Autoarbeiter-Info findet große Resonanz

In den letzten beiden Wochen haben Unterstützer der WSWS mehrere Tausend Exemplare des neunten Autoarbeiter-Infos an den Werkstoren von VW in Wolfsburg, Emden und Hannover verteilt. Ein weiteres Team verteilte ihn an Opel-Arbeiter in Rüsselsheim. Die Arbeiter von VW sorgen sich um ihre Arbeitsplätze, vor allem die Leiharbeiter des VW-eigenen Zeitarbeitsunternehmens Autovision sowie die beschäftigten von Zulieferfirmen.

Der vierseitige Flyer befasst sich vor allem mit dem Arbeitsplatzabbau bei Volkswagen. Der Leitartikel geht auf die Rolle der IG Metall ein, ein zweiter Artikel untersucht die Planungen im Rahmen des sogenannten Zukunftspakts. Der dritte Artikel ist eine Erklärung der Socialist Equality Party der USA mit dem Titel „Der Weg vorwärts im Kampf gegen Trump“.

Die Volkswagen AG baut in den kommenden neun Jahren 30.000 Arbeitsplätze bei der Kernmarke VW ab, davon 23.000 in Deutschland. Das teilten Betriebsrat und Konzernleitung am 18. November mit, als sie auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Wolfsburg den „Zukunftspakt“ vorstellten.

Allein die Tatsache, dass der VW-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Bernd Osterloh gemeinsam mit VW-Marken-Vorstand Herbert Diess den Arbeitsplatzabbau ankündigte und die Vereinbarungen lobte, spricht Bände über die Rolle der IG Metall und ihrer Betriebsratsfürsten.

In Wolfsburg zeige sich ein neues Stadium der Verwandlung der Gewerkschaften in arbeiterfeindliche Agenturen des Managements, heißt es im Leitartikel, der diese Verwandlung aufzeigt und erklärt. Bei VW „arbeiten Betriebsrat und IG Metall nicht nur eng mit der Konzernleitung zusammen, um Management-Entscheidungen nach unten durchzusetzen, sondern dort wird der Arbeitsplatzabbau von IGM-Funktionären und Betriebsräten entworfen, geplant und gegenüber dem Management begründet“.

Bereits am 20. Oktober 2015, kurz nach Bekanntwerden des Abgas-Betrugs, hatten Betriebsrat und IG Metall in einer gemeinsamen Erklärung geschrieben: „IG Metall und Betriebsrat werden in den nächsten Wochen gemeinsam ein Konzept entwickeln. Wir werden in einem eigenen Positionspapier den notwendigen Wandel beschreiben und dieses zur Diskussion stellen. Dabei ist uns die Einbeziehung des Managements wichtig.“ Wohlgemerkt: Gewerkschaft und Betriebsrat beziehen das Management mit ein!

Seitdem haben IG Metall, Betriebsrat und VW-Vorstand gemeinsam am Umbau des Konzerns gearbeitet. In einem Brief zum Jahreswechsel an die Belegschaft lobte Osterloh letzte Woche ausdrücklich Konzernchef Matthias Müller. Er habe „die Weichen für die Zukunft des Volkswagen Konzerns gestellt“. Der Konzernbetriebsrat werde den eingeschlagenen Weg weiterhin nach Kräften unterstützen.

Inzwischen gebe es allen Grund zur Zuversicht: „In der Marke Volkswagen ist es uns mit dem Zukunftspakt gelungen, den nötigen Wandel aktiv mitzugestalten. Wir haben durchgesetzt, dass bis Ende 2025 – also in den nächsten neun Jahren – betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen sind“, jubelt Osterloh.

Was es bedeutet, wenn viele ältere Arbeiter nun in den „verdienten Ruhestand gehen“ können (Osterloh), berichtete uns ein VW-Rentner, der 40 Jahre bei VW in Wolfsburg gearbeitet hatte. „Mir wurde zwei Jahre vor der Rente angeboten, in Altersteilzeit zu gehen“, sagte er. „Ich sollte mich innerhalb von zwei Stunden entscheiden, obwohl das ganze Angebot gar nicht klar war. Heute bin ich froh, dass ich das damals abgelehnt habe, denn andere Kollegen, die es akzeptiert hatten, bekommen heute weniger Rente als ich, die machen zum Teil noch Nebenjobs.“

Er sieht auch den „sozialverträglichen Abbau“ skeptisch. „Jeder Abbau ist problematisch. Wenn jetzt das Elektroauto kommt, das kein Getriebe braucht, keine komplizierten Verbrennungsmotoren, was soll dann mit den VW-Werken in Kassel passieren, wo über 16.000 Arbeiter beschäftigt sind, oder mit dem Werk in Salzgitter, mit über 6.000 Beschäftigten? Es werden wohl für die Entwicklung und den Bau von Elektroautos neue Arbeitsplätze entstehen, aber wesentlich weniger als wegfallen. Und die Anforderungen an die Ausbildung sind wohl auch andere.“

Der Ausschluss von betriebsbedingten Kündigungen und der Erhalt aller Standorte in Deutschland soll lediglich dafür sorgen, die Wut und den Ärger der Beschäftigten zu dämpfen. In Wahrheit bedeutet das nichts anderes, als dass die Arbeiter der einzelnen Standorte gegeneinander ausgespielt werden wie die Stammbeschäftigten gegen die fast 7000 Leiharbeiter.

Während viele von ihnen bereits ihren Arbeitsplatz verloren haben, erklärt Osterloh in seinem Brief an die Belegschaft, 2016 sei „schlicht eine harte Probe gewesen“. Osterloh und seine Betriebsräte würden sich „aber dafür starkmachen, dass die Autovision Betroffenen bei der Vermittlung hilft“. Und wenn künftig neuer Bedarf bestehen sollte, „dann muss Volkswagen den Kolleginnen und Kollegen, die jetzt nicht weiterbeschäftigt werden können, als erstes ein Angebot machen“, verspricht Osterloh.

Dabei es ist noch lange nicht klar, was auf die VW-Arbeiter noch zukommen wird. Während Osterloh in seinem Brief behauptet, Kahlschläge abgewendet zu haben, schreibt er auch, es habe Einigkeit mit VW-Markenvorstand Herbert Diess bestanden, die E-Modelle zunächst (!) am Standort Deutschland zu fertigen.

Auch andere VW-Arbeiter in Wolfsburg zeigten sich skeptisch. Eine ältere Arbeiterin, die seit über 30 Jahren bei VW beschäftigt ist, machte sich vor allem Sorgen um die Kollegen der Zeitarbeitsfirmen und der Zulieferer: „Da ist es noch kritischer als bei uns. Die machen ja die gleiche Arbeit wie wir. Eigentlich sollte die Gewerkschaft schon was machen, aber den Betriebsrat kann man ja vergessen.“

Ein anderer VW-Arbeiter sagte: „Der Arbeitsplatzabbau klingt erst mal harmlos, weil das alles durch Altersteilzeit und sozial verträglich gemacht werden soll. Aber was soll aus den ganzen Leuten werden, wenn die Nachfrage sinkt, zum Teil auch wegen des Abgasskandals?“

Er war auch besorgt über die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten: „Bei Trump und seiner Politik sehe ich die Gefahr, dass das mit Demokratie nichts mehr zu tun hat. Wenn Großkapitalisten das Ruder übernehmen, zählt nur noch der Profit. Ökologie, Kultur oder soziale Aspekte spielen für den gar keine Rolle mehr. Manche Amerikaner haben ihn gewählt, weil sie einfache Lösungen gesucht haben und glauben, was er verspricht.“

Auch er nahm die Autoarbeiter-Info mit und wollte auf der WSWS noch mehr über die US-Wahl lesen.

Ein junger VW-Arbeiter schlug vor: „Man sollte besser die Weihnachtsgelder und sonstigen gewaltigen Einkommen der Vorstände kürzen als Arbeitsplätze abzubauen. Das würde uns allen zu Gute kommen.“

Ähnlich reagierten die VW-Arbeiter in Emden und Hannover. Ein Leiharbeiter in Hannover berichtete, dass die „Situation der Leiharbeiter natürlich ständiges Thema“ sei. „Es gibt viele Gerüchte. Viele Leihkollegen machen sich Sorgen, wie es weitergeht. Ende März stehen jetzt erstmals die Vertragsverlängerungen an.“ Ein Kollege von ihm berichtete, die IGM-Vertrauenskörperleitung habe gesagt, dass die Leiharbeiter angeblich alle übernommen würden. Wieder eines dieser Gerüchte.

Auch in Emden waren es vor allem die Leiharbeiter von Autovision und Zulieferern wie Sitech Sitztechnik, die wütend und verunsichert waren. Sitech ist eine 100-prozentige Tochter der VW AG. Im Werk Emden produzieren rund 450 Arbeiter die Sitzgarnituren für den Volkswagen Passat und CC.

„Ich weiß überhaupt nicht, wie es weitergeht“, sagte einer von ihnen. Er bekomme auch nichts gesagt, beschwerte er sich. Ein IGM-Vertrauensmann, der die Autoarbeiter-Info bereits als Newsletter abonniert hat, gab zu, dass es innerhalb der Belegschaft viel Kritik und Unmut am Vorstand, an der SPD, die über die Beteiligung des Landes Niedersachsen beim VW-Konzern vertreten ist, der IG Metall und auch dem Betriebsrat gebe. Aber niemand traue sich, etwas zu sagen, weil man dann sofort Ärger bekomme.

Vor einer Woche hat VW für das Werk Emden bei der Arbeitsagentur zwischen Januar und Ostern vorsorglich Kurzarbeit beantragt. Betroffen sind alle 9.000 Beschäftigten. Das Werk sei wegen der Absatzkrise beim Modell Passat nicht ausgelastet, in diesem Jahr seien fast 20.000 Passat weniger als im Vorjahr gebaut worden.

Bereits seit Oktober wird in Emden nur an vier Tagen in der Woche gearbeitet. Inzwischen sind die Arbeitszeitkonten der gesamten Belegschaft so gut wie leer. Mit einer vollen Auslastung des Emdener Werks rechnet VW erst ab 2019. Dann sollen die Emdener vier statt der bisherigen drei Modelle bauen. Welches Modell zusätzlich gebaut werden soll, wissen die Arbeiter aber nicht.

Der Leitartikel der aktuellen Autoarbeiter-Info stellt fest: „Arbeitsplätze, Löhne und soziale Errungenschaften können nicht mit, sondern nur gegen die korrupte Bürokratie der Gewerkschaften und Betriebsräte verteidigt werden. Der nationalistischen, pro-kapitalistischen Orientierung der Gewerkschaften muss eine politische Perspektive entgegengesetzt werden, die gegen die kapitalistische Profitwirtschaft gerichtet, das heißt sozialistisch ist und eine internationale Strategie verfolgt.“

Wir laden nicht nur alle Auto-Arbeiter, sondern alle Arbeiter ein, die Autoarbeiter-Info (als PDF per Mail) zu abonnieren, sie unter Kollegen, Freunden und Bekannten über Facebook, Twitter und Co. zu verbreiten und sich aktiv an der Diskussion über und dem Aufbau einer politischen Alternative zu den Gewerkschaften und ihren Betriebsräten zu beteiligen.

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