Was verbirgt sich hinter den Hacking-Vorwürfen gegen Russland?

Ein scharfer Konflikt herrscht innerhalb der US-Elite über außenpolitische Fragen, vor allem über die Haltung zu Russland. In den letzten drei Tagen entlud dieser sich in öffentlichen Anschuldigungen und schweren Vorwürfen. Die amerikanischen Leitmedien behaupten mit Nachdruck, russische Hacker hätten die US-Präsidentschaftswahl beeinflusst, um den Republikaner Donald Trump an die Macht zu bringen.

Ende letzter Woche erschienen Artikel in der Washington Post und in der New York Times, nach denen die CIA meint, die russische Regierung habe Trump bei seinem Wahlsieg unterstützt. Angeblich wurden deshalb die E-Mails des Demokratischen Nationalkomitees und von Clintons Wahlkampfteam gehackt und WikiLeaks zur Veröffentlichung übergeben.

Der Beweis, dass Russland Trump an die Macht bringen wollte? Auch das Republikanische Nationalkomitee sei Opfer von Hackerangriffen gewesen, allerdings wurden keine Mails von Republikanern veröffentlicht, weil man Clinton diskreditieren wollte, nicht Trump. Der Vorsitzende des Republikanischen Nationalkomitees Reince Priebus, designierter Stabschef Trumps, dementierte umgehend diese Nachricht der Times.

Trump selbst äußerte sich auf Fox News zu den Berichten über die russische Einmischung und tat sie als Lüge eines schlechten Wahlverlierers ab. Er erklärte: „Ich halte das für lächerlich, für eine weitere Ausrede. Ich glaube es nicht... Ich glaube, die Demokraten behaupten das, weil sie eine der größten Niederlagen in der politischen Geschichte dieses Landes erlitten haben.“

Die erste Reaktion von Trumps Übergangsteam auf die angebliche CIA-Einschätzung zeigte, wie heftig die Spannungen in der herrschenden Elite sind. Sie bestand aus dem sarkastischen Kommentar: „Das sagen die gleichen Leute, die schon behaupteten, Saddam Hussein hätte Massenvernichtungswaffen.“

Glenn Greenwald schrieb dazu in der Zeitung The Intercept: „Es gibt noch immer keine Beweise für all diese Vorwürfe. Stattdessen gibt es Behauptungen, die von anonymen Quellen ausgestreut wurden, ohne dafür Beweise oder gar Belege zu liefern. Immer noch kann kein angeblicher Beweise öffentlich überprüft, bewertet oder diskutiert werden. Anonyme Behauptungen gegenüber Zeitungen über das, was die CIA glaubt, sind keine Belege und vor allem kein Ersatz für wirklich überprüfbare Beweise.“

Die Hacking-Vorwürfe gegen Russland wurden von Clinton und der Demokratischen Partei erstmals direkt vor dem Parteitag im Juli erhoben, um vom Inhalt der geleakten E-Mails abzulenken. Diese dokumentierten eine Verschwörung zwischen Clintons Wahlkampfteam und dem Nationalkomitee der Partei mit dem Ziel, den Vorwahlkampf von Clintons parteiinternen Konkurrenten Bernie Sanders zu sabotieren.

Mittlerweile ist allerdings klar, dass sich hinter den öffentlichen Konflikten um die Hacking-Vorwürfe ein erbitterter Kampf um die Außenpolitik verbirgt. Trump spricht für einen Teil der herrschenden Klasse, der eine aggressivere militärische, wirtschaftliche und diplomatische Offensive gegen China ins Zentrum der amerikanischen Politik stellen will. Die Demokraten und Leitmedien wie die New York Times und die Washington Post sprechen für einen Teil des Geheimdienstapparats und des Militärs, der jeden Kurswechsel gegenüber Russland ablehnt und weiter die Konfrontation mit Moskau sucht.

Am Sonntagabend veröffentlichte die Times einen Leitartikel mit dem Titel „Russlands Beitrag zur Wahl in Amerika“, der dies verdeutlichte. Die Times wiederholt darin die unbewiesene Behauptung, Russland hätte Trumps Wahlkampf durch Hackerangriffe unterstützt. Der Artikel lobt Clinton für ihr Versprechen, sie würde nach ihrem Wahlsieg alles daran setzen, Moskau für „die Verbrechen im syrischen Bürgerkrieg und die Aggressionen gegen die Ukraine und andere Nachbarstaaten zu bestrafen und zu isolieren.“ Man könnte daraus schließen, Clintons erste Amtshandlung nach ihrem Sieg wäre der Waffengang gegen Russland gewesen, und die Times hätte sie dabei unterstützt.

Der Leitartikel schlägt eine außergewöhnliche Tonart an: „Die Russen hatten Grund, in Trump einen manipulierbaren politischen Neuling zu sehen, der sich mit Lakaien des Kremls umgeben hat.“ Weiter heißt es, dass die Wahl aufgrund der russischen Einmischung „tatsächlich manipuliert war.“

Weder die Times noch die Demokraten kritisieren Trump, weil er sein Kabinett mit milliardenschweren Reaktionären und Generälen besetzt. Sie greifen auch nicht die Pläne zur Abschaffung von Medicare, Medicaid, Social Security und dem öffentlichen Bildungswesen an. Sie stoßen sich nicht an dem Vorhaben, alle Umweltauflagen für Unternehmen ebenso abzuschaffen wie alle Regulierungen für die Banken und das Großkapital.

Sie wollen ausschließlich erreichen, dass Trump die Offensive gegen Russland nicht stoppt. Die Kampagne ist dabei hysterisch und trägt Züge der McCarthy-Ära. So veröffentlichte beispielsweise Clinton-Anhänger Michael Tomasky auf der Webseite The Daily Beast einen Artikel mit dem Titel „Der Dritte Weltkrieg: Demokraten und Amerika gegen Trump und Russland“. Tomasky bezeichnet darin die Berichte der Washington Post und der New York Times in Anlehnung an die Atombombenabwürfe auf Japan als „Hiroshima“ und „Nagasaki“ für Trump. Die Republikaner im Kongress, die Trump unterstützen, darunter der Mehrheitsführer im Senat Mitch McConnell, seien des Hochverrats schuldig.

Diese erinnert an die Methoden der antikommunistischen Hexenjagd unter McCarthy. Die Vorwürfe richten sich nicht nur gegen Trump, sondern gegen all jene, der Zweifel an der amerikanischen Außenpolitik äußert. Sie werden als russische Agenten gebrandmarkt.

Bei seinem Auftritt auf Fox am Sonntag machte Trump einige außenpolitische Positionen deutlich. Er stellte Washingtons jahrzehntealte Ein-China-Politik infrage, wobei er Taiwan nicht als souveränen Staat, sondern als Teil Chinas begreife. „Ich verstehe die Ein-China-Politik vollkommen“, erklärte er, „aber ich weiß nicht, warum wir daran gebunden sein sollten, solange wir uns mit China nicht in anderen Dingen einigen“, u.a. in Bezug auf den Handel, die Währungsabwertung, das Südchinesische Meer und Nordkorea.

Trumps scheinbares Abrücken von der Konfrontation mit Russland ist in keiner Weise pazifistisch oder „beschwichtigend“ im Sinne der Appeasement-Politik. Seine extrem nationalistische Spielart des Militarismus konzentriert sich lediglich auf andere Ziele - besser gesagt, auf die gleichen Ziele wie Obama, aber in anderer Reihenfolge. Trump hält nicht Russland sondern China für das wichtigere Ziel, wenn es darum geht, gegen wen die USA ihren wirtschaftlichen, diplomatischen und militärischen Druck ausüben.

Die schnelle Abfolge der Ereignisse – Geheimdienste versorgen die Medien mit Informationen, die Medien beeinflussen die öffentliche Meinung und unterbinden eine tatsächliche Diskussion – spiegelt nur den manipulativen Charakter des gesamten Wahlprozesses. Die Themen, um die es bei den Auseinandersetzungen innerhalb der herrschenden Elite wirklich geht (darüber, welche Taktiken und Methoden sie gegen ihre globalen Konkurrenten einsetzt) wurden vor der Bevölkerung geheim gehalten. Währenddessen liefert eine Salve von Verleumdungen und Skandalen die politische Deckung dafür, dass ein weiterer Rechtsruck erfolgt.

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