterklasse waren katastrophal. 1940 befand sich der größte Teil Europas unter faschistischer Herrschaft.

Ähnlich wie die stalinistische Volksfront der 1930er Jahre richtet sich die von Varoufakis vertretene Politik, Arbeiter an eben die Parteien zu ketten, die für Austerität und Krieg verantwortlich sind, gegen die Entstehung einer politischen Bewegung, die den Rechten entgegentritt und tatsächlich Massenunterstützung gewinnen kann. Er will eine Kampagne für „Demokratie“ führen, ohne etwas an den Verhältnissen zu ändern, die die Gefahr des Faschismus heraufbeschwören. In den Vereinigten Staaten bereiten die Kräfte um die Demokratische Partei eine politische Bewegung gegen Trump vor, ohne die Politik ändern zu wollen, die zu einem beispiellosen Vermögenstransfer von der Arbeiterklasse zur Finanzaristokratie geführt hat.

Der große marxistische Theoretiker und Revolutionär Leo Trotzki beschrieb die Krise der bürgerlichen Demokratie in der Zeit zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg in folgenden Worten:

„Als Analogie zur Elektrotechnik könnte man die Demokratie als ein System von Schaltern und Sicherungen definieren, die vor übermäßiger Spannung durch den nationalen oder sozialen Kampf schützen sollen. Kein Zeitraum der menschlichen Geschichte war jedoch auch nur im entferntesten so mit Antagonismen überladen wie der heutige. Unter der überhöhten Spannung der Klassen- und internationalen Widersprüche brennen die Sicherheitsschalter der Demokratie durch oder explodieren. Es kommt zum Kurzschluss der Diktatur.“

Trotzki gründete seine Analyse auf die Einsicht, dass der Zusammenbruch demokratischer Herrschaftsformen das Ergebnis einer tiefen Krise der bestehenden Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung war. Wie damals, so geht es auch heute darum, die Arbeiterklasse international auf der Basis eines politischen Programms zu mobilisieren, das sich gegen die Ursache der übermäßigen Spannung richtet - den Kapitalismus.

Wir appellieren an unsere Leser auf der ganzen Welt, die notwendigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Es ist sinnlos, die zerfallenden Institutionen bürgerlicher Herrschaft retten zu wollen. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder die herrschende Klasse und ihr Wirtschaftssystem stürzen die Menschheit in den Abgrund, in Krieg, Depression und Diktatur, oder die internationale Arbeiterklasse erobert die Macht und reorganisiert die Weltwirtschaft auf sozialistischer Grundlage

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