WikiLeaks-Enthüllungen bestätigen enge Kooperation von BND und NSA

Der deutsche Auslandsgeheimdienst hat den US-Geheimdiensten nicht nur massenhaft Daten geliefert, sondern auch bei der Erstellung von Spähsoftware direkt mit ihnen zusammengearbeitet. Das bestätigt der umfangreiche Datensatz, den die Enthüllungsplattform WikiLeaks Anfang Dezember veröffentlichte. Er dokumentiert die enge Kooperation zwischen deutschen und amerikanischen Geheimdiensten und lässt neue Einzelheiten darüber erkennen.

Der Datensatz umfasst etwa 90 Gigabyte an Informationen. Er besteht aus insgesamt 2420 Akten, die im Jahr 2015 an den NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages weitergeleitet wurden. Die Daten stammen WikiLeaks zufolge aus mehreren deutschen Bundesbehörden, darunter der Bundesnachrichtendienst (BND), das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI).

Wie WikiLeaks an die Daten gelangte, ist bislang unbekannt. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung schiebt die Verantwortung dafür Russland zu. Sie will „aus Sicherheitskreisen“ erfahren haben, dass die Daten aus einem Hackerangriff auf den Bundestag vom Frühjahr 2015 stammen könnten, für den Russland verantwortlich sei. Dafür gebe es eine „hohe Plausibilität“, weil keines der Dokumente nach Januar 2015 digitalisiert worden sei. Außerdem handle es sich ausschließlich um Dokumente des geringsten Geheimhaltungsgrads, die innerhalb des Bundestages im Umlauf gewesen seien. Eine Bestätigung für diese Vorwürfe gegen Russland gibt es nicht.

Das der deutsche Bundesnachrichtendienst und die amerikanische NSA eng zusammenarbeiten, war bereits im Juni 2013 durch die Enthüllungen von Edward Snowden bekannt geworden. Snowden hatte unter anderem aufgedeckt, dass beide Geheimdienste die Software XKeyscore benutzen, um den weltweiten Mobilfunk- und Internetverkehr zu filtern und zu durchsuchen.

Die jüngsten Veröffentlichungen zeigen, dass der BND die Software nicht nur nutzte, sondern auch an ihrer Entwicklung beteiligt war. Aus einem internen Dokument vom Juni 2013, das über die Kooperation mit den US-Geheimdiensten berichtet, geht hervor, dass ein BND-Mitarbeiter „zur Programmierung und Bewerkstelligung der Handhabung bzgl. XKeyScore für die Dauer von zwei Jahren“ abgeordnet wurde.

Der BND war sich außerdem der geheimdienstlichen Tätigkeit zahlreicher US-Firmen auf deutschem Boden bewusst. In einer Mail aus dem Bundeskanzleramt vom Januar 2014 werden u.a. Lockheed Martin, Northrop Grumman und Booz Allen Hamilton genannt. Für letztere hatte Edward Snowden zuletzt gearbeitet. Sowohl Lockheed Martin als auch Northrop Grumman würden „nachrichtendienstlichen Hinweisen zufolge“ auch mit britischen Geheimdiensten kooperieren.

Insgesamt ermöglichen die jetzt veröffentlichten Dokumente einen Einblick in das Vorgehen des Untersuchungsausschusses und in die Reaktionen von BND und Kanzleramt auf die Veröffentlichungen Snowdens und auf Anfragen durch den Ausschuss. Wer sich die Mühe macht, einen der Aktenbestände durchzusehen, bekommt ein Gespür dafür, wie der „tiefe Staat“ operiert.

Die unmittelbaren Reaktionen innerhalb des BND auf die Enthüllungen Snowdens waren von Panik geprägt. Zahllose hektische E-Mails in schneller Folge, allesamt mit kurzen Antwortfristen, sind ein Beleg dafür, wie sehr man seitens der Geheimdienste darauf bedacht war, möglichst wenig Informationen über die weltweite Bespitzelung an die Öffentlichkeit geraten zu lassen.

Viele dieser E-Mails befassen sich damit, welche Informationen man den zuständigen parlamentarischen Gremien zukommen lassen muss oder darf. Es wird über „Sprechzettel“ beratschlagt, die den zuständigen Vertretern der Geheimdienste an die Hand gegeben werden sollen, um auf alle denkbaren Fragen vorbereitet zu sein. Antworten auf Anfragen von Bundestagsabgeordneten zu den ersten Presseberichten werden beim BND und im Bundeskanzleramt von mehreren Stellen geprüft, kommentiert und bearbeitet, bevor sie schließlich – möglichst wortkarg und nichtssagend – herausgegeben werden.

Doch nicht nur die Geheimdienste selbst sind daran interessiert, dass möglichst wenig über ihre illegalen Praktiken und weltweite Bespitzelungsaktionen bekannt wird. Es ist beachtlich, wie feindselig die Oppositionsparteien im Bundestag auf die Enthüllungen von WikiLeaks reagiert haben.

Die Abgeordnete der Linkspartei im NSA-Untersuchungsausschuss, Martina Renner, beklagte, dass der Ausschuss nun weniger Einsicht in geheime Dokumente erhalten werde, auf die er im Rahmen seiner Arbeit angewiesen sei. Die Geheimdienste hätten stets argumentiert, dass der Ausschuss ein Risiko sei, weil über ihn Informationen an die Öffentlichkeit gelangen könnten. „Das aktuelle Leak gibt solchen Angriffen weiter Vorschub.“

Damit gab sie praktisch zu, dass die sogenannte „parlamentarische Kontrolle“ über die Geheimdienste darauf beruht, dass die Parlamentarier selbst Teil der geheimdienstlichen Verschwörung werden, und dass der Untersuchungsausschuss nur Dokumente zu Gesicht bekommt, die ihm die Geheimdienste freiwillig zur Verfügung stellen.

Der Vertreter der Grünen im Ausschuss, Konstantin von Notz, argumentierte ähnlich. Auf Twitter schrieb er: „Wer so etwas durchsticht, torpediert bewusst die Aufklärung und die notwendige Kontrolle der Dienste.“

Tatsächlich wird die Aufklärung des Spionageskandals dadurch torpediert, dass die Geheimdienste völlig unabhängig von jeglicher Kontrolle arbeiten können und sämtliche Bundestagsparteien daran interessiert sind, diesen Zustand aufrecht zu erhalten. In einer Situation, in der sich die politischen und sozialen Spannungen verschärfen, ist die herrschende Elite mehr denn je auf einen autoritären Sicherheitsapparat angewiesen.

Loading