Perspektive

Angebliche russische Hackerangriffe und das US-Debakel in Syrien

Die Behauptung der Medien, die russische Regierung habe E-Mails der Demokratischen Partei gehackt und geleakt, sind durch nichts belegt. Daran hat auch der jüngste Geheimdienstbericht nichts geändert.

Der Bericht, dessen für die Öffentlichkeit freigegebene Version am Freitag vorgelegt wurde, ist bar jedes faktischen Belegs für die Vorwürfe, die CIA und der Nationale Geheimdienstkoordinator James Clapper seit dem letzten Oktober erheben. Sie behaupten, Russland habe sich illegal Zugang zu Dokumenten des Demokratischen Nationalkomitees und von Hillary Clintons Wahlkampfleiter John Podesta verschafft.

Sogar die New York Times, Vorreiter in der anti-russischen Kampagne, musste in einem Nachrichtenartikel auf der Titelseite zugeben, dass es in dem freigegebenen Bericht an Fakten fehlt. Diese hatte die amerikanische Öffentlichkeit jedoch am meisten erwartet: harte Fakten als Beweis für die Vorwürfe der Dienste, die russische Regierung habe in die US-Präsidentschaftswahl eingegriffen.

Die Times schrieb: „Viele in Washington hatten erwartet, dass die Dienste starke Beweise vorlegen würden, um die Zweifel der Öffentlichkeit zu zerstreuen. Aber stattdessen fordern uns die Dienste auf, ihnen blind zu vertrauen.“

Wie die Washington Post berichtet, enthält auch der geheime Teil des Berichts „keine explosiven Enthüllungen“.

Trotzdem setzen die Medien ihre Kampagne fort. Damit wollen sie die kommende Trump-Regierung unter Druck setzen, eine aggressivere Linie gegen Russland zu fahren.

In den Sonntagmorgen-Talkshows traten Medienexperten und Reporter auf und taten so, als enthalte der Geheimdienstbericht den unwiderlegbaren Nachweis für russische „Einmischung“ in die Wahl. Diesen Eindruck erweckten auch die Republikanischen Kriegstreiber Lindsey Graham und John McCain.

In der Sendung „Meet the Press“ auf NBC News forderte Senator Graham, der designierte Präsident Donald Trump müsse „Russland die Rechnung für die Einmischung in die Wahl präsentieren“. Graham war gerade von einer Reise durch das Baltikum an der Grenze zu Russland zurückgekehrt, wo die Vereinigten Staaten zurzeit zusätzliche 4.000 Soldaten aufmarschieren lassen. Er erklärte: „Ich will eine Rechts-links-Kombination gegen Russland sehen. Ich will ihn [Putin] härter mit Sanktionen schlagen… Wir sollten mehr Ausbilder vor Ort haben, 365 Tage im Jahr, eine permanente amerikanische Ausbildungsmission in den baltischen Ländern, der Ukraine und Georgien.“

In dem anschließenden Interview behauptete die NBC-Moderatorin Andrea Mitchell, dass Russland Informationen, die es angeblich durch das Hacken der Demokratischen Führung erlangt habe, als Waffe nutze. Der New York Times-Kolumnist David Brooks erklärte: „Putin lässt Journalisten ermorden, zerstört den demokratischen Prozess in seinem eigenen Land und glaubt, dasselbe jetzt auch in unserem Land machen zu können.“

Die anhaltende Medienoffensive präsentiert unbewiesene Behauptungen der Regierung als unbestreitbare Wahrheiten. Hieran zeigt sich, dass hinter der Kampagne unausgesprochene (und unpopuläre) politische Absichten stehen, und nicht ausländische Angriffe auf den „demokratischen Prozess“ in Amerika.

Die Vorwürfe bezüglich russischer Hackerangriffen gegen das Wahlkampfteam von Hillary Clinton wurden zuerst vor mehr als fünf Monaten erhoben, um in der Öffentlichkeit Unterstützung für eine immer aggressivere Haltung gegenüber Russland zu mobilisieren, besonders mit Blick auf den Bürgerkrieg in Syrien.

Seit fast sechs Jahren betreibt die CIA den Regimewechsel in Syrien. Sie finanziert und bewaffnet islamistische Milizen, um den syrischen Präsidenten Bashar al-Assad zu stürzen, Russlands einzigen arabischen Verbündeten im Nahen Osten. 2013 wurden gefälschte Berichte verbreitet, die syrische Regierung habe Chemiewaffen eingesetzt, um einen umfassenden Luftkrieg gegen Assad zu entfesseln. Präsident Obama sagte den Luftkrieg im letzten Moment ab, weil die eigene Bevölkerung massiv dagegen war. Auch das militärische Establishment war gespalten, und die Unterstützung der Nato-Verbündeten stand auf wackeligen Füßen.

Zweifellos hatten die Obama-Regierung und das Clinton-Lager abgesprochen, die Rolle des US-Militärs nach dem erwarteten Wahlsieg der Demokratischen Kandidatin massiv auszuweiten, und dies auch schon konkret geplant. Der entscheidende Teil des Geheimdienstapparats unterstützte Clinton ebenfalls darin. Im Wahlkampf forderte Clinton wiederholt die Verhängung einer „Flugverbotszone“ und andere Maßnahmen, was die Gefahr eines direkten Konflikts mit russischen Kräften in Syrien heraufbeschwor. Hätte Clinton die Wahl gewonnen, wäre die Obama-Regierung wohl schon jetzt dabei, die Kriegspläne der CIA umzusetzen.

Die Wahl Trumps überraschte das politische Establishment und sie durchkreuzte zunächst diese Pläne. Nicht etwa, weil Trump weniger für Militarismus und Krieg stünde. Sein Schlachtruf „Amerika zuerst“ steht für eine Wende hin zum grenzenlosen Anspruch, amerikanische imperialistische Interessen mit jeglichem Mittel und gegen jedermann durchzusetzen, der als Konkurrent wahrgenommen wird, und sei es erst in ferner Zukunft. Aber Trump spricht für eine Fraktion der herrschenden Klasse und des amerikanischen Staates, die China als den vordringlichen Feind ansieht. Für sie ist die Beschäftigung mit Russland eine Ablenkung von der dringlichsten Aufgabe: gegen Beijing vorzugehen.

Am Samstag setzte sich Trump über das Briefing der Geheimdienste vom Vortag hinweg und bekräftigte auf Twitter seine ursprüngliche Skepsis gegenüber dem angeblichen russischen Hacking. Er schrieb: „Gute Beziehungen zu Russland sind gut und nicht schlecht.“

Die anti-russische Kampagne war wieder aufgelebt, als die syrischen Regierungstruppen mit Unterstützung russischer Luftstreitkräfte und iranischer Soldaten im Begriff waren, die amerikanischen Verbündeten unter den Islamisten aus ihrer letzten Hochburg in Ost-Aleppo zu vertreiben. Diese Niederlage der USA in Aleppo ist zum Teil für den hysterischen Charakter der Kampagne gegen russisches Hacking seit der Präsidentenwahl verantwortlich.

Diesen Zusammenhang machte der scheidende US-Verteidigungsminister Ashton Carter in der Sendung „Meet the Press“ am Sonntag deutlich. Im Verlauf des Interviews versuchte der Moderator und Kriegstreiber Chuck Todd, Verteidigungsminister Carter zu der Aussage zu verleiten, dass die angebliche Einmischung Russlands in die US-Wahl ein „Kriegsakt“ sei. Er stellte die Frage, ob das Verhalten Russlands nicht „eine militärische Reaktion“ rechtfertige. Er drängte Carter zu der Aussage: „Diese Regierung geht zu zögerlich gegen Russland vor.“

Carter erklärte, Russland habe sich „auf den syrischen Bürgerkrieg eingeschossen“ und habe „seine Interessen so definiert, dass sie die Vereinigten Staaten in Syrien frustrieren müssen“. Das habe zu der jüngsten „Aggression gegen unsere Demokratie selbst geführt“.

Vor fünfzehn Jahren hat Präsident George W. Bush die amerikanische Bevölkerung mit der offiziellen Lüge über angebliche irakische Massenvernichtungswaffen in einen Krieg gezogen, der ein verheerendes Blutvergießen im Nahen Osten auslöste. Zusammen mit Vizepräsident Dick Cheney und einer Kabale neokonservativer Ideologen bemühte er sich, Beweise zu konstruieren, dass der Irak an der Entwicklung von Nuklearwaffen arbeite.

Die CIA zwang sogar einen in Afghanistan gefangen genommenen al-Qaida-Kämpfer unter Folter zu der Falschaussage, dass die Terrororganisation mit der irakischen Regierung zusammen am Aufbau von Terrorausbildungslagern arbeite. Colin Powell wiederholte diese Lüge 2003 in seiner Rede vor den Vereinten Nationen, um den bevorstehenden Krieg gegen den Irak zu rechtfertigen.

Die Medien spielten damals eine entscheidende Rolle bei der Verbreitung der „Beweise“ der Bush-Regierung. Besonders die Reporter der New York Times, wie zum Beispiel Judith Miller, gaben sich als Sprachrohr der CIA her.

Millionen Menschen in aller Welt wussten, dass es Lügen waren. Sie wussten, dass es ein Krieg um Öl war. Sie gingen im Februar 2003 zu Millionen auf die Straße, um gegen den bevorstehenden Krieg zu demonstrieren, und es kam zu den größten Antikriegsdemonstrationen der Geschichte.

Fünfzehn Jahre später servieren uns die Sprachrohre des Militär- und Geheimdienstapparats die gleichen Lügen.

Bezeichnenderweise sind die Methoden die gleichen und die Ziele noch weitreichender. Der Unterschied besteht nur darin, dass es derzeit keine organisierte Opposition gibt. Das liegt jedoch nicht daran, dass die Unterstützung für Krieg heute größer wäre. Der Grund ist in der Rolle der Organisationen zu suchen, die vor fünfzehn Jahren die Proteste anführten und ihren Einfluss nutzten, um die Antikriegsstimmung hinter der Demokratischen Partei zu sammeln. Acht Jahre später hat die Obama-Regierung den Beweis erbracht, dass die Demokratische Partei nichts weiter ist als eine Partei des Militär- und Geheimdienstapparats. Folgerichtig haben sich die pseudolinken Organisationen selbst zu offen pro-imperialistischen Organisationen gewandelt, die den Krieg begrüßen.

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