Obama verschärft Kampagne gegen Russland mit zusätzlichen Sanktionen und Drohungen

Am Donnerstag hat US-Präsident Barack Obama eine Verfügung und mehrere offizielle Stellungnahmen herausgegeben, mit denen er die Kampagne gegen Russland verschärft hat. Diese Kampagne basiert auf den haltlosen Vorwürfen, die russische Regierung hätte im Wahlkampf Hackerangriffe auf das Nationalkomitee der Demokraten und Hillary Clintons Wahlkampfteam angeordnet.

Obama hat Sanktionen gegen hohe russische Regierungsvertreter verhängt, mehrere russische IT-Unternehmen auf die schwarze Liste gesetzt und 35 in den USA stationierte russische Diplomaten ausgewiesen. Letztere haben nur 72 Stunden Zeit, das Land zu verlassen. Zwei russische Liegenschaften in San Francisco und Maryland werden innerhalb von weniger als 24 Stunden geschlossen.

Obama erklärte: „Diese Aktionen waren noch nicht das vollständige Ausmaß unserer Reaktion auf Russlands aggressive Aktivitäten. Wir werden auch weiterhin eine Vielzahl von Aktionen durchführen, wobei wir Ort und Zeit selbst bestimmen und einige nicht öffentlich bekanntgeben.“ Das könnte bedeuten, das er geheime Vergeltungsmaßnahmen plant, möglicherweise sogar Cyberangriffe auf die russische Wirtschaft, Finanzen oder seine Infrastruktur.

Der Text der Verfügung wurde auf der Website des Weißen Hauses veröffentlicht. Er ist in einer vagen, verallgemeinernden Sprache verfasst, die unheilvolle Folgen für die demokratischen Rechte der amerikanischen Bevölkerung haben kann. Jeder, der politisch gegen das offizielle Zweiparteiensystem aktiv ist, könnte mit Sanktionen belegt oder wegen Aktionen angeklagt werden, die „darauf abzielen, den Wahlprozess oder seine Institutionen zu beeinträchtigen oder zu stören.“

„Stört oder beeinträchtigt“ man das Wahlverfahren oder seine Institutionen, wenn man interne Dokumente des Demokratischen Nationalkomitees oder die E-Mails von Clintons Wahlkampfleiter John Podesta veröffentlicht? Offenbar ist das so, denn das ist im wesentlichen das Verbrechen, das der russischen Regierung zur Last gelegt wird.

Es ist jedoch durchaus möglich, dass ein unzufriedener Angestellter des Nationalkomitees die Dokumente veröffentlicht hat, vielleicht aus Wut über den Inhalt der E-Mails. Sie hatten gezeigt, wie die Führung des Nationalkomitees vorsätzlich den Wahlkampf von Senator Bernie Sanders aus Vermont sabotiert und Clintons Nominierung garantiert hat. Würden solche Indiskretionen jetzt als Straftat gelten?

Was ist mit Organisationen wie WikiLeaks, die diese Dokumente der Öffentlichkeit verfügbar gemacht haben? Wie sieht es mit der Veröffentlichung von Auszügen oder den Volltexten der Dokumente aus, die von fast allen amerikanischen Medien abgedruckt wurden? Wo endet „stören oder beeinträchtigen“, und wo beginnen freie Meinungsäußerung und Pressefreiheit? Obamas Verfügung macht keine derartigen Unterschiede.

Die Mainstreammedien fügen sich wie immer den Diktaten des amerikanischen Miltär- und Geheimdienstapparats und haben weder die Legalität noch die Verfassungsmäßigkeit von Obamas Verfügung infrage gestellt. Ebenso wenig haben sie das Weiße Haus dafür kritisiert, dass es nicht einen einzigen Beweis für seine Behauptung liefert, Russland hätte Hackeranangriffe gegen die Demokraten angeordnet.

Obamas Verfügung ist praktisch eine Ergänzung zu einer früheren Verfügung vom April 2015, mit der er auf die angeblichen Hackerangriffe Nordkoreas gegen die Büros des Sony-Konzerns in Los Angeles reagiert hatte. Das Unternehmen hatte zuvor einen Film über einen Attentatsversuch der CIA gegen den nordkoreanischen Staatschef Kim Jong-Un produziert.

Ohne größere öffentliche Aufmerksamkeit rief Obama am 1. April 2015 einen „nationalen Notstand angesichts der beträchtlichen bösartigen Cyberaktivitäten“ aus. Gemäß der präsidialen Verfügung 13694 kann der Finanzminister nach Rücksprache mit dem Justiz- und dem Außenminister Wirtschaftssanktionen beschließen – darunter das Einfrieren aller Immobilien und Bankkonten in den USA – gegen jede Person, die er als Ziel einstuft.

Damit würde jeder ein mögliches Ziel für Vergeltungsaktionen der US-Regierung werden, der „verantwortlich für oder beteiligt an Cyberaktivitäten, sei es direkt oder indirekt,“ eingestuft wird, die von außerhalb der USA geleitet oder durchgeführt werden, und deren Ziele – nach Ermessen dieser Regierungsmitglieder – die amerikanische Infrastruktur beschädigen, Computernetzwerke stören, zur Veruntreuung von Geldern führen oder die amerikanischen Wahlen beeinflussen.

Da fast alle Interaktionen zwischen Menschen in wirtschaftlich entwickelten Staaten in Zusammenhang mit dem Internet stehen, und da das World Wide Web schon seiner Definition nach ein globales Gebilde „außerhalb der USA“ ist, könnte diese Formulierung als Mandat für praktisch unbegrenzte und willkürliche Machtanwendung benutzt werden.

Die Verfügung beschreibt zwar eine Reihe von Maßnahmen, die amerikanische Regierungsvertreter nach eigenem Ermessen gegen jede beliebige Person verhängen können. Allerdings lieferte Obama keine Beweise für die Hacking-Vorwürfe gegen Russland, die angeblich der Grund für diesen „nationalen Notstand“ sind.

Stattdessen verweist er auf den Bericht der amerikanischen Geheimdienste vom 7. Oktober, der erklärt, sie seien „zuversichtlich, dass die russische Regierung hinter den jüngsten Veröffentlichungen von E-Mails amerikanischer Persönlichkeiten und Institutionen, u.a. politischer Organisationen, steckt.“

Obama versucht mit seiner weitschweifigen Stellungnahme die Tatsache zu verbergen, dass die amerikanische und die Weltbevölkerung die Prämisse seiner Verfügung, d.h. die umfassenden russischen Hackerangriffe auf die Demokratische Partei, blind akzeptieren soll. Die Vorwürfe der amerikanischen Geheimdienste, die weltweit für ihre dreisten Lügen, Erfindungen, Provokationen und Angriffe auf demokratische Rechte bekannt sind, sollen als absolute Wahrheit gelten.

Als Reaktion auf die Forderung, eindeutige Beweise für russische Hackerangriffe vorzulegen, erklärte Obama kurz vor seiner Abreise zu einem zweiwöchigen Urlaub auf Hawaii, die Geheimdienste würden dem Kongress und der Öffentlichkeit einen Bericht vorlegen, bis er am 20. Januar sein Amt niederlegt.

Doch die Strafe für das angebliche Verbrechen, die aus Sanktionen und der Ausweisung von Diplomaten besteht, wird schon drei Wochen vorher bekanntgegeben.

Wenn die US-Regierung tatsächlich Beweise für russische Hackerangriffe auf das Demokratische Nationalkomitee hätte, würde sie diese einer Grand Jury vorlegen. Sie würde die Täter anklagen und durch Interpol und andere internationale Polizeibehörden verfolgen lassen.

Nichts dergleichen wird vorgeschlagen. Stattdessen akzeptieren die amerikanischen Mainstreammedien die Schuldzuweisung an Russland, um der Öffentlichkeit einzuhämmern, dass nicht näher beschriebene Vergeltungsmaßnahmen gegen Moskau notwendig seien, und um das politische Klima auf einen direkten militärischen Konflikt mit Russland im Nahen Osten, der Ukraine oder Osteuropa vorzubereiten.

Demokraten und Republikaner im Kongress veröffentlichten sofort derartige Stellungnahmen. Der Minderheitsführer im Senat Charles Schumer, der nach Obamas Auszug aus dem Weißen Haus der hochrangigste Demokrat in Washington sein wird, erklärte: „Wir müssen gegen Russland zurückschlagen, und zwar hart.“

Gleichzeitig mit Obamas Stellungnahmen und der abgeänderten Verfügung veröffentlichten auch das FBI und das National Cybersecurity and Communications Integration Center am Donnerstag eine gemeinsame Erklärung. Darin lieferten sie vermeintliche Einblicke in die „technischen Details über die Werkzeuge und die Infrastruktur“, welche „der russische Zivil- und Militärgeheimdienst benutzt haben“, um die Wahl zu beeinflussen.

Der dreizehnseitige Bericht mit dem Titel „Grizzly Steppe“ besteht aus unbewiesenen Vorwürfen, laut denen zwei Gruppen von Hackern, angeblich mit Beziehungen zur russischen Regierung, in den E-Mail-Server des Demokratischen Nationalkomitees eingedrungen seien. Darauf folgt eine allgemeine Liste von Vorkehrungen, die Verantwortliche für Cybersicherheit bei Unternehmen und Organisationen treffen sollten; diese Liste ließe sich auf jeder Website über Sicherheit im Internet finden. Über die angeblichen Hackerangriffe gibt es keinerlei Namen, Daten, Ortsangaben oder wirkliche Fakten, geschweige denn Beweise, dass die Hacker Beziehungen zur russischen Regierung hatten.

Das russische Außenministerium reagierte mit einer deutlichen Zurückweisung von Obamas Behauptungen. Sprecherin Maria Sacharowa erklärte dazu: „Offen gesagt, haben wir die Lügen über russische Hacker satt, die in den USA weiterhin von oberster Stelle verbreitet werden.“ Sie nannte die Vorwürfe eine „vom Weißen Haus gesteuerte Provokation“, für die es „keinen einzigen Beweis gibt.“

Sacharowa erklärte, Obama versuche offensichtlich, in den letzten drei Wochen seiner Amtszeit die amerikanisch-russischen Beziehungen zu vergiften, um einen politischen Kurswechsel der Trump-Regierung zu verhindern. Weiter sagte sie: „Die Geschichte wird dieses Verhalten nach dem Prinzip ,nach uns die Sintflut' wohl kaum verzeihen.“

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