Lebhafte Diskussion auf PSG-Wahlversammlung

Am Donnerstag fand die erste Wahlveranstaltung der Partei für Soziale Gleichheit (PSG) zum Thema „Nach dem Brexit: Nationalismus und Militarismus in Europa“ statt. Sie stieß auf großes Interesse und bildete einen starken Auftakt zur Veranstaltungsreihe, mit der die PSG in die heiße Phase des Berlin-Wahlkampfs geht.

Etwa 40 Teilnehmer hatten sich in Schöneberg eingefunden. Dutzende weitere verfolgten den Livestream. Auf der Versammlung wurde deutlich, wie wichtige es ist, dass die PSG den Kampf gegen Krieg in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfs gestellt hat. Für jeden Teilnehmer wurde sichtbar, dass es eine Partei gibt, die erklären kann, woher die Kriegsentwicklung kommt, und die vor allem ein internationales sozialistisches Programm vertritt, um die Arbeiterklasse dagegen zu mobilisieren.

„Auch in Deutschland wird wieder massiv aufgerüstet“, erklärte Christoph Vandreier, der stellvertretende PSG-Vorsitzende und Direktkandidat in Tempelhof-Schöneberg 2. „Wir appellieren an die Kampfbereitschaft der arbeitenden Bevölkerung und der Jugend. Unser Ziel ist nicht die Reform des Kapitalismus, sondern seine Abschaffung.“

Die Hauptrede der Versammlung hielt Peter Schwarz, Sekretär des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI) und Chefredakteur der deutschen Ausgabe der World Socialist Web Site. Er machte klar, dass der Nationalismus, der sich im Brexit-Referendum äußerte, nur vor dem Hintergrund der wachsenden Kriegsgefahr und Krise in Europa zu verstehen sei.

Peter Schwarz

Schwarz begann seinen Vortrag mit einer eindringlichen Darstellung der enorm zugespitzten Situation. Er zitierte aus der Erklärung des IKVI vom Februar 2016 mit dem Titel „Sozialismus und der Kampf gegen Krieg“, in der es heißt:

„Die Welt steht an der Schwelle einer katastrophalen, weltweiten militärischen Auseinandersetzung. Die Äußerungen der kapitalistischen Regierungschefs werden immer martialischer. Durch die Stellvertreterkriege in der Ukraine und Syrien rückt eine offene Konfrontation zwischen der NATO und Russland in greifbare Nähe … Genau wie in den Jahren vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 und des Zweiten Weltkriegs 1939 gelangen führende Politiker und Militärstrategen allmählich zur Überzeugung, dass ein Krieg zwischen den Großmächten keine entfernte Möglichkeit, sondern höchst wahrscheinlich und vielleicht sogar unvermeidlich ist.“

Das habe sich völlig bestätigt, kommentierte Schwarz, und er schilderte, wie weit die Kriegsvorbereitungen mittlerweile gediehen sind: Die Nato kreist Russland immer weiter ein. In Syrien, wo die Westmächte seit Jahren versuchen, einen Regimewechsel wie im Irak und in Libyen herbeizuführen, hat sich der Krieg weiter zugespitzt. Schwarz erläuterte: „Weil sich in Syrien das Gleichgewicht durch das russische Eingreifen in letzter Zeit zugunsten Assads verschoben hat, entdecken die Medien plötzlich wieder, dass dort Menschen sterben – obwohl das dort natürlich seit Jahren der Fall ist.“

„Die Welt steht an der Schwelle einer katastrophalen militärischen Auseinandersetzung“, kommentierte Schwarz. „Durch die Stellvertreterkriege in der Ukraine und in Syrien rückt eine offene Konfrontation zwischen der Nato und Russland in greifbare Nähe.“

Dadurch würden auch die Spannungen zwischen den Großmächten wachsen. Schwarz erklärte: „Diese Entwicklung führt zwangsläufig zu größeren imperialistischen Kriegen und unter Umständen auch zum Ausbruch eines Kriegs zwischen den USA und Deutschland.“ Nur in diesem Zusammenhang sei die deutsche Wende in der Außen- und Sicherheitspolitik seit drei Jahren zu verstehen, die zu einer massiven Aufrüstung der Bundeswehr geführt habe.

Das Ergebnis liege mittlerweile im so genannten „Weißbuch 2016“ vor. Dieses „sicherheitspolitische Grundlagendokument zur Zukunft der Bundeswehr“ sei „zur offiziellen Regierungspolitik geworden“, so Schwarz. Er wies nach, dass Deutschland mit dem Weißbuch, die nationalen deutschen Interessen ins Zentrum stelle und verlange, dass künftig Europa – unter deutscher Führung – den Ton angeben müsse. Im Weißbuch heißt es, als Fernziel strebe „Deutschland eine gemeinsame Europäische Sicherheits- und Verteidigungsunion an“.

Schwarz ging dann auf die tieferen Ursachen für diese Entwicklung zu neuen Kriegen ein und erklärte, dass sie in zwei grundlegenden Widersprüchen des kapitalistischen Weltsystems liegen: „Die Wirtschaft ist heute eine Weltwirtschaft, und Milliarden von Menschen sind voneinander abhängig … Die globale Arbeitsteilung hat zu einer enormen Entwicklung geführt, aber die Weltwirtschaft ist nicht global organisiert, sondern sie ist in Nationalstaaten aufgespalten, die in Konflikt zueinander stehen.“ Zweitens sei die Produktion gesellschaftlich organisiert, befinde sich aber in Privatbesitz: „Sie dient nicht der Befriedigung gesellschaftlicher Bedürfnisse, sondern der Anhäufung von privatem Profit.“

Schwarz ging noch auf weitere charakteristische Wesenszug der heutigen Gesellschaft ein und sprach über das dramatische Anwachsen der sozialen Ungleichheit. In diesem Zusammenhang erläuterte er die so genannte „Finanzialisierung“ der heutigen Wirtschaft, die eine noch viel größere Spekulationsblase erzeugt hat als 2008 vor der globalen Börsenkrise. „Finanzialisierung“ bedeutet, dass im Vergleich zur eigentlichen Produktion heute ein immer größerer Bestandteil der Gewinne durch reine Finanz- und Spekulationsgeschäfte erzielt wird. Die Aktien, das Geldvolumen, die Finanzmärkte explodieren regelrecht, und gleichzeitig stagniert die Produktion.

Nur wer diese gesamte Entwicklung im Zusammenhang verstehe, könne auch das Anwachsen von Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit verstehen, das im Brexit-Referendum zum Ausdruck gekommen sei.

Die gleiche nationalistische Entwicklung komme in vielen Ländern zum Ausdruck: im Auftreten Donald Trumps in den USA, in der österreichischen FPÖ, dem französischen Front National, der deutschen AfD sowie der britischen Partei UKIP von Nigel Farage.

Er fuhr fort: „Die Flüchtlingshetze, die wir gegenwärtig erleben, und die ständige Rechtswende aller Parteien, einschließlich der Linkspartei, ist letztlich ein Ausdruck der Interessen der wohlhabenden Mittelschichten, die in der Politik den Ton angeben.“

Schwarz betonte, die PSG sei „gegen jede Art von Nationalismus, gegen jede Art von Fremdenfeindlichkeit, wir sind für die Einheit aller Arbeiter unabhängig von der Hautfarbe, der Ethnie, der Religion, des Geschlechts oder was immer benutzt wird, um die Arbeiter zu spalten.“

„Die rechten Bewegungen können nur aufgrund des völligen Bankrotts der offiziellen Linken Unterstützung gewinnen“, fuhr Schwarz fort. „Hier in Berlin kann das jeder sehen: Hier war die Linkspartei zehn Jahre lang, von 2001 bis 2011, an der Regierung, und in keinem andern Bundesland wurde so massiv gekürzt wie in Berlin in dieser Zeit. Die Linkspartei hat Berlin zur Hauptstadt der Armut gemacht.“

Schwarz schilderte dann den prinzipiellen politischen Kampf der SEP in Großbritannien, die für einen aktiven Boykott des Referendums eintrat. Er zitierte den SEP-Vorsitzenden Chris Marsden, mit den Worten: „Wir sind für die Abschaffung der EU, aber nicht durch eine nationalistische Zerstückelung des Kontinents … Unser Schlachtruf lautet: Nein zur EU und zum britischen Nationalismus – für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa! Unser Ziel ist der Aufbau von Sektionen des Internationalen Komitees der Vierten Internationale in ganz Europa.“

Anschließend begann eine lebhafte Diskussion über zahlreiche Fragen. Sowohl Teilnehmer im Saal als auch Online-Teilnehmer meldeten sich zu Wort. Neben Fragen zum Vortrag wurden auch Fragen zur Streikbewegung in Frankreich und zur Rolle der Pseudolinken gestellt.

So fragte eine Teilnehmerin, ob der ehemalige griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis von der Syriza-Regierung immer auf der Seite der Herrschenden stand, oder sich habe kaufen lassen. Peter Schwarz antwortete Varoufakis gehöre zu den reichsten Personen in Griechenland. „Der musste nicht gekauft werden.“ Christoph Vandreier berichtete über seine Erfahrung in Griechenland während des Referendums und schilderte den ungeheuerlichen Verrat Syrizas.

Eine Besucherin erklärte, sie sei zum ersten Mal auf einer Wahlversammlung der PSG und wollte wissen: „Warum habt ihr das Thema Krieg ins Zentrum eures Wahlkampfs gestellt, waren das taktische Erwägungen? Und haben nicht alle andern Parteien ihren Wahlkampf um das Thema Flüchtlinge herum aufgebaut?“

Darauf antworteten mehrere Teilnehmer und erklärten den Zusammenhang zwischen der wachsenden Zahl der Flüchtlinge und der Kriegsentwicklung. Andere Beiträge schilderten, wie die unmenschliche Behandlung der Flüchtlinge gerade hier in Berlin genutzt werde, um Rassismus zu schüren, die Arbeiterklasse zu spalten und die Kriegspolitik durchzusetzen.

Der PSG-Vorsitzende und Spitzenkandidat Ulrich Rippert betonte, dass die Entscheidung, die Kriegsfrage in den Mittelpunk des Wahlkampfs zu stellen, keine taktische Überlegung war. „Wir stellen diese Frage ins Zentrum, weil von allen Problemen, mit denen Arbeiter und Jugendliche konfrontiert sind, die wachsende Kriegsgefahr das größte Problem ist.“

In der Kriegsentwicklung zeige sich die Krise des Kapitalismus in ihrer schärfsten Form. „Arbeiter können ihre sozialen und demokratischen Rechte nur verteidigen, wenn sie der Kriegsentwicklung in jedem Land in einer internationalen Bewegung entgegentreten. Um eine solche Bewegung aufzubauen, treten wir zu den Wahlen an. Denn sie braucht eine sozialistische Perspektive und muss sich die Überwindung des Kapitalismus zum Ziel setzen. Es kann keinen Kampf für Sozialismus geben ohne Kampf gegen Krieg und keinen Kampf gegen Krieg ohne den Kampf für Sozialismus.“

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