Perspektive

Krieg und der Parteitag der Demokraten

Der Nominierungsparteitag der Demokratischen Partei verläuft wie nach einem Drehbuch mit exakten Regieanweisungen. Dabei wirft sich diese rechte kapitalistische Partei, die engste Beziehungen zur Wall Street und zum Pentagon hat, in die Pose einer populären Volksvertreterin.

Lobgesänge auf Humanität und moralische Werte sowie sentimentale Bekenntnisse zur Brüderlichkeit zwischen allen Menschen hört man im Übermaß. Doch eine ernsthafte Diskussion über die Außenpolitik einer künftigen Clinton-Regierung findet überhaupt nicht statt.

Obwohl der „Krieg gegen den Terror“ bereits 15 Jahre lang andauert, erwähnte keiner der Hauptredner des Parteitags die Kriege im Irak, Afghanistan, Libyen, Syrien, die Ermordung des libyschen Staatschefs Muammar Gaddafi oder das Drohnenmordprogramm des Weißen Hauses. Das Schweigen ist umso bemerkenswerter, weil die Regierung Obama als erste Regierung der amerikanischen Geschichte zwei komplette Amtszeiten ununterbrochen Krieg geführt hat.

Die wirklichen Entscheider wissen aber, dass das eigentliche Thema hinter den Wahlen eskalierende militärische Spannungen mit China und Russland sind, die die Gefahr eines Weltkriegs zwischen Nuklearmächten bergen.

Keiner der Redner erwähnte, dass die Obama-Regierung sich auf Krieg gegen Russland festgelegt hat, falls eine der höchst instabilen, rechten Regierungen von Lettland, Litauen oder Estland eine Provokation gegen Russland durchführt.

Auch das Treffen des Vizepräsidenten mit dem Präsidenten der Philippinen, Rodrigo Duterte in dieser Woche wurde nicht thematisiert. Duterte droht damit, das Parlament des Landes aufzulösen, um das Bündnis gegen China zu stärken.

In jüngster Zeit warnten außenpolitische Fachzeitschriften, militärische Denkfabriken und hochrangige Militärvertreter vermehrt vor dem schwelenden Konflikt zwischen den Großmächten. Daher ist es umso auffälliger, dass über wichtige außenpolitische Themen keine Diskussion stattfand.

Der frühere Kommandeur der US-Streitkräfte im Pazifik, Admiral i.R. Dennis Blair, erklärte diesen Monat bei einer Anhörung vor dem Kongress, dass die Vereinigten Staaten entgegen ihrer geltenden politischen Linie „bereit (sein sollten), militärische Gewalt einzusetzen“, falls China seine Gebietsansprüche auf eine Felsengruppe im Südchinesischen Meer, auf die auch die Philippinen Anspruch erheben, durchsetzen sollte.

Vertreter Chinas machen sich keine Illusionen über die Bedeutung solcher Aussagen. In der regierungsnahen Zeitung Global Times hieß es: „China möchte die Meinungsverschiedenheiten durch Gespräche beilegen, muss sich aber auf eine militärische Konfrontation einstellen.“

In der neuesten Ausgabe der außenpolitischen Fachzeitschrift Foreign Affairs äußern sich John J. Mearsheimer und Stephen M. Walt: „Es gibt Regionen außerhalb der westlichen Hemisphäre, die es wert sind, dass Amerika zu ihrer Verteidigung einen Blutzoll leistet.“ Die Autoren fügen hinzu: „In Europa und Nordostasien ist die Hauptsorge der Aufstieg einer Macht zur regionalen Hegemonialmacht, ähnlich wie die USA die westliche Hemisphäre dominieren.“

Mit Blick auf Russland fordern führende Generäle sogar eine noch wahnwitzigere Politik als gegen China. Richard Shirreff, ehemals Deputy Supreme Allied Commander der NATO in Europa, schrieb in einem Buch, dass ein Krieg gegen Russland schon nächstes Jahr beginnen könnte (2017: „War with Russia: An Urgent Warning from Senior Military Command“).

Shirreff hat dieses Thema in einem Strategiepapier mit dem Titel „Arming for Deterrence“ (etwa: Aufrüsten, um abzuschrecken) entwickelt. Der US-Think Tank Atlantic Council stellte es diese Woche vor. Russland, so seine These, habe die Fähigkeit und vielleicht auch die Absicht, „über Nacht“ in die mit den USA verbündeten baltischen Staaten einzumarschieren. Dagegen schlägt er einen Plan vor, dessen Irrsinn an Hitler erinnert. Polen, gegenwärtig im Würgegriff einer autoritären rechten Regierung, soll die militärische Speerspitze gegen Russland werden. Polen muss „sich das Recht vorbehalten, russische Ziele auch präventiv anzugreifen“, Stationierungsort für Nuklearwaffen zu werden und „eine Liste möglicher Ziele“ in Russland zu erstellen.

In politischen Kreisen wird offen über einen Krieg gegen Russland nach der Wahl diskutiert. Die jüngste Titelgeschichte von National Interest, „Russland und Amerika: Konflikt unvermeidlich?“, erklärt: „Die Beziehungen zwischen den beiden Staaten haben sich gefährlich verschlechtert … Wenn Russland nicht einlenkt, sollte Washington tun, was es tun muss, um seine Interessen zu wahren.“

Soweit man zurückdenken kann, hat sich noch nie ein Präsidentschaftskandidat der Demokraten so offen für Militärinterventionen ausgesprochen wie Hillary Clinton.

Mark Landler, Autor des Buches „Alter Egos: Hillary Clinton, Barack Obama and the Twilight Struggle Over American Power“, formulierte es so: „Donald J. Trump und Senator Ted Cruz von Texas prahlen zwar, dass sie den Islamischen Staat mit Bomben ausradieren werden, doch keiner von beiden hat sich auch nur annähernd so vehement für Militäreinsätze im Ausland stark gemacht wie Clinton.“

Als Außenministerin hat Clinton den Einsatz militärischer Gewalt deutlicher befürwortet als Obama. „Bei den fundamentalen Fragen Krieg und Frieden prallten Clintons eher draufgängerische Haltung“ und Obamas „instinktiver Zurückhaltung“ aufeinander, schreibt Landler.

Wenn Obama, der „jetzt bereits länger Krieg geführt hat als Bush oder irgendein anderer US-Präsident“, wie die New York Times im Mai schrieb, als Beispiel für militärische Zurückhaltung genannt wird, so belegt das den hemmungslosen Militarismus Clintons.

Clinton forderte nicht nur in Afghanistan und im Irak ein aggressiveres militärisches Vorgehen als Obama. Sie „drängte darauf, dass die Vereinigten Staaten den Rebellen im syrischen Bürgerkrieg Waffen zukommen lassen sollten (diese Idee wies Obama zunächst zurück, ehe er später halbherzig nachgab).“ Privat forderte sie, dass Obama eine Flugverbotszone in Syrien einrichten soll, nachdem der militärische Geheimdienst der USA Assad 2013 beschuldigt hatte, chemische Waffen einzusetzen. Sie sagte: „Wenn man Angriffe ankündigt, muss man sie auch ausführen. Anders geht es nicht.“

Bruce Riedel, ehemaliger Geheimdienstanalyst, der für Obama den ersten Bericht über den Krieg in Afghanistan anfertigte, sagte gegenüber Landler: „Zu den Überraschungen für die Militärs gehörte, dass Ihre Außenministerin in militärischen Fragen noch rechts von Ihnen steht, noch härter vorgehen will als Sie selbst.“

Professor David Bromwich von der Yale University beobachtet eine starke Annäherung zwischen der Politik Clintons, ihren „linken“ Apologeten und den Neokonservativen, die die Invasion des Irak 2003 planten. In National Interest schrieb er:

„In den letzten Wochen hat man die Festigung eines Bündnisses gegen Trump erlebt, das zwei außenpolitische Sekten zusammenbringt, die nie vollkommen verschieden waren: Die Neokonservativen, die unter Bush-Cheney von 2001-2006 in der Außenpolitik das Sagen hatten, und liberale Interventionisten, die den Irakkrieg und den Libyenkrieg befürworteten, die Ausdehnung des Drohnenmordprogramms und die militärische Intervention in Syrien über das hinaus, was Obama bisher genehmigt hat.“

Bromwich bemerkt: „In jüngster Zeit bereiten diese Leute mit einer ganzen Reihe von Artikeln und Kommentaren den Boden für Clinton, damit sie behaupten kann, die russische Regierung unterstütze Trump im Wahlkampf, und Russland habe durch die Veröffentlichung von E-Mails des Democratic National Committee die Wahlen beeinflusst, um Clinton zu schaden.“

An der Spitze dieser Kampagne steht die New York Times, bei der sich Paul Krugman als Apologet für Clinton betätigt. Krugman nannte Trump einen „sibirischen Kandidaten“ und Stellvertreter Putins, mit dem Clinton auf Konfrontationskurs gehen will.

In diesen Tenor stimmte auch die frühere Außenministerin Madeleine Albright ein, als sie am Dienstagabend auf dem Parteitag sprach. Albright griff Russland mit einer Vehemenz an, wie man es seit dem Kalten Krieg nicht mehr erlebt hatte. Sie beklagte, dass ihre „Heimat Tschechoslowakei von den Kommunisten einkassiert“ wurde und erklärte: „Lasst Euch das sagen von einer, die dem Eisernen Vorhang entkam. Ich weiß, was passiert, wenn man den Russen grünes Licht gibt.“

Die herrschende Klasse Amerikas wartet die Wahlen ab, um danach eine von langer Hand geplante militärische Eskalation durchzuführen. Der Kampf gegen Krieg ist die wichtigste Frage im Aufbau einer unabhängigen, sozialistischen Bewegung der Arbeiterklasse in den Vereinigten Staaten und weltweit, ganz gleich, wer die Präsidentschaftswahlen gewinnt.

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