Russisch-iranisches Vorgehen in Syrien sorgt für wachsende Unruhe in Washington

Am Mittwoch nutzten russische Bomber bereits zwei Tage in Folge einen Luftwaffenstützpunkt im Nordwesten Irans, um Angriffe auf Ziele in Syrien zu fliegen. Laut Moskau richteten sich die Angriffe gegen Waffenlager und Kommandozentren, von denen Dschihad-Milizen im Kampf gegen syrische Regierungstruppen um die Kontrolle über Aleppo unterstützt werden.

Die Luftangriffe mit Tupolew-22M3-Langstreckenbombern und taktischen SU-34-Bombern waren die ersten, die Russland von einem Stützpunkt in einem Drittstaat aus flog. Seit September letzten Jahres führt Russland einen Luftkrieg zur Unterstützung der syrischen Regierung von Präsident Baschar al-Assad gegen al-Qaida-nahe Milizen.

Die Langstreckenflugzeuge sind zu groß, um den Stützpunkt benutzen zu können, den Russland in Syrien nutzt. Bisher waren sie aus Südrussland gestartet. Die Benutzung iranischer Stützpunkte verkürzt die Flugzeit um 60 Prozent und ermöglicht es den Flugzeugen, eine große Bombenlast zu tragen.

Die herrschenden Kreise in Washington äußerten sich beunruhigt über diesen Schritt. Der Krieg zum Regimewechsel in Syrien, in dem die CIA, das Pentagon und die regionalen Verbündeten des US-Imperialismus, u.a. Saudi-Arabien, die Türkei und Katar, islamistische Milizen bewaffnet und finanziert haben, droht nach fünf Jahren in einem Debakel zu enden. Washington reagiert auf diese Entwicklung mit wachsender Besorgnis.

Abgesehen von der offiziellen Kritik des US-Außenministeriums an der Benutzung des iranischen Stützpunktes werfen auch immer mehr Leitartikel und Zeitungen der Obama-Regierung vor, sie reagiere nicht aggressiv genug auf die Lage in Syrien. Die humanitäre Krise in Aleppo soll als Vorwand für eine verstärkte US-Intervention dienen.

Der Sprecher des Außenministeriums Mark Toner kritisierte Moskau am Mittwoch zum zweiten Mal wegen der Luftangriffe vom Iran aus und behauptete, dieses Vorgehen sei „nicht hilfreich, weil es die ohnehin schon sehr gefährliche Situation in und um Aleppo noch komplizierter macht.“

Die „Komplikation“, um die es Washington geht, ist die Verzögerung der Offensive der „Rebellen“, die die Belagerung der Regierungstruppen um Ost-Aleppo durchbrechen soll. Im Osten der Stadt lebt eine Minderheit der Bevölkerung unter der Herrschaft der Dschihad-Milizen. Die mit al-Qaida verbündeten Kräfte behaupten, sie seien kurz davor, mit der geplanten Offensive die ganze Stadt zu erobern. Zuvor hatten die USA und ihre regionalen Verbündeten zur Vorbereitung dieser Offensive riesige Mengen Waffen, darunter schweres Kriegsgerät, an die Milizen geschmuggelt. Doch die syrischen Regierungstruppen konnten mit Unterstützung durch libanesische Hisbollah-Kämpfer und russische Luftangriffe offenbar die anfänglichen Erfolge der vom Westen unterstützten Islamisten zunichtemachen.

Diese Erfolge waren der Anlass für die Propagandaoffensive um die Katastrophe in Aleppo, bei der die wahllosen Artillerie- und Giftgasangriffe der „Rebellen“ gegen die Mehrheit der Stadtbevölkerung, die im Westen unter der Kontrolle der Regierung lebt, meist völlig ignoriert werden. Washington drängt auf einen sofortigen Waffenstillstand und die Einrichtung „humanitärer Korridore“, damit es seinen Stellvertretertruppen Nachschub schicken kann.

In den letzten Tagen hat das US-Außenministerium außerdem angedeutet, das Vorgehen Russlands und des Iran verstoße gegen eine Resolution des UN-Sicherheitsrats, die vor knapp einem Jahr im Rahmen des Abkommens über das iranische Atomprogramm angenommen worden war. Diese Resolution verbietet dem Iran den Verkauf oder Weitergabe von Waffensystemen, die Atomwaffen tragen können. Dieser Vorwurf ist völlig fadenscheinig. Russland hat seine Kampfflugzeuge nicht unter die Kontrolle des Iran gestellt, sondern benutzt lediglich iranische Stützpunkte.

Das US-Außenministerium behauptete an beiden Tagen, die russischen Luftangriffe hätten Ziele der „gemäßigten Opposition“ getroffen, konnte aber keine Details über die Identität dieser sogenannten Gemäßigten nennen. In Wirklichkeit ist die al-Nusra-Front die dominante Kraft unter den Milizen am Boden. Dieser syrische Ableger al-Qaidas hatte letzten Monat seinen Namen geändert und sich gemeinsam mit ähnlichen salafistischen Dschihad-Milizen formell von al-Qaida losgesagt. Die USA versprachen zwar, sie würden für die Trennung der „Gemäßigten“ von den al-Qaida-Anhängseln sorgen, aber das können sie nicht, weil die von der CIA bewaffneten und finanzierten Kräfte vollständig in diese Kräfte eingebunden sind.

In Wirklichkeit befürchten die USA die Entstehung eines Bündnisses, das die seit fünfundzwanzig Jahren andauernde Kampagne behindern könnte, ihre unangefochtene Hegemonie über den Nahen Osten zu errichten. Mit dem russisch-iranischen Abkommen darf das erstmals seit der Revolution gegen die von den USA unterstützte Diktatur des Schahs von 1979 das Militär eines fremden Landes iranische Stützpunkte benutzen.

Im Vorfeld des Stationierungsabkommens hatte Moskau Teheran ein hochmodernes Boden-Luft-Raketenabwehrsystem vom Typ S-300 zur Verfügung gestellt, das bisher während der Verschärfung der UN-Sanktionen wegen des iranischen Atomprogramms zurückgehalten worden war. Laut iranischen Regierungsvertretern sind bereits Teile des Raketensystems ausgeliefert worden.

Dass die russischen Flugzeuge mit Erlaubnis der pro-amerikanischen irakischen Regierung von Ministerpräsident Haider al-Abadi über irakisches Staatsgebiet fliegen, macht die Lage für Washington noch unangenehmer. Laut russischen Medien hat die Abadi-Regierung Moskau außerdem die Erlaubnis gegeben, Marschflugkörper vom Kaspischen Meer und dem Mittelmeer über irakisches Gebiet zu schießen.

Dass die chinesische Regierung am Dienstag eine engere militärische Zusammenarbeit mit der Assad-Regierung in Syrien angekündigt hat, macht die Lage aus Washingtons Sicht noch komplizierter. Guan Youfei, der Direktor des Amts für internationale militärische Zusammenarbeit bei der chinesischen Zentralen Militärkommission hatte sich bei einem Besuch in Damaskus mit hohen syrischen Regierungsvertretern getroffen und ihnen verstärkte Militärhilfe und Ausbildung für die syrischen Regierungstruppen zugesagt. Guan traf sich außerdem mit einem hochrangigen russischen General in Syrien. Chinesische Regierungsvertreter nannten die Mitgliedschaft von Islamisten aus der uigurischen Bevölkerung der chinesischen Region Xinjiang beim IS und dem syrischen al-Qaida-Ableger als einen der Gründe für ihr verstärktes Engagement in Syrien.

Vielleicht noch beunruhigender für die USA ist die Annäherung zwischen Russland und der Türkei nach dem gescheiterten Putsch gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan im letzten Monat, der allem Anschein nach von Washington und seinen europäischen Verbündeten unterstützt wurde. Das Ziel von Erdogans erster Auslandsreise nach dem Aufstand des Militärs am 15. Juli in der letzten Woche war St. Petersburg, die zweitgrößte Stadt Russlands. Nach Gesprächen mit Putin erklärte der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu, die Türkei und Russland planten gemeinsame Operationen gegen den IS.

Am Dienstag erklärte Senator Wiktor Oserow vom Verteidigungs- und Sicherheitsausschuss der Russischen Föderation, die Türkei könnte „den russischen Luft- und Weltraumstreitkräften den Stützpunkt Incirlik für Antiterror-Operationen [in Syrien] zur Verfügung stellen.“ In Incirlik sind derzeit tausende Mann US-Luftwaffenpersonal und private Söldner stationiert. Der Status des Stützpunkts wurde zu einem brisanten Thema, weil er eine Operationsbasis für den gescheiterten Putsch war. Diese Tatsache macht auch die Sicherheit der mindestens 50 US-Atomwaffen fraglich, die dort stationiert sind.

Anthony Cordesman, der strategische Analyst und langjährige Pentagon-Berater der Denkfabrik Center for Strategic and International Studies veröffentlichte am Dienstag ein Gutachten über das Scheitern der amerikanischen Politik in Syrien.

Cordesman erklärte, die Lage gefährde ernsthaft „die Zukunft der MENA-Region [Naher Osten und Nordafrika] und die strategischen Interessen der USA“ und wies auf die fehlende öffentliche Diskussion über die amerikanische Kriegspolitik hin: „Zum ersten Mal in der Geschichte der USA könnte das Land einen Präsidentschaftswahlkampf erleben, während dem mehrere Kriege stattfinden, ohne dass ernsthaft darüber debattiert wird, wie diese Kriege verlaufen und welche langfristigen Folgen sie haben werden.“

Er fügte hinzu, die Entwicklungen in Syrien stellten „nicht nur eine massive und dauerhafte humanitäre Katastrophe dar, sondern auch einen strategischen Alptraum“. Er wies vor allem auf die wachsende Rolle Russlands und des Iran in dem Konflikt hin sowie auf das nicht mehr unwahrscheinliche Überleben der Assad-Regierung.

Er schrieb: „Bisher scheinen die USA wenig getan zu haben, um diese Probleme anzugehen. Die Verhandlungen von Außenminister Kerry mit Russland haben diesem scheinbar nur Handlungsfreiheit für die Unterstützung von Assad gegeben, während sich die USA auf den IS konzentrieren. Diese Entscheidungen geben auch dem Iran mehr Macht und werfen die wichtige Frage auf, wer in Syrien wirklich Sieger sein wird, wenn die USA den IS besiegen.“

Dass sich auch die amerikanische Militärführung diese Frage stellt, geht aus dem Bericht über die Eroberung der Stadt Manbij im Norden Syriens hervor. Milizen, die von amerikanischen Spezialeinheiten unterstützt werden, hatten einem Konvoi von 100 bis 200 Lastern und Autos mit IS-Mitgliedern freies Geleit zur türkischen Grenze gewährt. Dies sollte vermutlich sicherstellen, dass diese Truppen noch einige Zeit weiterkämpfen können, wie die USA vermutlich hoffen, gegen Assad.

Die Obama-Regierung hat versucht, die Aktivitäten der USA in Syrien zu beschränken und stattdessen ihre militärischen Aktivitäten auf die Einkreisung Russlands und die Vorbereitung auf einen Krieg gegen dieses Land zu konzentrieren. Allerdings ist Washington nicht bereit, eine erneute Festigung der Assad-Regierung oder die Entstehung eines prorussischen Regimes in Damaskus zu akzeptieren. Die wachsenden Spannungen um das koordinierte Vorgehen von Russland, dem Iran, China und möglicherweise der Türkei könnte eine militärische Konfrontation mit katastrophalen Folgen für die ganze Welt auslösen.

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