Obama lehnt Begnadigung Snowdens ab

In einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel und der ARD, das am 18. November veröffentlicht wurde, erklärte der amerikanische Präsident Barack Obama, er werde Edward Snowden vor dem Ausscheiden aus seinem Amt im Januar nicht begnadigen. Der ehemalige Mitarbeiter der NSA (National Security Agency) befindet sich im Exil, nachdem er die illegalen Überwachungsaktivitäten der NSA und weiterer US-amerikanischer Geheimdienste enthüllt hatte, die Millionen Menschen in den USA und weltweit betreffen.

Obamas Entscheidung bringt Snowden vor dem Antritt der nächsten US-Regierung unter Donald Trump in große Gefahr. Der designierte neue Präsident Donald Trump stellt gerade eine äußerst rechte Regierung zusammen, die Überwachung, Folter und Militarismus noch aggressiver vorantreiben wird. Der designierte CIA-Direktor Michael Pompeo, ein Kongressabgeordneter der Republikaner aus Kansas, hat im Februar in einem Interview mit dem öffentlichen Fernsehsender C-SPAN dazu aufgerufen, Snowden hinzurichten.

Obama, der sich der weitverbreiteten Unterstützung für Snowden in den Vereinigten Staaten und international bewusst ist, versuchte auf die für ihn typische unehrliche Weise die politische Bedeutung seiner Präsidentenentscheidung zu kaschieren. Eine Kampagne der Amerikanischen Bürgerrechtsvereinigung (ACLU), die Obama zur Begnadigung Snowdens bewegen will, hat die Unterstützung prominenter Künstler, Akademiker und weiterer Personen gewonnen.

Der noch amtierende Demokratische Präsident wiederholte das falsche Argument, dass die offene Verletzung demokratischer Rechte durch Massenüberwachung, notwendig sei, um die Bevölkerung der Vereinigten Staaten und der Welt vor „Terrorismus“ zu schützen.

Auf die Frage, ob er Snowden begnadigen werde, antwortete Obama: „Ich kann niemanden begnadigen, der nicht von einem Gericht verurteilt wurde. Also werde ich das jetzt nicht kommentieren. Ich glaube, Snowden hat einige berechtigte Sorgen angesprochen. Wie er das getan hat, entsprach aber nicht den Regeln, die für unsere Geheimdienste gelten. Und wenn nun jeder so handelt, wie er will, dann wird es schwierig, die Regierungsgeschäfte ordentlich zu führen oder ein funktionierendes Sicherheitssystem aufrecht zu halten.“

Die Behauptung, der Präsident könne Snowden nicht begnadigen, ist eine Lüge. Die Verfassung der Vereinigten Staaten verleiht dem Präsidenten die unbegrenzte Macht jeden zu begnadigen, außer in Amtsenthebungsfällen. Verschiedene Verteidiger Snowdens führten aus, eine Entscheidung des Obersten Gerichts des Jahres 1866 besage, das Recht des Präsidenten, zu begnadigen, „umfasst jedes Vergehen, welches das Gesetz kennt, und es kann jederzeit nach dessen Verübung angewandt werden, entweder vor dem Gerichtsverfahren, während seiner Dauer oder nach Verurteilung und Strafmaßverkündung.“

Noa Yachot, der Leiter der Kampagne der ACLU, stellte fest: „Richard Nixon war noch nicht einmal angeklagt, als Gerald Ford eine umfassende ‚freie und absolute Begnadigung für alle Vergehen aussprach, die Richard Nixon gegen die Vereinigten Staaten begangen hatte oder begangen haben könnte oder in die er verwickelt sein könnte‘, während er Präsident war.“ Im Januar 2016 begnadigte Obama, worauf Yachot hinweist, drei iranischstämmige Amerikaner, die der Verletzung von Handelssanktionen gegen den Iran beschuldigt wurden, bevor es zur Gerichtsverhandlung kam. Dies war Bestandteil eines Gefangenenaustausches, der dem Zustandekommen des amerikanisch-iranischen Atomabkommens förderlich war.

Obamas Erklärung, Snowden solle „sich den Gerichten stellen“, ist nicht weniger betrügerisch. Frühere Whistleblower, darunter Thomas Drake, ein hochrangiger NSA-Beamter, der zehn Jahre vor Snowden illegale Spionage enthüllt hatte, wurden verhaftet, angeklagt und sowohl finanziell als auch beruflich ruiniert. Präsident Obama hat mehr Whistleblower strafrechtlich verfolgt als alle amerikanischen Präsidenten zusammengenommen und wendete wiederholt das Anti-Spionagegesetz von 1917 gegen Whistleblower in der Regierung und gegen Reporter an.

Obama sagte im Spiegel-Interview: „Wenn Snowden beschließen sollte, sich den Gerichten zu stellen, und seine Anwälte ihre Argumente vorbringen, dann werden diese Fragen [die seiner Begnadigung] eine Rolle spielen. Bis dahin habe ich gegenüber dem amerikanischen Volk, aber auch gegenüber der Welt die Auffassung vertreten, dass wir abwägen müssen zwischen dem Schutz der Privatsphäre und unserem Sicherheitsbedürfnis.“

Trotz Obamas Behauptung, Snowden würde in den Vereinigten Staaten ein faires Gerichtsverfahren erhalten, schließt der Espionage Act implizit Snowdens wichtigste Verteidigung aus: dass er Informationen an die Medien und die Öffentlichkeit weiterleitete, um ihre demokratischen Rechte gegen staatliche Eingriffe zu verteidigen. Die Anklage muss unter dem Espionage Act lediglich nachweisen, dass der Angeklagte als geheim eingestuftes Material an nicht autorisierte Personen weitergegeben hat, etwa an Journalisten. Das hat Snowden bereits zugegeben. Etwas anderes darf nicht vorgebracht werden.

Ben Wizner von der ACLU, Snowdens Rechtsanwalt, erläuterte: „Als Daniel Ellsberg unter Anklage nach dem Espionage Act stand, fragte ihn sein Verteidiger, warum er die Pentagon-Papiere an Journalisten durchsickern ließ. Die Anklage legte allein schon gegen diese Frage Einspruch ein und der Richter gab dem Einspruch statt. Wie unerhört die Handlungen des Staates auch sein mögen, die Motivation des Whistleblowers spielt nach dem Espionage Act keine Rolle.“

Obama verurteilte die Gegner staatlicher Massenüberwachung und sagte: „Und wer behauptet, da müsse man nicht abwägen und wir könnten den Schutz der Privatsphäre vor alles andere stellen, verkennt, unter welch immensem Druck Regierungen stehen, um Terroranschläge zu verhindern, die nicht nur Menschen töten und verletzen, sondern unsere ganze Gesellschaft und Politik auf sehr gefährliche Weise verzerren können.“

Er fuhr fort: „In diesen Zeiten möchte ich, dass meine Regierung in der Lage ist herauszufinden, ob eine Terrororganisation Zugang zu Massenvernichtungswaffen hat, die mitten in Berlin gezündet werden könnten. Und die Deutschen sollten das auch von ihrer Regierung erwarten. Das kann bedeuten, dass der Staat, solange er dies umsichtig und in begrenztem Umfang tut, Wege finden muss, die Mailadressen oder das Handy eines Netzwerks zu identifizieren. […] Missbrauch muss verhindert werden. Doch wir sollten nicht davon ausgehen, dass der Staat immer das Falsche tun will.“

Pompeo tritt dafür ein, praktisch alle Beschränkungen der NSA-Spionage aufzuheben. Als Mitglied des Geheimdienstausschusses des Repräsentantenhauses forderte er, die NSA sollte ihr Programm der Gesprächsdatenaufzeichnung wieder aufnehmen und bedrängte den Kongress, ein Gesetz zu verabschieden, das „das Sammeln von Metadaten wieder erlaubt und diese mit öffentlich zugänglichen Informationen über die Finanzen und den Lebensstil [von Personen] in einer umfassenden und durchsuchbaren Datenbank kombiniert.“

In einem Interview auf C-Span sagte Pompeo im Februar: „Es steht fest, dass wir nicht in der Lage waren, an alle amerikanischen Informationen zu bekommen, die wir gebraucht hätten. Der Verräter Edward Snowden hatte diese Informationen gestohlen. Er sollte aus Russland zurückgeholt und vor Gericht gestellt werden. Und ich denke, das rechtmäßige Urteil wäre die Todesstrafe. Er hat Freunde von mir und Freunde von Ihnen, die heute beim Militär dienen, in enorme Gefahren gebracht. Er hat Informationen gestohlen und sie dann zum Nutzen auswärtiger Mächte veröffentlicht.“

Quellen aus dem Außenministerium berichten, dass Hillary Clinton in einer internen Diskussionssitzung im Jahr 2010 über den WikiLeaks-Gründer Julian Assange sagte: „Können wir diesen Kerl nicht einfach drohnen?“

Nachdem WikiLeaks Anfang dieses Jahres, die berüchtigten E-Mails des Demokratischen Nationalkomitees veröffentlicht hatte, sagte Bob Beckel, Demokratischer Stratege und Clinton-Unterstützer, zu Fox News: „Es ist sehr einfach, damit fertig zu werden. Wir haben Einheiten für Spezialaufträge. Ich meine, ein toter Mann kann keine Daten durchsickern lassen. Dieser Typ ist ein Verräter […] Ich bin nicht für die Todesstrafe; wenn ich also nicht für die Todesstrafe bin, dann gibt es nur einen Weg: den Hurensohn illegal erschießen!“

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