Perspektive

Die US-Wahlen und die Krise des Zweiparteiensystems

Eine Woche vor der Wahl werden die Umfragen immer knapper und wird das Ergebnis immer unsicherer. Am 28. Oktober hat eine Intervention des FBI den Konflikt im politischen Establishment erneut vertieft. Das gesamte politische System der USA droht im Chaos zu versinken.

Ein Brief des FBI-Direktors James Comey an den Kongress hat diesen über die Wiederaufnahme von Untersuchungen gegen Hillary Clinton unterrichtet. Es geht um Clintons Nutzung eines privaten E-Mail-Servers für offizielle Korrespondenz als Außenministerin. Comey enthüllte mit seinem Brief eine Auseinandersetzung im Staatsapparat. Seither treten Konflikte an die Oberfläche, die zuvor schon lange brodelten.

Wie mehrere Vertreter des FBI und des Justizministeriums seit Freitag betonten, hat die Untersuchung gegen Clinton diese Spannungen verschärft. Örtliche FBI-Büros fordern eine schonungslosere Untersuchung von Clintons angeblich unprofessionellem Umgang mit geheimen Informationen. Sie fordern außerdem eine weitere, davon unabhängige Untersuchung darüber, ob im Zusammenhang mit der schwerreichen Clinton-Stiftung nicht Korruption im Spiel sei.

Der interne Konflikt nahm im Juli an Schärfe zu, als Comey bekanntgab, dass die Untersuchung von Clintons Umgang mit den E-Mails abgeschlossen und ohne Anklage eingestellt worden sei.

Heute stellt sich Comey mit seinem Brief auf die Seite der Fraktion, die ein aggressiveres Vorgehen gegen Clinton verlangt. Nur elf Tage vor der Wahl am 8. November geht er mit der Untersuchung weiterer E-Mails an die Öffentlichkeit.

Mehrere Vertreter des Justizministeriums missbilligten Comeys Entscheidung öffentlich. Die Demokratische Partei und das Clinton-Lager sowie mehrere ehemalige Justizminister der Republikaner wie der Demokraten haben Comeys Schritt entschieden verurteilt. Harry Reid, der führende Demokrat im Senat, wirft Comey in einem Brief vor, er habe das Hatch-Gesetz verletzt. Dieses Gesetz verbietet es Bundesbeamten, einen Kandidaten öffentlich zu begünstigen. Mindestens ein Demokratischer Abgeordneter hat den FBI-Chef aufgefordert, sofort zurückzutreten.

Erst vor wenigen Wochen haben Clinton und die Demokratische Partei empört Trumps Behauptung zurückgewiesen, dass die Wahl gefälscht sei. Solche Vorwürfe, behaupteten sie, seien unpatriotische Anwürfe gegen die unverfälschten amerikanischen Wahlen und die amerikanische Demokratie. Aber heute, unter geänderten Vorzeichen, zetern sie über Foulspiel und beschuldigen das FBI, die Wahl zu ihren Ungunsten zu beeinflussen.

Tatsächlich bedienen sich beide Fraktionen der herrschenden Klasse der Methode des Skandalisierens. In den letzten Monaten haben sich die Demokraten hauptsächlich auf Trumps Sexskandale gestürzt und Hetzkampagnen im Stile McCarthys betrieben, weil Trump angeblich eine Marionette des Kremls sei. In seinem Brief an Comey griff auch Reid dieses Thema auf. Er beschuldigte das FBI, sich zu weigern, „explosive Informationen über enge Verbindungen und die Zusammenarbeit Donald Trumps und seiner hohen Berater mit der russischen Regierung zu veröffentlichen, d.h. über ausländische Interessen, die den Vereinigten Staaten feindlich gesonnen sind“.

Trump wiederum deutete auf die einseitige Unterstützung der Medien für Clinton hin und verurteilte die Weigerung des FBI, Clinton anzuklagen. Er machte kaum verhüllte Appelle an ausländerfeindliche und rassistische Stimmungen und behauptete, am Wahltag sei in Stadtteilen, die überwiegend von Einwanderern und Minderheiten bewohnt sind, systematisches Ballot Stuffing zu erwarten, d.h. es würden massenweise gefälschte Wahlzettel in die Urnen geworfen.

Tatsächlich ist die Wahl insgesamt ein Hohn auf die Demokratie. Keine der beiden Parteien hat eine Antwort auf die sehr realen Sorgen der arbeitenden Bevölkerung. Schlammschlachten und Skandale werden benutzt, um die brennenden Probleme von Krieg, sozialer Ungleichheit und Angriffen auf demokratische Rechte zu überdecken.

Die jüngste Wende im Präsidentschaftswahlkampf unterstreicht die reaktionäre Grundlage des Clinton-Wahlkampfs der Demokraten. Sie haben versucht, den faschistoiden Trump von rechts anzugreifen. Sie wollen die Unterstützung von Republikanischen Politikern und Wählern gewinnen und das militärisch-geheimdienstliche Establishment auf ihre Seite ziehen, indem sie Clinton als verlässliche Vertreterin der Militärinterventionen präsentieren und betonen, Trump tauge nicht zum Oberkommandierenden.

Dem Überlebenskampf der Arbeiter stehen sie gleichgültig gegenüber. Diese fast unverhüllte Gleichgültigkeit und die fehlende Unterstützung aus der Arbeiterklasse bewirkt, dass die Demokraten für die pro-Trump Kräfte im Staat und ihre dunklen Machenschaften sehr leicht angreifbar sind.

Die jüngste Entwicklung entlarvt erneut Bernie Sanders‘ Verrat. Erst hat er sich als Sozialist und Gegner der „Milliardärsklasse“ ausgegeben und einen großen Teil der Arbeiterklasse und der Jugend für sich gewonnen. Heute versucht er, seinen Einfluss geltend zu machen, um die soziale Opposition für die Demokratische Partei und den Wahlkampf Clintons, der Kandidatin der Wall Street, nutzbar zu machen. Damit spielt er eine wichtige Rolle, um die Entstehung einer unabhängigen Bewegung der Arbeiterklasse zu verhindern.

Welcher Kandidat auch immer am nächsten Dienstag die Wahl gewinnt, nichts wird sich an der Krise des Zweiparteiensystems verbessern. Diese zwei Kandidaten sind die unbeliebtesten in der ganzen amerikanischen Geschichte; breite Schichten der Bevölkerung verachten sie. Die Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung wird das Wahlergebnis als illegitim ansehen. Dutzende Millionen Arbeiter werden in einem Sieg Trumps eine Kriegserklärung an die Arbeiterklasse sehen. Ein Sieg Clintons wird als Fortsetzung des reaktionären Status Quo verstanden werden.

Auch die wütenden Konflikte im Staatsapparat werden nicht nachlassen. Sie wurzeln objektiv in einer historischen Krise des amerikanischen und des internationalen Kapitalismus. So haben Wirtschaftskrise und Verfall, immer schärfere soziale Polarisierung und wachsende geopolitische Konflikte die Grundlagen der bürgerlichen Demokratie vollkommen unterhöhlt.

In diesen Wahlen 2016 ist eine beispiellose politische Krise aufgebrochen und sie ist das Ergebnis eines langen Prozesses. Schon 1998 zeichnete sich im Amtsenthebungsverfahren gegen Bill Clinton wegen eines Sexskandals ein explosiver Zusammenbruch des politischen Systems ab. In einem Leitartikel mit dem Titel „Treibt Amerika auf einen Bürgerkrieg zu?“ schrieb die World Socialist Web Site damals, nach der Abstimmung im Repräsentantenhaus über das Amtsenthebungsverfahren:

„Die Krise in Washington entspringt einem Zusammenspiel komplexer politischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Prozesse. Unter dem Gewicht schwerer und zunehmend unlösbarer Widersprüche bricht die bürgerliche Demokratie mehr und mehr ein.“

Diesem einschneidenden Ereignis folgte im Jahr 2000 die gestohlene Präsidentschaftswahl und nach den Terroranschlägen vom 11. September der „Krieg gegen den Terror“. Fünfzehn Jahre ununterbrochener und immer größerer Kriege gehen mit einem Frontalangriff auf demokratische Rechte und dem Aufbau eines Polizeistaats einher. Gleichzeitig entwickelt sich die größte Wirtschaftskrise seit der großen Depression, während sich die Reichen auf Kosten der großen Mehrheit weiter bereichern. Das hat die Macht des Militär- und Geheimdienstapparats, des „tiefen Staats“, nur noch weiter gestärkt und die traditionellen verfassungsmäßigen Verhältnisse kapitalistischer Herrschaft in Amerika endgültig untergraben.

Dieser Prozess findet im üblen Spektakel der Wahl 2016 einen gefährlichen Ausdruck. Gleichzeitig wächst die soziale Opposition und Ablehnung des gesamten politischen Systems. Den Wählern bleibt nur die Wahl zwischen zwei korrupten, rechten Vertretern des reichsten Prozents der Gesellschaft.

Die Arbeiterklasse muss als unabhängige Kraft in die politische Krise eingreifen. Sie muss für ein Programm kämpfen, das ihre Interessen und Bedürfnisse formuliert und nicht das Profitstreben der Finanzaristokratie. Sonst wird das Zweiparteiensystems nur weiter nach rechts treiben und immer brutalere Angriffe auf den Lebensstandard der Arbeiterklasse durchsetzen. Dies wird die Entwicklung in Richtung Diktatur beschleunigen und einen neuen Weltkrieg hervorrufen.

Deshalb ist der Wahlkampf der Socialist Equality Party so bedeutsam. Ihre Kandidaten, Jerry White als Präsident und Niles Niemuth als Vizepräsident, warnen die Arbeiterklasse als einzige vor der sehr realen Gefahr von Krieg. Sie treten als einzige für ein sozialistisches Programm ein, um diese Gefahr zu stoppen. Nur der Wahlkampf der SEP bereitet eine politische Führung für die Massenkämpfe der Arbeiterklasse vor, die nach der Wahl zu erwarten sind.

Wer gegen Krieg, Ungleichheit und Unterdrückung ist, muss den Wahlkampf der SEP aktiv unterstützen und sich dem Kampf für den Aufbau einer revolutionären Führung in der Arbeiterklasse anschließen.

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