Perspektive

US-Justizministerium verharmlost Polizeigewalt in Baltimore

Das US-Justizministeriums veröffentlichte diese Woche einen Bericht, in dem die grassierende Gewalt von Seite der Polizei in Baltimore detailliert beschrieben wird. Die Veröffentlichung dient jedoch letztlich nur dazu, den Ruf der Polizei trotz aller Brutalität wiederherzustellen.

Die Praktiken, die in diesem Bericht beschrieben werden, sind entsetzlich und greifen schwer in die Rechte des Einzelnen ein: bei Routinedurchsuchungen und Straßenkontrollen kommt es zur Entkleidung von Verdächtigen in der Öffentlichkeit, es gibt grundlose Verhaftungen, rassistische Kriterien leiten die Ermittlungen, körperlicher Gewalt wird unnötig angewendet, und die Polizei schreitet bei Handlungen ein, die durch das Recht auf freie Meinungsäußerung geschützt sind. Laut Justizministerium zeigt die Polizei von Baltimore „ein Muster an Verhaltensweisen, die den 1. und 4. Zusatzartikel der Verfassung wie auch die Bundesgesetze gegen die Diskriminierung verletzen“.

Dass die Polizei in Baltimore ungesetzlich und verfassungswidrig handelt, überrascht kaum. Überall in den Vereinigten Staaten schikaniert und misshandelt die Polizei täglich die Bevölkerung. Die Untersuchung zu Baltimore reiht sich ein in eine Serie von Berichten aus anderen Städten – darunter Cleveland, Ohio, Ferguson, Missouri, New Orleans, Louisiana und Albuquerque, New Mexico – die zu denselben Ergebnissen kamen.

Wie in den früheren Berichten werden aber auch hier keine juristischen Konsequenzen wegen der Verletzung demokratischer Grundrechte empfohlen. Stattdessen heißt es, die Bundesregierung und die Stadt Baltimore würden „prinzipiell übereinstimmen, ein bei Missachtung vor Bundesgerichten durchsetzbares Dekret zur Behebung der Defizite“ zu entwickeln. Mit anderen Worten, es wird nichts geschehen.

Was im Bericht beschrieben wird, sind tatsächlich keine „Defizite“ sondern Verbrechen. Verbrechen, in die die Regierung Obama genauso verwickelt ist wie die Stadtverwaltung und die Polizeibeamten in Baltimore. Das Weiße Haus hat die Aufrüstung der lokalen Polizeikräfte überall im Land angeordnet und behindert systematisch alle Bemühungen, jemanden zur Rechenschaft zu ziehen. Jährlich sterben in den USA mehr als 1.000 Menschen durch Polizeigewalt.

Die Vereinbarung wurde von Angestellten des US-Justizministeriums, der Bürgermeisterin von Baltimore Stephanie Rawlings Blake (Demokraten) und dem Polizeipräsidenten von Baltimore Kevin Davis unterzeichnet. Die Empfehlung, „Sensibilisierungsmaßnahmen“ und ähnliches umzusetzen, ändert nichts am Charakter der Polizei. Der Zweck der Polizei besteht nicht darin, die Sicherheit der einen oder anderen „Bürgergruppe“ zu garantieren, sondern die Privilegien und den Reichtum der herrschenden Klasse zu schützen. Die Arbeiterklasse wird weiter unter Gewalt, Misshandlungen und Tötungen leiden.

Es ist kein Zufall, dass der Bericht des US-Justizministeriums jetzt veröffentlicht wird. Letzten Monat hieß es, dass die Staatsanwaltschaft alle Anklagen gegen die sechs Polizisten aus Baltimore fallen lässt, die am Tod von Freddie Gray beteiligt waren. Die Untersuchung war von der Stadtverwaltung gefordert worden, um die sozialen Unruhen in die Griff zu bekommen, die nach der Tötung Greys durch Polizisten im April 2015 ausbrachen.

Nach dem Tod von Michael Brown vor genau zwei Jahren, am 9. August 2014 in Ferguson, Missouri war es ebenfalls zu scharfen Protesten gekommen. Arbeiter und Jugendliche müssen klare politische Schlussfolgerungen aus den Erfahrungen der letzten zwei Jahre ziehen.

Trotz Protesten im ganzen Land geht die Polizeigewalt unvermindert weiter, kommt es weiter massenhaft zu Tötungen durch Polizeibeamte. Laut Zahlen auf der Website killedbypolice.net gab es seit dem Tod von Michael Brown in den Vereinigten Staaten 2.359 Todesfälle durch Polizeigewalt, das heißt mehr als drei Menschen wurden täglich von Polizisten umgebracht.

In der letzten Woche wurden der Öffentlichkeit Videos bekannt, in denen man die Minuten vor dem Tod des 18jährigen Paul O’Neal im Juli durch die Polizei von Chicago verfolgen kann. Man sieht, wie Polizeibeamte einen jungen Mann verfolgen und dabei in einem Wohnviertel wild um sich schießen. Paul O'Neal wurde schließlich gefangengenommen und starb kurz darauf an zwei Schüssen, die ihn von hinten in den Rücken trafen.

Allein in diese Woche wurden bislang elf Menschen von der Polizei erschossen, darunter der 20jährige Earl Pinckney in Harrisburg, Pennsylvania, der 14jährige Jesse Romero in Los Angeles und der 44jährige Jeffery Allen Morris in Piedmont, South Carolina.

Die herrschende Klasse versucht, die Empörung über diese Zustände in ungefährlich Bahnen zu lenken. Zentral ist dabei, dass das politische Establishment und die Medien die Polizeigewalt als Ausdruck von Rassismus darstellen. Sie gilt somit als „weißes Amerika“ gegen „schwarzes Amerika“ und nicht als Kampf der Staatsgewalt gegen die Arbeiterklasse und die Unterdrückten.

Auch der jüngste Bericht zu Baltimore stellt die Polizeibrutalität grundsätzlich als rassistisches Problem dar, das zu überwinden ist, indem die afro-amerikanische Bevölkerung mehr Kontrollmöglichkeiten erhält. Unter den Polizeibeamten in Baltimore sind jedoch alle Hautfarben vertreten und viele Verantwortliche in der Stadtverwaltung sind Demokraten mit afro-amerikanischer Herkunft.

Tatsache ist auch, dass Menschen jeglicher rassisch-ethnischer Herkunft und beiderlei Geschlechts Opfer von Polizeibrutalität werden. Die Gemeinsamkeit der Opfer besteht darin, dass sind in ihrer großen Mehrheit arm waren.

Die Webseite fatalencounters.org versucht, alle Fälle von tödlicher Polizeigewalt seit dem Jahr 2000 zu dokumentieren und kommt dabei auf die atemberaubende Zahl von bislang 14.222 Opfern. Die Mehrheit der Getöteten war weiß und so gut wie jedes Opfer von Polizeigewalt war entweder arm oder Teil der Arbeiterklasse. Die Mehrzahl der Fälle von tödlicher Polizeigewalt ereignete sich in Gegenden, wo das mittlere Jahreseinkommen der Haushalte weniger als 100.000 Dollar beträgt.

Die Bewegung „Black Lives Matter“ bemüht sich, die Welle von Polizeigewalt auf reine Rassenfragen zu beschränken. Sie verweist darauf verweisen, dass Schwarze von der Polizei überproportional oft getötet werden, und will damit beweisen, dass die amerikanische Gesellschaft entlang rassischer Linien zerrissen ist. Die zugrunde liegenden Klassenfragen werden dabei vertuscht. Die Proteste gegen die Polizeigewalt sollen sich hinter der Demokratischen Partei sammeln, die jedoch ihrerseits einen Großteil der Opposition gegen Polizeigewalt unterdrückt.

Die Bürgermeisterin von Baltimore, die Afroamerikanerin Rawlings-Blake, ist ein gutes Beispiel für eine Politik, die das Problem der Polizeigewalt als Identitätsfrage lösen will. Sie hatte nach dem Tod von Freddie Grey die Nationalgarde angefordert, um gegen die Demonstrationen vorzugehen. Jüngst trat sie auf dem Nominierungsparteitag der Demokraten auf.

Der Parteitag der Demokraten selbst war ein militaristisches Spektakel, das die Polizei feierte, das ganze angereichert um Identitätspolitik jeder Couleur. Gleichzeitig ließen die Demokraten zynischerweise schwarze Mütter aufmarschieren, deren Kinder von Polizisten getötet wurden, um Hillary Clinton als Gegnerin von Polizeigewalt darstellen zu können.

Clinton führt einen Wahlkampf mit rechten Positionen und Parolen, wie ihn die Demokratische Partei in ihrer ganzen Geschichte nicht erlebt hat. Die Kandidatin will damit den Militär-Geheimdienstapparat und Teile der Republikanischen Partei für sich gewinnen. Ihr Programm lautet: Krieg im Ausland und Verteidigung von Interessen der herrschen Klasse im Inland. Ob Clinton oder Trump sich am Ende durchsetzt, unausweichlich ist der starke Ausbau von Polizeikräfte als Begleitmusik zur geplanten Politik. Die Polizei ist Teil der „total army“ zur Unterdrückung einer sozialen Opposition in den Vereinigten Staaten.

Das beispiellose Ausmaß der Polizeigewalt in den Vereinigten Staaten hat seine Ursachen in der bereits ungeheuer großen und wachsenden Kluft sozialer Ungleichheit und in einem Wirtschaftssystem, dem Kapitalismus, das diese Ungleichheit hervorgebracht hat. Unter beiden Parteien, Demokraten und Republikanern, wurde die Polizei ständig ausgebaut und bis an die Zähne bewaffnet, um dieses Wirtschaftssystem zu verteidigen, von dem eine kleine Minderheit an der Spitze profitiert.

Wie viele Untersuchungen des Justizministeriums oder Kontrollen durch Bürgergruppen es auch geben wird - das wird der Polizeibrutalität und dem kapitalistischen System, das die Polizei verteidigt, kein Ende setzen. Der Polizeigewalt entgegenzutreten, erfordert einen Kampf der Arbeiterklasse gegen das kapitalistische System. Die Arbeiterklasse darf sich dabei nicht nach rassischen, ethnischen und nationalen Kriterien spalten lassen.

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