Syriza-Regierung treibt Privatisierungen voran

Die pseudolinke Koalition der radikalen Linken (Syriza) und ihr rechtspopulistischer Koalitionspartner, die Unabhängige Griechen (ANEL), treiben die von der EU geforderten Privatisierungen in atemberaubendem Tempo voran. Dagegen wächst der Widerstand.

Im letzten Jahr hatte sich die Regierung mit der EU auf ein rigoroses Sparprogramm geeinigt, das unter anderem weitreichende Privatisierungen vorsieht. Nachdem Ende Mai bereits zwei Sparprogramme im Eilverfahren durch das Parlament gejagt wurden, wendet sich die Regierung jetzt dem Ausverkauf des Staatsbesitzes zu. Im Gegenzug erhält das Land Kredite in Höhe von 10,3 Milliarden Euro. Am 20. Juni wird voraussichtlich die erste Tranche von 7,5 Milliarden Euro ausgezahlt.

Vor einer Woche hat die Syriza-Regierung das alte Flughafengelände Elliniko im Süden Athens zum Spottpreis von 915 Millionen Euro an die Immobilienfirma Lamda Development, die chinesische Firma Fosun und die in Abu Dhabi ansässige Firma Al-Maabat verkauft. Auf dem 620 Hektar großen Gelände, zu dem ein riesiger Strandabschnitt gehört, soll ein privates Luxusviertel entstehen. Neben Parkanlagen und einem Kasino will Lamda Development Luxushotels und -wohnungen für Superreiche bauen lassen.

Die Immobilienfirma liegt zu großen Teilen im Besitz der alten Reeder-Familie Latsis und ist berüchtigt für ihre undurchsichtigen Machenschaften. 2004/2005 löste der Bau einer Shopping Mall in Athen durch Lamda Development einen Skandal aus, weil der zugrunde liegende Deal mit der Regierung gegen die Verfassung verstieß. Die Familie des Milliardärs und zweitreichsten Griechen Spiros Latsis ist außerdem Hauptanteilseigner des drittgrößten griechischen Finanzhauses Eurobank Ergasias, das 2012 vom Bankenrettungsprogramm der EU profitierte.

Eine weitere Bedingung für die erste Auszahlung der Gelder soll laut griechischen Medienberichten auch die Übergabe von weiteren Anteilen des griechischen Telekommunikationsunternehmens OTE an die Deutsche Telekom gewesen sein. Die Telekom wurde bereits 2008 Anteilseigner von OTE und besitzt mittlerweile 40 Prozent des Unternehmens, während der griechische Staat nur noch 10 Prozent inne hat. Davon soll jetzt noch die Hälfte verkauft werden. Die Telekom stellt die unternehmerische Führung in OTE und hat in den letzten Jahren über 3.300 Stellen gestrichen.

Ein solcher Arbeitsplatzabbau droht auch den anderen öffentlichen Einrichtungen, die jetzt privatisiert werden sollen. Zugleich profitieren ausländische Investoren und sie Superreichen in Griechenland.

Die Privatisierungsbehörde TAIPED zählt auf ihrer Website 25 abgeschlossene Projekte – darunter das Elliniko-Flughafengelände, etliche Hotelressorts, Landstriche, Strände und staatliche Immobilien sowie 14 Regionalflughäfen, die an die deutsche Fraport gingen. Am Montag veröffentlichte TAIPED eine Ausschreibung für die Evaluierung der restlichen 23 Regionalflughäfen, die noch unter staatlicher Kontrolle stehen.

Außerdem werden 13 laufende Privatisierungen gelistet, darunter der Strand und Luxushotelkomplex Astir Vouliagmenis in Athen, der größte griechische Yachthafen Marina von Alimos in Athen, die beiden Haupthäfen in Piräus und Thessaloniki, die Fahrzeuginstandhaltung ROSCO, der Eisenbahnbetreiber TrainOSE und die Wasserbetriebe in Thessaloniki.

Weitere 22 Projekte sind in Planung, darunter der Internationale Flughafen Athen, die Athener Wasserbetriebe, der Erdölkonzern Hellenic Petroleum, die Post ELTA, der Gaskonzern DEPA und die strategisch bedeutsame Autobahn Egnatia Odos.

TAIPED wurde 2011 auf Forderung der internationalen Kreditgeber gegründet. Nach den letzten Beschlüssen wird die Privatisierungsbehörde zusammen mit drei weiteren griechischen Einrichtungen dem neuen Superfond, der Hellenic Companyof Assets and Participations, untergeordnet. Zu diesem Fond gehört dann auch das neu geschaffene Unternehmen für Öffentliche Teilhaber (EDIS), das unter anderem für die Privatisierungsprojekte im Transportwesen zuständig sein wird.

Ein Blick auf die Organisationsstruktur des Superfonds verrät, in welchem Ausmaß die europäischen Institutionen ihren Einfluss auf die griechische Wirtschaft ausweiten wollen.

Die Generalversammlung des Aktionärs, also des griechischen Staates, vertreten durch den Wirtschaftsminister Euklid Tsakalotos (Syriza), trifft alle Entscheidungen über die Privatisierungen. Doch das Management übernimmt ein Vorstandsteam, das von einem fünfköpfigen Aufsichtsrat eingesetzt und überwacht wird. Die Europäische Kommission und der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) wählen zwei Mitglieder dieses Aufsichtsrats, während die anderen drei Mitglieder zwar von der griechischen Regierung ernannt werden, aber von der EU-Kommission und dem ESM genehmigt werden müssen.

Der Aufsichtsrat und der Managementvorstand werden also maßgeblich von den EU-Institutionen kontrolliert, in denen vor allem Deutschland großen Einfluss ausübt.

Doch es ist die Regierung von Alexis Tsipras, die jetzt selbst eifrig um internationale Investoren wirbt. Der stellvertretende Wirtschaftsminister Giorgos Chouliarakis, der 2015 das dritte Memorandum mit ausgehandelt hatte, erklärte am Sonntag gegenüber der griechischen Tageszeitung Kathimerini, Griechenland brauche „große öffentliche und private Investitionen“ und „ein unternehmerfreundliches Klima“.

Noch vor Abschluss der Verhandlungen mit der Eurogruppe stattete der russische Präsident Wladimir Putin zusammen mit sieben Ministern und den Chefs der Energiekonzerne Gazprom und Rosneft der Syriza-Regierung einen ausgedehnten Besuch ab. Er zeigte Interesse an der griechischen Eisenbahngesellschaft, dem Hafen von Thessaloniki und an Hellenic Petroleum.

Wenige Tage später kam der französische Premierminister Manuel Valls mit einer Delegation nach Athen und unterschrieb Verträge zur Stärkung der griechisch-französischen Wirtschaftsbeziehungen.

Während in Frankreich Arbeiter und Jugendliche gegen die neue Arbeitsmarktreform von Präsident Hollande protestierten, lobte Tsipras in hohen Tönen die enge Zusammenarbeit mit Frankreich und stellte sich demonstrativ hinter die Hollande-Regierung. Der angeblich „linke“ Regierungschef solidarisierte sich nicht mit den französischen Arbeitern, sondern mit der französischen Elite. Beide Regierungen teilen die Furcht vor der eigenen Arbeiterklasse.

Denn auch in Griechenland wächst die Wut auf Syriza. Nachdem die Partei 2015 wegen ihrer sozialen Rhetorik ins Amt gewählt worden war, hat sie sich zum treuen Partner des internationalen Finanzkapitals und der europäischen Institutionen gemausert. Mittlerweile sinkt sie in Wahlprognosen deutlich ab.

Die jüngste Umfrage von Kapa Research zeigt die rechtskonservative Nea Dimokratia (ND) mit 30,8 Prozent vor Syriza, die auf 25,6 Prozent absinkt (Septemberwahl 2015: 35,46 Prozent). An dritter Stelle steht die faschistische Partei Goldene Morgenröte mit 8,7 Prozent. Diese Zahlen sind aber mit Vorsicht zu betrachten, da sich über 30 Prozent für keine der aufgestellten Parteien aussprach.

Tatsächlich ist die Ablehnung Syrizas noch viel größer, sie findet nur keinen Ausdruck im Parteiensystem. 76,9 Prozent der Befragten stuften die bisherige Arbeit der Regierung als „negativ oder eher negativ“ ein. Doch auch alle Oppositionsparteien ernteten große Ablehnung: „Negativ“ oder „eher negativ“ bewerteten 68,6 Prozent die ND, 74,8 Prozent die sozialdemokratische PASOK, 74,9 Prozent die stalinistische KKE und ganze 89,9 Prozent die Goldene Morgenröte.

Der Widerstand gegen die Privatisierungs- und Kürzungspolitik der Syriza-Regierung äußert sich daher in wachsendem Maße in Streiks und Protesten. Seit zwei Wochen streiken die Hafenarbeiter in Athen und Thessaloniki, im Athener öffentlichen Nahverkehr finden mehrtägige Warnstreiks statt und gestern traten Mitarbeiter der Eisenbahn und der Athener Stadtbahn in den Ausstand.

Letzte Woche protestierten Arbeitnehmer im Bildungs- und Gesundheitsbereich gegen die verheerenden Zustände in öffentlichen Schulen und Krankenhäusern. Der stellvertretende Gesundheitsminister Pavlos Polakis (Syriza) wurde bei einem Besuch des Krankenhauses von Ierapetras auf der Insel Kreta von einigen Hundert wütenden Anwohnern und Angestellten empfangen, die gegen den Personalmangel und die katastrophalen Arbeitsbedingungen in dem Krankenhaus demonstrierten.

Syriza reagiert auf die zunehmende Opposition mit Repression. Anfang dieser Woche ließ die Regierung alle wilden Flüchtlingscamps in Nordgriechenland räumen. Die Polizei mobilisierte 300 Beamte, ließ das gesamte Gebiet absperren und verwehrte Medien den Zutritt. Mindestens 38 ausländische Freiwillige wurden vorübergehend in Polizeigewahrsam genommen. Die Flüchtlinge werden jetzt in staatliche Aufnahmelager gepfercht, in denen menschenunwürdige Lebensbedingungen herrschen.

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