Erfolgreiche IYSSE-Versammlung zur Wahl Trumps in Frankfurt

Über 60 Studierende und Arbeiter kamen am 30. November zur Veranstaltung der International Youth and Students for Social Equality zum Thema „Die Wahl Trumps – Politische Ursachen und Lehren“ in Frankfurt am Main. Der Raum, den die IYSSE in Frankfurt-Bockenheim gebucht hatten, war bis auf den letzten Platz gefüllt und es wurden sogar zusätzliche Stühle benötigt.

Das große Interesse an der Veranstaltung unterstrich erneut, dass sich eine neue Generation politisiert und ernsthaft nach politischen Antworten und einer Perspektive sucht, um gegen Krieg und Militarismus zu kämpfen. In den vergangenen Wochen hatten die IYSSE bereits erfolgreiche Treffen mit mehreren hunderten Besuchern in Berlin und San Diego (USA) abgehalten.

„Die Wahl Donald Trumps zum amerikanischen Präsidenten ist eine historische Zäsur“, stellte Philipp Frisch, der Sprecher IYSSE in Hessen und Nordrhein-Westfalen, in seiner Begrüßung fest. Die Regierung des künftigen US-Präsidenten werde ohne Zweifel als die reaktionärste in die amerikanische Geschichte eingehen und die Politik von Sozialabbau, Aufrüstung und Krieg verschärfen.

Johannes Stern, ebenfalls Mitglied der IYSSE sowie der Redaktion der World Socialist Web Site,ging zu Beginn seinen Vortrags genauer auf die Zusammensetzung der kommenden Regierung ein. Mit Figuren wie General David Petraeus, General James Mattis, Bettsy Devon, Sheriff David Clarke und Steven Mnuchin sei Trump dabei, ein extrem rechtes Team von Milliardären, Kriegsgenerälen, Geheimdienstlern und Vertretern von Law-and-Order und der Wall-Street um sich zu versammeln.

Über sechzig Teilnehmer hörten den Vortrag von Johannes Stern in Frankfurt

Exemplarisch für den rechten Charakter von Trumps Team stehe Stephen Bannon, ein langjähriger Banker bei Goldman Sachs und zuletzt Chefredakteur der rechtsradikalen Website Breitbart News. Diese Website, die regelmäßig antisemitische Propaganda verbreitet und gegen Ausländer hetzt, sei selbst von Vertretern der republikanischen Partei mit der Nazi-Zeitung Der Stürmer der 1930er Jahre verglichen worden. Bannons Berufung zu Trumps Chefberater sei in etwa so, „als würde Björn Höcke von der AfD auf einmal als Chefberater ins Kanzleramt berufen“.

Man dürfe die Rechtswende des herrschenden Establishments in den USA auf keinen Fall unterschätzen, warnte Stern. Trump habe angekündigt, Millionen Menschen abzuschieben, an der Grenze zu Mexiko eine Mauer zu bauen und weltweit Krieg zu führen, um sich Rohstoffe und Ressourcen zu sichern. Selbst ernsthaftere bürgerliche Kommentatoren zögen Parallelen zu den 1930er Jahren. Aber es sei wichtig zu verstehen, dass Trump anders als Hitler 1933 in Deutschland nicht an der Spitze einer faschistischen Massenbewegung an die Macht gekommen sei. Er habe die Wahl in einer Situation gewonnen, in der sich Arbeiter und Jugendliche nach links bewegten, es aber noch keine internationale und sozialistische Massenbewegung gebe.

Anhand von Statistiken zu den Präsidentschaftswahlen von 2008, 2012 und 2016 zeigte Stern auf, dass Trump nicht etwa, wie oft behauptet wird, von der „weißen Arbeiterklasse“ gewählt worden sei. „Das ist ein völlig falsches Narrativ.” In Wirklichkeit hätten die Republikaner in praktisch jeder dieser Wahlen konstant um die sechzig Millionen Wählerstimmen erhalten. Dagegen seien aber die Demokraten „regelrecht eingebrochen”, so Stern weiter, und der größte Teil der Wähler, nämlich fast hundert Millionen Menschen, hätten weder Trump noch Clinton gewählt.

Stern ging auf die Hauptverantwortlichen für Trumps Wahlsieg ein: Clinton habe als Vertreterin der Wall Street, des Militärs und der Identitätspolitik Trump im Wesentlichen von rechts angegriffen und ihn als „Agenten Putins“ attackiert. Obama sei vor acht Jahren als angeblicher Kandidat von „Hoffnung“ und „Wandel“ auch von vielen Arbeitern unterstützt worden, habe aber dann die verhasste Kriegspolitik der Vorgängerregierungen weitergeführt und Sparprogramme und Umstrukturierungen, vor allem in der Autoindustrie, auf Kosten der Arbeiter durchgesetzt.

Und dann seien da Bernie Sanders und die pseudolinken Organisationen und Gewerkschaften! „Sanders hatte in den Vorwahlen vor allem deshalb Unterstützung gewonnen, weil er sich als Sozialist bezeichnete und zu einer politischen Revolution gegen die Milliardärsklasse aufrief. Dann hat er sich jedoch hinter Clinton gestellt und damit ermöglicht, dass Trump die weit verbreitete Wut für sich vereinnahmen und in nationalistische Kanäle lenken konnte,“ erklärte Stern.

Nun schließe die herrschende Elite angesichts wachsender Klassenspannungen ihre Reihen. „Kurz nach der Wahl haben sie sich alle – von Obama bis zu Sanders und den Gewerkschaften – hinter Trump gestellt und angekündigt, mit ihm zusammenzuarbeiten.“

Um besser zu verstehen, wie „im Lande Lincolns“ jemand wie Trump Präsident werden könne, müsse man sich jedoch auch mit den größeren politischen und historischen Entwicklungen der letzten 25 Jahre seit der Auflösung der Sowjetunion beschäftigen. U.a. sprach Stern über die US-geführten Kriege (Irak, Afghanistan, Libyen, Syrien), den Zusammenbruch der amerikanischen Demokratie (die „gestohlene Wahl“ 2000, Guantanamo, Abu Ghraib, Obamas Drohnenmordprogramm) und die extreme soziale Polarisierung in den USA, die mit einer beispiellosen inneren Aufrüstung einhergegangen sei.

Zusammenfassend zitierte Stern aus einem Perspektivartikel der World Socialist Web Site mit dem Titel „Der Weg vorwärts im Kampf gegen Trump“: „Nach Jahrzehnten Krieg, Sparpolitik und sozialer Reaktion sind demokratische Regierungsformen unwiederbringlich unterhöhlt. Finanzparasitismus und politische Korruption beherrschen die Gesellschaft. Aus diesem Sumpf ist Donald Trump hervorgekrochen, eine Figur, die den Zusammenbruch der amerikanischen Demokratie in faschistischer Gestalt verkörpert.“

Deshalb müsse „der Kampf gegen Trump als Kampf gegen den Kapitalismus geführt werden”. Der Widerstand müsse sich „nicht nur gegen eine einzelne Person richten, sondern gegen ein ganzes Gesellschafts- und Wirtschaftssystem, das auf dem Privateigentum an den Produktionsmitteln beruht und in dem die Wirtschafts- und Finanzaristokratie immer mehr Reichtum anhäuft“. Es gehe „darum, die arbeitende Bevölkerung und die Jugend aller Hautfarben und Geschlechter in den Vereinigten Staaten und weltweit auf der Grundlage eines sozialistischen Programms zusammenzuschließen“.

Vor allem in Europa sei dies eine „unmittelbare Aufgabe”, betonte Stern. Die herrschende Klasse in Deutschland nutze die Wahl Trumps zur Umsetzung ihrer lange ausgearbeiteten Aufrüstungs- und Großmachtpläne. Der am 25. November verabschiedete Bundeshaushalt 2017 sei ein Wendepunkt in der Nachkriegsgeschichte und sehe Milliarden für Aufrüstung und Krieg vor. Parallel dazu beginne in Medien und Politik eine Diskussion über die Wiedereinführung der Wehrpflicht und sogar über die Anschaffung eigener deutscher Atomwaffen.

Stern schloss seinen Beitrag mit einem Zitat aus David North‘ Vortrag vom 22. Oktober an der Frankfurter Goethe-Universität: „Wir leben in revolutionären Zeiten. Die Widersprüche, die den Krieg hervorbringen, bereiten auch den Boden für die soziale Revolution.“ Die globale Entwicklung des Kapitalismus habe „die Reihen der Arbeiterklasse enorm verstärkt. Das ist die grundlegende gesellschaftliche Kraft, an die sich Marxisten wenden.“ Die große Herausforderung bestehe jetzt darin, „eine Vorhut aus fortgeschrittenen Arbeitern politisch so auszubilden, dass sie in der Lage ist, die kommende Massenbewegung der Arbeiterklasse zur Eroberung der politischen Macht zu führen.“

Dem Vortrag folgten mehrere ausgedehnte Diskussionsrunden. Ein Teilnehmer brachte die Frage auf, ob Trump nicht vielleicht doch eine Chance darstellen könne, die Gefahr eines Kriegs gegen Russland abzuwenden. Stern erwiderte, dies sei „eine gefährliche Illusion“. Die Kriegspolitik habe tiefe objektive Ursachen. Letztlich reagierten die USA auf ihren wirtschaftlichen Niedergang mit einer immer aggressiveren militärischen Außenpolitik. „Allein die Tatsache, dass Trump mehrere führende Armeegeneräle und Kriegsbefürworter in sein Kabinett beruft, beweist, dass sich die herrschende Klasse in den USA auf noch umfassendere Kriege vorbereitet “.

Auf die Frage eines Teilnehmers nach der Arbeit der amerikanischen Sektion der Vierten Internationale in dieser zugespitzten Situation, berichteten die IYSSE-Sprecher vom Wahlkampf der Socialist Equality Party (SEP) und ihrer Kandidaten Jerry White und Niles Niemuth.

„Das Hauptziel der Kampagne bestand darin, Arbeiter und Jugendliche politisch zu erziehen und so auf die kommenden Klassenkämpfe vorzubereiten. Niles und Jerry haben erklärt, was Trump repräsentiert und welches rechte Programm Clinton und die Demokraten vertreten. Vor allem haben sie den Unterschied zwischen wirklicher sozialistischer Politik und Scharlatanen wie Sanders deutlich macht.“

Diese Arbeit zu entwickeln und eine internationale revolutionäre Bewegung gegen die Gefahr von Krieg und Reaktion aufzubauen, sei die entscheidende Lehre aus dem Wahlsieg Trumps.

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