Bundeswehr wirbt verzweifelt um Nachwuchs

Wenige Wochen vor der Berliner Landtagswahl hat die Bundeswehr ihre abstoßende Werbekampagne verstärkt. In U-Bahn-Höfen, an S-Bahnstationen, Bushaltestellen und in Fußgängerzonen sind großflächige Plakate zu sehen, die darauf abzielen, das Nachwuchsproblem der Bundeswehr zu lösen und junge Menschen für die neue deutsche Kriegspolitik zu rekrutieren.

Bundeswehrpropaganda in der Berliner U-Bahn

Die Kampagne, die auch in anderen deutschen Innenstädten durchgeführt wird, umwirbt Jugendliche mit dem Motto: „Mach, was wirklich zählt.de“. Mit provokativen und zynischen Sprüchen soll die Bundeswehr als „attraktivster Arbeitgeber Deutschlands“ (Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen) dargestellt werden, bei dem sich Jugendliche nicht nur selbst verwirklichen, sonder auch für hehre Ziele und Werte kämpfen können.

Hier eine Auswahl der Slogans, die mit einem einheitlich gestalteten Flecktarnhintergrund auf insgesamt 5,5 Millionen Postkarten, 30.000 Megapostern, Videos und Anzeigen auf Facebook, google und Instagram zu sehen sind. „Bei uns geht es ums Weiterkommen. Nicht nur ums Stillstehen“, „Nur wenn du deine Grenzen suchst, kannst du deine Stärken finden“, „Wir kämpfen auch dafür, dass du gegen uns sein kannst“, und ziemlich unverblümt: „Krisenherde löscht du nicht mit Abwarten und Teetrinken“.

Propagandaposter an einer Hauswand in Berlin

Warum deutsche Soldaten „Krisenherde löschen“ sollen, kann man im Juli verabschiedeten „Weißbuch 2016 zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr” nachlesen. Unter der Überschrift „Deutschlands strategische Prioritäten“ heißt es, die deutsche Wirtschaft sei „ebenso auf gesicherte Rohstoffzufuhr und sichere internationale Transportwege angewiesen wie auf funktionierende Informations- und Kommunikationssysteme“. Allerdings könne die Bundeswehr die „Auftragserfüllung und Einsatzbereitschaft nur sicherstellen […], wenn sie über einen am tatsächlichen Bedarf orientierten Personalkörper verfügt.“

Um es klar auszusprechen: die deutsche Armee hat sich nicht der Nachwuchsförderung verschrieben, weil sie jungen Menschen die Möglichkeit bieten will, sich selbst zu verwirklichen oder gar für demokratische Rechte zu kämpfen. Wie im Ersten und Zweiten Weltkrieg oder den von Deutschland unterstützten Kriegen in Jugoslawien, Afghanistan und im Nahen Osten sollen tausende junge Menschen als Kanonenfutter für die geostrategischen und wirtschaftlichen Interessen des deutschen Imperialismus verheizt werden.

Ausgerechnet Berlin, wo man keinen Schritt gehen kann, ohne an die schrecklichen Verbrechen des deutschen Militarismus im Zweiten Weltkrieg erinnert zu werden, wird dabei wieder zum zentralen Rekrutierungszentrum. Mitten in der Stadt, am Bahnhof Friedrichstraße, hat die Bundeswehr schon 2014 einen sogenannten Showroom eröffnet. Ihm gegenüber steht das Mahnmal zur Erinnerung an die jüdischen Kindertransporte der Nazis.

Rekrutierungsbüro der Bundeswehr am Bahnhof Friedrichstraße

Nicht nur die zunehmenden Kriegseinsätze der Bundeswehr sind aufgrund der deutschen Geschichte in der Bevölkerung verhasst. Die deutsche Armee als solche ist äußerst unbeliebt und hat seit der Aussetzung der Wehrpflicht im Jahr 2011 enorme Nachwuchsprobleme. Im Juli zeigte sich von der Leyen „unzufrieden“ mit der hohen Abbrecherquote „von rund einem Viertel [aller Rekruten] im freiwilligen Wehrdienst“.

In ihrer Not schreckt die Bundesregierung nicht davor zurück, sogar 17-Jährige an der Waffe auszubilden. Sie musste auf Nachfrage zugeben, dass schon 2013 über tausend Minderjährige an der Waffe ausgebildet wurden. Ein UN-Ausschuss kritisierte auf Druck von Kinderrechtlern die „diversen Werbekampagnen der Bundeswehr, die speziell auf Kinder ausgerichtet sind, sowie […] die Präsenz von Bundeswehrsoldaten an den Schulen“, und forderte ein Verbot dieser Praxis.

Seit Bundespräsident Gauck und die Bundesregierung vor zweieinhalb Jahren die Rückkehr des deutschen Militarismus verkündet haben, versuchen „Karriereberater“ und „Jugendoffiziere“ der Bundeswehr auch verstärkt in Schulen und Jobcentern zu rekrutieren. Ihr Werbeetat liegt mittlerweile bei 30 Millionen Euro. Bundesweit gibt es bereits 140 Beratungsstellen.

Gleichzeitig finden Veranstaltungen für Arbeitslose in Jobcentern und für Schüler in Berufsinformationszentren (BIZ) und Schulen statt. Feierlichkeiten wie der sogenannte „Tag der Bundeswehr“ sollen dazu dienen, das Militär wieder fest „in der Mitte der Gesellschaft“ zu verankern (Weißbuch 2016). Luftwaffenoffiziere, die gerade von ihren Einsatzorten aus Afghanistan oder Syrien kommen, führen 12-jährigen Kindern schweres Militärgerät vor.

Nun sollen sogar die Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht geprüft und stabile Informationswege für eine Einberufung oder Mobilmachung eingerichtet werden. Die Bundesagentur für Arbeit kann Männer und Frauen im „Ernstfall“ zu Tätigkeiten in „lebens- und verteidigungswichtigen Bereichen“ zwangsverpflichten. Diese weitreichenden Maßnahmen gehen aus dem „Konzept Zivile Verteidigung“ (KZV) hervor, das Innenminister Thomas de Maizière am vergangenen Mittwoch offiziell in Berlin vorgestellt hat.

Der Wahlkampf der Partei für Soziale Gleichheit (PSG) gewinnt in dieser Situation eine immer größere Bedeutung. Während Armee und Regierung die Bevölkerung auf Krieg vorbereiten, kämpft die PSG für den Aufbau einer internationalen Bewegung gegen Krieg und Kapitalismus. „Nie wieder Krieg: Milliarden für Schulen und Jobs statt für Rüstung und Krieg“, heißt es auf einem ihrer Wahlplakate. Und auf einem anderen: „Die deutschen Eliten wollen wieder Krieg: Wir nicht“.

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