Perspektive

Falludscha - ein Symbol für die Kriegsverbrechen der USA

Die irakische Stadt Falludscha am Euphrat verkörpert wie keine andere die Folgen der verbrecherischen amerikanischen Besatzung. Bis 2003 war Falludscha eine wohlhabende Stadt mit 300.000 überwiegend sunnitischen Einwohnern. Sie war eine der ältesten kontinuierlichen städtischen Siedlungen und als „Stadt der Moscheen“ bekannt. Nachdem sie vom US-Militär und seinem Klientelregime in Bagdad über dreizehn Jahre lang zerstört wurde, ist sie heute ein lebloses Labyrinth aus Ruinen.

Anfang 2014 wurde die Stadt von der sunnitischen Extremistenmiliz Islamischer Staat im Irak und Syrien (IS) besetzt. Nach wochenlangen Angriffen durch amerikanische, britische und australische Bomber steht eine gemischte Streitmacht aus irakischen Regierungstruppen und schiitischen Milizen angeblich kurz vor der finalen Offensive zur Rückeroberung von Falludscha von den etwa 500 IS-Kämpfern. Irakische Spezialeinheiten kämpfen an der Seite von amerikanischen, britischen und australischen Elitetruppen, die Luftangriffe und Artilleriebeschuss koordinieren und die irakischen Kommandanten in taktischen Fragen beraten.

Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte (UNHCR) Zeid Ra'ad al-Hussein rief öffentlich auf, an das Schicksal der etwa 50.000 Zivilisten zu denken, die ohne Nahrung und Wasser in Falludscha festsitzen. Die irakische Marionettenregierung hat zivile Todesopfer bereits im Voraus mit der Behauptung gerechtfertigt, die Besatzer würden die Bevölkerung als „menschliche Schutzschilde“ benutzen. Dem IS wird außerdem die Ermordung von Dutzenden Zivilisten bei Fluchtversuchen vorgeworfen.

Männer und Jugendliche, denen die Flucht gelingt, werden von den irakischen Regierungstruppen und Milizen gefangen genommen. Laut dem UNHCR werden sie „körperlich und anderweitig misshandelt. Scheinbar versucht man damit, sie zu Geständnissen zu zwingen, sie seien IS-Mitglieder oder Unterstützer.“ Dem UNHCR liegen unbestätigte Berichte vor, laut denen mindestens einundzwanzig Gefangene standrechtlich hingerichtet wurden.

Die Frage, wie der IS die Stadt vor zwei Jahren in seine Gewalt bringen konnte, wird in den Medien weitgehend ignoriert. Als Erklärung werden bestenfalls die Ressentiments der sunnitischen Bevölkerung gegen die religiös diskriminierende Politik der von Schiiten dominierten Regierung genannt – allerdings erst nach dem Rückzug der amerikanischen Truppen 2011. Die irakische Bevölkerung wird allgemein als in unversöhnlich zerstrittene Lager von Sunniten, Schiiten und Kurden dargestellt, die unfähig zu einem harmonischen Miteinander und inhärent anfällig für extremistische ethnisch-religiöse Ideologien sind.

Wenn man sich die qualvolle Geschichte von Falludscha seit 2003 vor Augen führt, erweist sich diese Darstellung eindeutig als Lüge. Die aktuelle Situation im Irak und im Nachbarstaat Syrien ist das Ergebnis und die Fortsetzung der Politik der amerikanischen Besatzungsmacht, bewusst religiöse Konflikte zu schüren, um die irakischen Massen zu spalten und die Kontrolle der USA über den ölreichen Nahen Osten zu festigen.

Nach dem völkerrechtswidrigen Einmarsch im Irak und dem Sturz von Saddam Husseins Baath-Regime ereignete sich in Falludscha eines der ersten Verbrechen von US-Truppen gegen irakische Zivilisten, über das in größerem Umfang berichtet wurde. Bei einer Demonstration von 200 Jugendlichen für die Wiedereröffnung ihrer Schule eröffneten Soldaten der 82. Luftlandedivision das Feuer. Siebzehn der Jugendlichen wurden getötet, mehr als 70 weitere verwundet.

In den folgenden Monaten entwickelte sich Falludscha zu einer Hochburg des Widerstands gegen die amerikanische Besatzung. Anfang 2004 wurde die Stadt praktisch von bewaffneten Gruppen kontrolliert, die sich aus ehemaligen Angehörigen der irakischen Armee und lokalen sunnitischen Stämmen rekrutierten. Religiöse Extremisten, darunter eine kleine Gruppe, die sich „al-Qaida im Irak“ nannte, waren nur eine Minderheit.

Im März 2004 wurden in Falludscha vier Blackwater-Söldner ermordet. Das amerikanische Militär führte daraufhin einen massiven Vergeltungsschlag aus. Der Widerstand der Bevölkerung von Falludscha wurde im ganzen Land als Weckruf verstanden. In den ersten Wochen des April schlossen sich zehntausende schiitische Arbeiterjugendliche in Bagdad und dem ganzen Südirak der Protestbewegung gegen die Besatzung an. Der bewaffnete Aufstand gegen die US-Truppen griff auch auf überwiegend sunnitische Städte wie Ramadi, Tikrit und Mossul über.

Das wichtigste Merkmal des damaligen Widerstands war, dass in ihm Iraker unterschiedlicher Herkunft im Kampf gegen die amerikanische Besatzung und ihre lokalen Kollaborateure vereint waren. Allerdings hatte er weder eine zusammenhängende Perspektive noch eine Strategie. In einer Stadt nach der anderen wurden die irakischen Kämpfer von der überlegenen Feuerkraft des US-Militärs besiegt, im November 2004 auch in Falludscha. Nach einer einmonatigen Belagerung war die Stadt entvölkert und lag in Trümmern. 60 ihrer 200 Moscheen waren zerstört oder beschädigt, außerdem 39.000 Häuser und andere Gebäude.

Das zweite zentrale Merkmal der amerikanischen Besatzung war der Einsatz vom US-Militär ausgebildeter Todesschwadronen wie der Wolf-Brigade gegen die sunnitische Bevölkerung. Tausende von Menschen wurden ermordet. Gleichzeitig verstärkte al-Qaida im Irak ihre heimtückischen Bombenanschläge auf schiitische Zivilisten, die das amerikanische Besatzungsregime unterstützten und brachte damit die beiden Konfessionen gegeneinander auf. Bis 2006 hatte das Vorgehen der USA einen offenen religiösen Bürgerkrieg ausgelöst, der hunderttausende zur Flucht in sichere Gebiete zwang, die von Milizen gleicher Konfession kontrolliert wurden.

Die Ursachen für die derzeitige religiöse Spaltung des Irak sind die Taktik des „teile und herrsche“ und die Massenmorde und Massenvertreibungen, mit denen der US-Imperialismus im Irak die Kontrolle seines schiitischen Marionettenregimes gefestigt hat. Nach dem Rückzug der US-Truppen aus dem Irak 2011 begann Washington Regimewechsel-Kriege in Libyen und und in Syrien. Dabei kamen die gleichen Methoden zum Einsatz, die bereits den Bürgerkrieg im Irak ausgelöst hatten. In Syrien nutzten die CIA und das US-Militär jedoch Saudi-Arabien und andere Golfstaaten als Mittelsmänner, um sunnitische Gruppierungen zu bewaffnen, welche die von Russland und dem Iran unterstützte schiitisch orientierte Regierung von Baschar al-Assad stürzen sollten.

Einer der größten Nutznießer der umfangreichen Waffenlieferungen war al-Qaida im Irak. Die Gruppierung schickte Kämpfer nach Syrien und entwickelte sich schnell zur dominierenden Kraft im Bürgerkrieg. Im April 2013 änderte sie ihren Namen in Islamischer Staat im Irak und Syrien (IS); zu diesem Zeitpunkt war sie bereits durch die zahlreichen ausländischen Islamisten gestärkt, die als Kämpfer über die Türkei nach Syrien einreisten.

Die IS-Kämpfer, die Ende 2013 in Falludscha eindrangen und im Januar 2014 die Kontrolle über die Stadt übernahmen, waren im Rahmen der amerikanischen Intrigen in Syrien finanziert, ausgerüstet und bewaffnet worden. In den folgenden Monaten eroberte der IS weitere Teile des sunnitisch dominierten West- und Nordiraks. Die dramatischste Niederlage der Regierung war der Verlust von Mossul im Juli 2014. Aus der Bevölkerung erhielt die islamistische Bewegung bestenfalls deshalb Unterstützung, weil sie versprach, die Sunniten von den Folgen der amerikanischen Besatzung zu befreien, darunter die Gewalt und die Misshandlungen durch die amerikanische Marionettenregierung in Bagdad. Der IS ist jedoch materiell und ideologisch ein Produkt des amerikanischen Vorgehens im Irak.

Der derzeitige Ansturm auf Falludscha ist nur das jüngste Beispiel für die Katastrophe, die der US-Imperialismus über die Bevölkerung des Irak und im ganzen Nahen Osten gebracht hat. Der einzige Ausweg ist der Aufbau einer internationalen Bewegung der Arbeiterklasse gegen den Krieg auf der Grundlage einer sozialistischen Perspektive.

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