Bundeswehr verschärft Kriegsoffensive im Nahen und Mittleren Osten

Medienberichten zufolge wird die Bundeswehr ihre Präsenz auf der Luftwaffenbasis Incirlik im Südosten der Türkei massiv ausbauen. Das Verteidigungsministerium von Ursula von der Leyen (CDU) habe dafür insgesamt Investitionen im Umfang von 58 Millionen Euro freigegeben.

Laut Informationen von Spiegel Online sollen für rund 26 Millionen Euro ein eigenes Flugfeld für die in Incirlik stationierten Tornados der Luftwaffe sowie feste Unterkünfte für die deutschen Soldaten entstehen. Für weitere 30 Millionen Euro werde die Bundeswehr zudem einen modernen mobilen Gefechtsstand für den Einsatz der Luftwaffe anschaffen. Dafür sei der Bau eines Fundaments erforderlich, der weitere zwei Millionen Euro koste.

Der Nato-Stützpunkt Incirlik ist die zentrale Basis für den US-geführten Bombenkrieg in Syrien und im Irak, an dem sich die Bundeswehr seit Ende des vergangenen Jahres mit Kampfjets, einem Kriegsschiff, einem Tankflugzeug, Satellitentechnik und bis zu 1200 Soldaten beteiligt. Rund 500 Aufklärungs-Einsätze sind die deutschen Tornado-Piloten seitdem geflogen.

Der Ausbau des Luftwaffenstützpunkts ist Bestandteil einer massiven Ausweitung der deutschen Kriegsoffensive im Nahen und Mittleren Osten. Am vergangenen Sonntag schickte die deutsche Regierung eine neue umfangreiche Waffenlieferung an die kurdischen Peschmerga im Nordirak. Nach Angaben der Bundeswehr bestand sie aus zwei gepanzerten Fahrzeugen vom Typ Dingo I, 1.500 G36-Sturmgewehren, 2 Millionen Schuss Munition und 100 Panzerabwehrraketen vom Typ Milan.

Ein aktueller Bericht auf der offiziellen Website der deutschen Marine berichtet, die Fregatte Augsburg sei „gut vorbereitet und bei bestem Wetter [...] auf dem Weg in den Einsatz Counter Daesh II“. Bereits von Dezember 2015 bis März 2016 hatte das deutsche Kriegsschiff den französischen Flugzeugträger Charles de Gaulle im Rahmen des Kriegseinsatzes gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) in den Persischen Golf begleitet.

Gegen Ende Oktober soll laut Bild am Sonntag dann eine weiteres deutsches Kontingent mit Awacs-Aufklärungsflügen über Syrien beginnen. Die Nato-Mission war bereits auf dem Gipfel des Militärbündnisses in Warschau Anfang Juli beschlossen worden. Stationiert werden sollen die deutschen Soldaten ebenfalls in der Türkei.

Mit der Entsendung zusätzlicher Bundeswehreinheiten und den Investitionen in Incirlik zeichnet sich eine Entspannung der Beziehungen zwischen Ankara und Berlin ab. Diese hatten nach dem gescheiterten Putschversuch gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan im Juli – der zumindest die stillschweigende Unterstützung von Teilen der herrschenden Kreise in den USA und Deutschland genoss – einen Tiefpunkt erreicht.

Zuvor hatte bereits eine im Juni verabschiedete Resolution des Bundestags, die den Massenmord an bis zu 1,5 Millionen Armeniern im Osmanischen Reich als „Völkermord“ bezeichnet, die deutsch-türkischen Beziehungen schwer belastet. Erdoğan hatte damals gewarnt, dass die Initiative zu „einer Beschädigung der diplomatischen, wirtschaftlichen, politischen, und militärischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern führen könnte“, und Bundestagsabgeordneten den Besuch der in Incirlik stationierten deutschen Soldaten untersagt.

Spätestens seit dem Einmarsch des türkischen Militärs in Nordsyrien und dem gleichzeitigen Besuch des amerikanischen Vizepräsidenten Joseph Biden in Ankara war jedoch auch die deutsche Regierung wieder um eine Verbesserung ihres Verhältnisses zur Türkei bemüht.

Am vergangenen Freitag distanzierte sich Regierungssprecher Steffen Seibert öffentlich von der Armenien-Resolution und erklärte, diese sei lediglich eine Willenserklärung des Bundestags und „rechtlich nicht bindend“. Am Rande des G-20 Gipfels im chinesischen Hangzhou traf sich dann Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) persönlich mit Erdoğan. Gleichzeitig führte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) Gespräche mit seinem türkischen Kollegen Mevlüt Çavuşoğlu.

Anfang der Woche erklärte ein Sprecher des deutschen Außenministeriums, es wäre „ein guter und richtiger Schritt“, wenn der nächste, für Anfang Oktober geplante Besuch deutscher Parlamentarier in Incirlik stattfinden könnte. Çavuşoğlu gab seinerseits gegenüber der Welt zu Protokoll: „Wenn Deutschland sich weiter so verhält wie jetzt, dann werden wir das erwägen.“ Aber er fügte auch warnend hinzu: „Wenn Deutschland aber versucht, die Türkei schlecht zu behandeln, dann ist das nicht der Fall.“

Schon am folgenden Tag kam es zu einem erneuten Eklat. Nach Angaben der Deutschen Welle wurde ein Interview, das der Sender mit dem türkischen Sportminister Akif Çağatay Kılıç geführt hatte, von dessen Ministerium konfisziert. Kılıç selbst behauptet jedoch, er habe das Interview lediglich nicht autorisiert. Laut Auswärtigem Amt hat der deutsche Botschafter Martin Erdmann zeitnah ein „konstruktives“ Telefongespräch mit dem Büroleiter des Sportministers geführt.

Am Donnerstag hieß es dann aus Regierungskreisen, die Türkei habe die Reise der Obleute des Verteidigungsausschusses nach Incirlik genehmigt. Eine entsprechende Note des türkischen Außenministeriums sei eingegangen. Steinmeier begrüßte die Entscheidung Ankaras und erklärte, nun sei man „ein Stück“ weiter. Hinter den schwierigen, auch in den eigenen Reihen nicht unumstrittenen Bemühungen der Bundesregierung um eine Wiederannäherung an Ankara stehen eine ganze Reihe strategischer Ziele.

Zum einen betrachtet Deutschland die Türkei, trotz der Waffenlieferungen an die Peschmerga, nach wie vor als wichtigsten Verbündeten für die militärische Durchsetzung seiner imperialistischen Interessen im Nahen und Mittleren Osten – notfalls auch unabhängiger von den USA. Spiegel Online schreibt, dass der Ausbau Incirliks „aus Sicht der Militärs [...] dringend notwendig“ sei. So habe die Luftwaffe seit dem Beginn des deutschen Kriegseinsatzes „ihre Jets auf Stellflächen der US-Amerikaner parken, in provisorischen Unterkünften schlafen und sich bei ihren Aufklärungsflügen auf technische Unterstützung der Verbündeten verlassen“ müssen.

Eine weitere Maxime der deutschen Außenpolitik ist die brutale Abschottung Europas gegen Flüchtlinge aus den Kriegsgebieten des Nahen und Mittleren Ostens. „Nachhaltig“ sei dies „nur gemeinsam mit dem EU-Türkei-Abkommen erreicht worden“, erklärte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) am Dienstag im Bundestag. „Waren es im August vor einem Jahr noch etwa 100.000 erfasste Menschen in einem Monat, zählen wir für den jüngst abgelaufenen August nur noch circa 18.000.“ Dieser „Rückgang um 80 Prozent in einem Jahr“ sei eine „Leistung, die mancher vor einem Jahr für nicht erreichbar gehalten hätte“.

Ganz unmittelbar will der deutsche Imperialismus mit dabei sein, wenn es um die militärische Durchsetzung des vom Westen angestrebten Regimewechsels in Syrien und den Kampf um die Aufteilung der Beute zwischen den imperialistischen Mächten geht.

Am Mittwoch nahm eine deutsche Delegation an der „Syrien-Konferenz“ der sogenannten „High Negotiations Commission (HNC)“ in London teil. Çavuşoğlu erklärte dort, dass für die Vernichtung des IS unbedingt eine Bodenoffensive auf die syrische Stadt Rakka erfolgen müsse. Die Türkei könne diese jedoch nicht alleine durchführen. „Die Sicherheitseinheiten, einschließlich des Militärs und der Nachrichtendienste, müssen diese Operation gründlich erörtern. Der Plan und die Strategie dieser Operation müssen wohldurchdacht und ergebnisorientiert sein“, so Çavuşoğlu.

Die HNC, ein hauptsächlich von Saudi-Arabien finanziertes Oppositionsbündnis, das in Syrien bewaffnete islamistische Milizen unterstützt und seit langem den Sturz der mit Russland verbündeten Regierung von Baschar al-Assad fordert, lies keinen Zweifel daran, was mit „wohldurchdacht“ und „ergebnisorientiert“ gemeint ist. So präsentierte der General Coordinator der HNC, Riad Hidschab, ein Strategiepapier für einen „Übergangsprozess“, d.h. die Installation eines pro-westlichen Stellvertreterregimes in Damaskus.

Bevor Hidschab im August 2012 zur Opposition überlief, war er amtierender syrischer Ministerpräsident und ein hochrangiges Mitglied in Assads Baath-Partei. Die Bundesregierung unterhält seit langem enge Beziehungen zu ihm. Allein in diesem Jahr fanden mindestens zwei Treffen zwischen Steinmeier und Hidschab im Januar und Mai statt. Eine entscheidende Rolle bei der Organisation der syrischen Opposition in Berlin spielte von Anfang an die Linkspartei. Bereits am 15. November 2013 hatte ihr außenpolitischer Sprecher Wolfgang Gehrcke an einem von der Körber-Stiftung veranstalteten sogenannten „Hintergrundgespräch“ mit Hidschab teilgenommen.

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