Deutliche Hinweise auf britische Bodentruppen in Syrien

Am 7. September empfing Großbritannien das syrische Hohe Verhandlungskomitee HNC („High Negotiations Commission“), die Vertretung von über dreißig politischen und militärischen Oppositionsgruppen, die den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad stürzen wollen.

Der britische Außenminister Boris Johnson nutzte die Gelegenheit und forderte Russland auf, es solle endlich seine Unterstützung für die syrische Regierung einstellen und einem sogenannten „demokratischen Übergang“ zustimmen. Damit unterstrich Johnson nur die Rolle, die Großbritannien bei der Aktion „Regimewechsel“ der Vereinigten Staaten in wachsendem Maße spielt. Sie umfasst auch eine verdeckte und illegale Präsenz von Soldaten im Land. Das Ziel besteht darin, Syrien in ethnisch-religiöse Enklaven aufzuspalten.

Im August veröffentlichte die BBC Bilder aus Syrien, die eine britische Einheit der Special Air Service (SAS) nahe der syrisch-irakischen Grenze bei einem „Rebellen“-Stützpunkt zeigt. Diese Bilder bestätigen, was schon aus einem früheren BBC-Bericht vom März 2015 über britische Spezialeinheiten hervorgegangen war: In Missachtung des Unterhausbeschlusses von 2013, der eine Militärintervention in Syrien untersagt, operieren Einheiten an der Front. Der damalige Premierminister David Cameron hatte versprochen, diesen Beschluss zu respektieren. Im vergangenen Dezember stimmte das Parlament zwar zu, Luftschläge gegen den Islamischen Staat (IS) zu führen, nicht jedoch Bodentruppen und Spezialeinheiten zu entsenden.

Der geheime SAS-Einsatz ist Teil einer Regierungspolitik, die seit Beginn des syrischen Bürgerkriegs auf Lügen, Täuschungen und Desinformationen beruht. In seinem Verlauf sind in den letzten fünf Jahren über 400.000 Menschen getötet und fast die Hälfte der syrischen Bevölkerung vertrieben worden. Der Krieg zum Sturz des Assad-Regimes zielt darauf ab, den Einfluss der Verbündeten Syriens, des Iran und Russlands, in der Region einzudämmen.

Der Guardian berichtete vor kurzem über ein weiteres Beispiel, wie Cameron den offiziellen Willen des Parlaments und der britischen Wähler missachtete. Laut einem Vertragsdokument vom November 2014, das der Zeitung zugespielt wurde, hat die Regierung schon kurz nach der Abstimmung von 2013 begonnen, ein Pressebüro für die britischen und amerikanischen Stellvertreterkräfte in Syrien einzurichten, das sie als Teil von Camerons „Anti-IS-Propaganda“ finanziert.

Das Außenministerium gab zusammen mit dem Verteidigungsministerium Millionen aus, um Werbepartner zu engagieren, die Filme, Videos, Feldberichte, Radiosendungen und Internet-Beiträge auf Arabisch posteten. Sie nutzten die Logos der Milizen und „unterstützten die syrische 'moderate armed opposition' (MAO) mit strategischer Kommunikation und Medien-Operationen“. Sie operierten aus Istanbul und nutzten offensichtlich als Frontorganisation eine so genannte humanitäre Organisation namens „Conflict and Stability Fund“ (Konflikt- und Stabilitäts-Fonds).

Das Ganze war Teil einer breiten Propagandaoffensive, die darauf abzielte, in Syrien „die moderaten Werte der Revolution“ voranzubringen. Der Feldzug sollte die Effizienz der MAO unter Beweis stellen und in der öffentlichen Meinung eine Stimmung erzeugen, das sowohl das Assad-Regime als auch den Islamischen Staat ablehnt. Der Guardian zitierte eine britische Quelle, die den Vertragsinhalt kennt und ihn mit den Worten kommentierte, die Regierung führe damit im Wesentlichen ein „Pressebüro der Freien Syrischen Armee“.

Die britische Regierung hat diese Arbeit überwacht und kein Schritt wurde ohne die Zustimmung des Außen- und des Verteidigungsministeriums unternommen.

Wie der Guardian unter Berufung auf seine Quelle schrieb, ist das Vorgehen zum Teil auch der Versuch, den britischen Faux Pas von 2013 wieder gutzumachen, als Großbritannien die amerikanische Regierung durch seine Entscheidung gegen eine Militärintervention in Syrien erzürnte. Die Filme und die Propaganda waren ein klares Signal an das US-Außenamt und dessen regionale Verbündete, die die SFA und die sogenannten „moderaten“ Kräfte bewaffnen. Dies sei „gute Propaganda“ mit der man auch das Pentagon beeindrucken könne.

Das Wesen der sogenannten Moderaten, die Großbritannien unterstützt, trat im Juni 2015 offen zutage. Damals stand in London ein Schwede vor Gericht, Bherlin Gildo, der des Terrorismus‘ in Syrien beschuldigt wurde. Der Staatsanwalt sah sich gezwungen, den Fall zu den Akten zu legen, als klar wurde, dass der britische Geheimdienst ausgerechnet die Rebellengruppe des Angeklagten mit Waffen beliefert hatte. Die Verteidigung argumentierte, der ganze Prozess sei ein „Affront gegen die Gerechtigkeit“, da es offensichtlich erwiesen war, dass der britische Staat der bewaffneten syrischen Opposition „umfangreiche Unterstützung“ zukommen lässt. Die Verteidigung führte das Beispiel der Zusammenarbeit des MI6 mit der CIA an, die im Jahr 2012 eine „Rattenlinie“ organisiert hatten, um die Rebellen in Syrien mit Waffen aus Libyen zu versorgen. Vorausgegangen war der Nato-Krieg gegen Libyen, in dessen Verlauf das Regime gestürzt und der libysche Staatschef Muammar Gaddafi, brutal ermordet wurde.

Für die Regierung war der Vertrag zur Propagierung der Freien Syrische Armee offensichtlich eine Übergangslösung, bis das britische Militär offen eingreifen konnte. Er verschaffte ihr, wie es heißt „die Fähigkeit, sobald wie möglich, in den strategischen Raum zu expandieren“ (Hervorhebung hinzugefügt).

Das war ein offenes Eingeständnis, dass britische Soldaten schon in Syrien operierten, lange bevor die Regierung die Abstimmung im Unterhaus im Jahr 2013 verlor.

2012 schrieb die israelische Website DEBKAfile, die enge Verbindungen zum israelischen Militärgeheimdienst hat, dass SAS-Kommandos an der Seite der Aufständischen verdeckte Operationen in Syrien ausführten. Der britische Geheimdienst übermittelte Erkenntnisse über syrische Truppenbewegungen vom britischen Stützpunkt auf Zypern aus an die Türkei, die sie an die Freie Syrische Armee weiterleitete – ein Vorgehen, welches das Verteidigungsministerium erst im Oktober 2014 zugab.

Im Juni 2012 tauchten zahlreiche Berichte darüber auf, dass immer mehr britische Spezialkräfte auf syrischem Boden oder an der türkischen Grenze Nahe Aleppo operierten. Zwei Jahre später berichtete dann ein BBC-Newsnight-Team, dass britische Generäle 2012 die Absicht hatten, hunderttausend syrische Rebellenkräfte auszubilden. Dieser Plan wurde aber nach Diskussionen in Großbritannien und den USA wieder verworfen, weil man ihn als zu riskant erachtete.

Indessen räumte die Regierung 2012 gegenüber der Öffentlichkeit lediglich ein, sie unterstütze die islamistischen Milizen in Syrien mit „nicht-tödlicher Ausrüstung“, was Fahrzeuge, Laster und VSATs (kleine Satellitensysteme für die Datenübermittlung) betraf. Außerdem trainiere sie die syrischen Oppositionskräfte.

Nur wenige Monate später berichtete der Daily Telegraph, dass britische Militär-„Berater“ an der syrischen Grenze operierten. Die kroatische Presse deckte auf, dass Großbritannien seit November 2012 an einer umfangreichen Luftbrücke der USA teilnahm, um die syrischen Rebellen über Zagreb mit schweren Waffen zu versorgen. Dies geschah in offener Missachtung eines Embargos, das die Europäische Union (EU) für alle Waffenlieferungen nach Syrien verhängt hatte.

Ein weiterer Indizienbeweis für die britische Rolle ist der stark redigierte Bericht des amerikanischen Militärgeheimdienstes Defence Intelligence Agency (DIA) vom August 2012, den die rechte NGO Judicial Watch veröffentlicht hat. Wie es in diesem Bericht heißt, unterstützen die USA und ihre Verbündeten den bewaffneten Aufstand in Syrien, obwohl sie wissen, dass er von salafistischen Kräften, der Muslimbruderschaft und von al-Qaida dominiert ist. Die USA wüssten, dass diese Kräfte einen Salafistenstaat in Ostsyrien errichten wollten, heißt es dort. Und dies sei „genau das, was die Unterstützermächte der Opposition wollen, um das syrische Regime zu isolieren“.

In Anbetracht der engen Beziehungen, die London zu Washington unterhält, ist es unvorstellbar, dass Großbritannien nicht eine dieser „Unterstützermächte“ ist. Sie stehen seit den ersten Tagen des syrischen Bürgerkriegs hinter den Islamisten und dem Versuch, das Land zu spalten. Dass die Saudis die Islamisten bewaffneten, war allgemein bekannt, und deshalb ist Großbritannien, einer der wichtigsten Waffenlieferanten Riads, unmittelbar daran beteiligt.

Im September 2014 trat Cameron offen für Luftschläge gegen den IS ein, wobei dies jedoch, wie er zugeben musste, nicht ohne parlamentarische Zustimmung möglich war. Dennoch wurde im Juli 2015 bekannt, dass das britische Militär sich auch ohne solche Zustimmung zusammen mit amerikanischen und kanadischen Kräften an Luftschlägen gegen Syrien beteiligte.

Die Lügen und Ausflüchte ergeben sich aus der Politik einer Regierung, die gegen den Willen der Bevölkerung bereit ist, Angriffskriege zu führen, um die räuberischen Wirtschaftsinteressen der Finanzelite in der ölreichen Region durchzusetzen. Der Labour-Vorsitzende Jeremy Corbyn trägt eine erhebliche Verantwortung dafür. Er hatte am 2. Dezember letzten Jahres auf die Durchsetzung des Fraktionszwangs verzichtet und es den Labour-Abgeordneten ermöglicht, gegen die offizielle Politik ihrer Partei zu stimmen, die eine Interventionen in Syrien ablehnte.

Die Kriegstreiber in der Labour Party hatten damit freie Hand, und der damalige Schattenaußenminister Hilary Benn bekam sogar Applaus von den Konservativen, als er in der Debatte für die Opposition sprach. Schließlich stimmten 66 Labour-Abgeordnete mit der Regierung. Corbyn verschaffte so nicht nur den Tories die entscheidende parlamentarische Mehrheit für ihre Kriegspläne. Er bereitete selbst den Boden für die heutigen Versuche des Blair-Flügels, ihn als Parteiführer abzusetzen und seine Unterstützer aus der Partei zu werfen.

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