Perspektive

Trumps Treffen mit Theresa May und der amerikanisch-europäische Konflikt

Das gestrige Treffen von Theresa May mit US-Präsident Donald Trump hätte für die britische Premierministerin ein politischer Coup werden sollen. Es sollte beweisen, dass Großbritannien bei seinem Austritt aus der Europäischen Union einen mächtigen Verbündeten hat und mit den Vereinigten Staaten einen Handelsvertrag schließen könnte, der mögliche Nachteile durch den Verlust des Zugangs zum europäischen Binnenmarkt wettmachen könne. Trumps Unterstützung, hieß es, könne May bei den Verhandlungen mit Deutschland und Frankreich sogar stärken.

Stattdessen hat Mays Besuch zu erbitterten Klagen führender Stimmen geführt, die für den britischen Imperialismus sprechen. Diese Entwicklung zeigt, wie sehr sich die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zwischen den USA und der übrigen Welt verschlechtert haben.

May traf am Vorabend der Auslösung von Paragraf 50 des EU-Vertrags in Washington ein. Dadurch werden zweijährige Verhandlungen über den Austritt aus der EU angestoßen. Die britische herrschende Klasse ist über die Frage des Brexit tief zerstritten. Führende Schichten, die beim Referendum im vergangenen Jahr für einen Verbleib in der Union eingetreten waren, fürchteten den Verlust des Zugangs zum europäischen Binnenmarkt. May versuchte diesen Interessengegensatz dadurch zu überbrücken, dass sie versprach, Trump zu erklären, dass „es ihr beim Brexit nicht darum gehe, die EU zu zerschlagen“.

Niemand glaubt, dass solche Versprechen irgendeine Bedeutung haben. Martin Wolf kommentierte in der Financial Times Trumps Rede zur Amtseinführung: „Der Bruch der Vereinigten Staaten mit dem Freihandel und ihre Unterstützung für Strafzölle bedeuten, dass deren Opfer, besonders China, zurückschlagen werden. Xis China kann die USA nicht ersetzen: das würde die Kooperation zwischen europäischen und asiatischen Mächten erfordern. Das wahrscheinlichere Ergebnis wird der Rückfall der Handelspolitik in einen Kampf jeder gegen jeden sein.“

Ein anderer Kolumnist, Philip Stephens, sagte über Trump: „Bei jedem Thema: Freihandel, Klimawandel, Nato, Russland oder Iran, kollidieren seine Ansichten mit den nationalen Interessen Großbritanniens, darunter auch bei seiner Unterstützung für die große Entzauberung des europäischen Projekts.“

Die vielleicht bemerkenswerteste Reaktion kam von Marti Kettle vom Guardian. Er spielte auf die Politik des Appeasement gegenüber Nazi-Deutschland an. „Wenn May glaubt, ein von Trump unterschriebenes Stück Papier, auf dem er ein Handelsabkommen mit den USA anbietet, sei ein Triumph, dann liegt sie falsch. Das würde sie nicht zu einer neuen Maggie Thatcher machen, sondern vielleicht zu einem neuen Neville Chamberlain.“

Trumps Aufstieg wird in den herrschenden Kreisen Großbritanniens und Europas inzwischen so verstanden, dass die Rolle der Vereinigten Staaten als Anker der europäischen Integration und Garantiemacht der imperialistischen Interessen Europas mittels der Nato endgültig vorbei ist. Trump hat die EU als ökonomischen Rivalen der USA und als Instrument Deutschlands bezeichnet, und die Vermutung geäußert, dass andere Länder dem Beispiel Großbritanniens folgen und austreten werden.

Seitdem befinden sich die kapitalistischen Länder Europas auf der verzweifelten Suche nach einer politischen, wirtschaftlichen und militärischen Antwort.

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel, der sich als künftiger Außenminister in Position bringt, erklärt: „Jetzt ist die Zeit, Europa zu stärken […] Wenn Trump einen Handelskrieg mit Asien und Südamerika beginnt, eröffnen sich damit auch Chancen für uns.“

In Frankreich reiste der Mitte-Rechts-Kandidat für die Präsidentschaftswahl im Frühjahr, François Fillon am Montag nach Berlin, wo er eine Rede vor der Konrad Adenauer Stiftung zu dem Thema hielt, wie Europa seinen Platz zwischen Donald Trumps Amerika, Wladimir Putins Russland und Xi Jinpings China verteidigen kann. Er regte eine engere Integration der EU an, bis hin zu einer europäischen Verteidigungsgemeinschaft mit einem gemeinsamen Budget für militärische Auslandseinsätze und zu der höchst umstrittenen Frage einer „engen Partnerschaft“ Europas mit Russland. Sein Rivale, der ehemalige Sozialist und jetzige Unabhängige, Emmanuel Macron, sandte die gleiche Botschaft in der Financial Times aus, allerdings ohne den Aspekt der Annäherung an Moskau.

Trumps Drohungen gegen China, Mexiko und Europa wurden von bürgerlichen Kommentatoren überwiegend als ein unerklärlicher Bruch mit der Politik seiner Vorgänger interpretiert. Das erklärt allerdings weder, warum er zum Präsidenten der Vereinigten Staaten aufgestiegen ist, noch warum ähnliche rechte Bewegungen in ganz Europa auf dem Vormarsch sind. In Frankreich liegt der Front National von Marine Le Pen bei der Präsidentschaftswahl in Führung und Geert Wilders von der niederländischen Partei für die Freiheit liegt bei den Umfragen für die dortige Parlamentswahl im März in Führung.

Der Rückgriff auf extremen Nationalismus, auf Einschüchterung und Gewalt ergibt sich unausweichlich aus dem Niedergang der globalen Position des US-Imperialismus vor dem Hintergrund des Zusammenbruchs des Weltkapitalismus, der sich im Finanzcrash von 2008 ankündigte. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion haben die USA versucht, ihrem wirtschaftlichen Niedergang durch die Anwendung militärischer Gewalt entgegenzuwirken. 25 Jahre später haben sich die Kriege Washingtons als glatte Katastrophen erwiesen, während ihre wirtschaftliche Position weiter abgerutscht ist. Das manifestiert sich vor allem im Aufstieg Chinas zu einer rivalisierenden Macht.

Das macht es den USA unmöglich, weiter ihre Position im Zentrum eines Netzes internationaler wirtschaftlicher und politischer Institutionen wie etwa der EU auszufüllen. Sie empfinden diese Rolle als Einschränkung von Washingtons unangefochtener globaler Hegemonie. Der Anspruch der USA auf militärische Überlegenheit im Nahen Osten und Nordafrika hat inzwischen dazu geführt, dass Moskau und Peking mit Krieg bedroht werden. Die Feindseligkeit gegen den wichtigsten europäischen Rivalen Amerikas in Europa, Deutschland, nimmt zu. Die Politik der USA in Europa läuft immer mehr auf ein „Teile und Herrsche“ hinaus.

Die Destabilisierung der Weltpolitik durch das Ziel Washingtons, seine Position als die dominierende Weltmacht zu stärken, treibt die europäischen Mächte in Konflikt mit den USA. Das ist der Weg in Handelskriege und militärische Konflikte.

Mays Pilgerfahrt zu Trump hat keine Chance, etwas gegen diese tief sitzenden und zunehmenden Konflikte auszurichten. Sie wurzeln in den unlösbaren Widersprüchen des kapitalistischen Weltsystems zwischen einer global integrierten und verflochtenen Wirtschaft und der Spaltung der Welt in antagonistische Nationalstaaten sowie dem gesellschaftlichen Charakter der globalen Produktion und ihrer Unterordnung unter die Akkumulation privaten Profits durch die herrschende Kapitalistenklasse durch den Privatbesitz an den Produktionsmitteln.

Diese gleichen Widersprüche treiben aber auch die Arbeiterklasse in den Kampf. Die Zerstörung von Arbeitsplätzen, Löhnen und Sozialleistungen ist stets begleitet von Handelskrieg und militärischer Aggression. Nur die Arbeiterklasse in Europa, den USA und in aller Welt kann Sparpolitik, politische Reaktion und Krieg ein Ende bereiten. Dafür muss sie einen revolutionären Kampf gegen den Kapitalismus aufnehmen.

Loading