Deutschland und Frankreich kritisieren Trumps Einreiseverbot

In den USA und auf der ganzen Welt mehren sich die Proteste gegen das Dekret von US-Präsident Donald Trump, das Menschen aus sieben muslimischen Ländern die Einreise in die USA verbietet.

Auch der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel und sein französischer Amtskollege Jean-Marc Ayrault kritisierten das Einreiseverbot und kündigten an, das Thema bei Gesprächen mit dem künftigen US-Außenminister Rex Tillerson zur Sprache zu bringen.

Ayrault erklärte, das Einreiseverbot biete Europa Anlass zu Sorge, und weiter: „Wir haben internationale Vereinbarungen unterzeichnet, deswegen ist unsere Pflicht, Menschen aufzunehmen, die vor Krieg und Unterdrückung fliehen ... Es gibt noch viele weitere Themen, die uns Sorge bereiten. Deshalb habe ich mit Sigmar darüber gesprochen, was wir tun werden. Wenn unser Kollege Tillerson offiziell zum Außenminister ernannt worden ist, werden wir uns beide mit ihm in Verbindung setzen.“

Gabriel behauptete, Trump habe durch seine Politik mit der westlichen Tradition gebrochen. „Dazu gehört auch Schutz für Verfolgte, dazu gehört Hilfe für Bedrohte und Bedrängte.“ Werte wie Nächstenliebe müssten gegenüber den USA als gemeinsame Grundlage deutlich gemacht werden.

Zweifellos ist Trumps Einreiseverbot reaktionär und verdeutlicht die rapide Ausbreitung von Polizeistaatsmethoden in der amerikanischen Innenpolitik. Allerdings ist die Kritik aus Berlin und Paris von Grund auf heuchlerisch. Sie soll die Europäische Union vor der Massenopposition gegen die Verfolgung von Muslimen und Einwanderern abschirmen und die Grundlagen dafür schaffen, dass ein europäisches Bündnis unter Führung von Berlin und Paris seine imperialistischen Interessen gegenüber Washington geltend macht.

In Libyen und Syrien haben die EU-Mächte gemeinsam mit Washington islamistische Milizen bewaffnet, damit diese Regimewechsel in ihren Ländern herbeiführen. Damit ist die EU mitverantwortlich für Hunderttausende Todesopfer und Millionen Flüchtlinge. Gabriels Gerede von „Nächstenliebe“ zum Trotz ist der Umgang der EU mit Flüchtlingen ebenso brutal und kriminell wie Trumps Vorgehen.

Als sich immer mehr Flüchtlinge auf den Weg machten, beendete die EU die Rettungsoperationen im Rahmen des Mare-Nostrum-Programms. Sie hoffte, dass Berichte über hohe Opferzahlen Flüchtlinge von der Fahrt über das Mittelmeer abschrecken würden. Die EU-Grenzschutzbehörde Frontex begrüßte diese Entscheidung und schrieb in einer Stellungnahme, die Einstellung des Programms würde „vermutlich zu einer höheren Zahl von Todesopfern“ führen. Sie war der Ansicht, dass somit „deutlich weniger Migranten versuchen werden, das Mittelmeer zu überqueren“. Im letzten Jahr sind mehr als 5000 Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken.

Flüchtlinge, die es bis nach Europa geschafft haben, werden in Lagern zusammengepfercht. Sie dürfen nicht in die Länder ihrer Wahl einreisen und werden aus Deutschland und anderen EU-Mitgliedsstaaten willkürlich ausgewiesen. Der italienische Außenminister Angelino Alfano erklärte zur Kritik an Trump gegenüber dem Corriere della Sera, es stehe Europa „nicht an, sich zu Entscheidungen anderer zu äußern. Oder sollen wir vergessen, dass auch wir in Europa Mauern bauen?“

Rechtsextreme Politiker begrüßten derweil Trumps Einreiseverbot. Geert Wilders von der niederländischen Partei für die Freiheit erklärte: „Ein Zuwanderungsstopp aus allen islamischen Ländern ist genau das, was wir brauchen ... Der Islam und die Freiheit sind unvereinbar.“ Matteo Salvini von der italienischen Lega Nord erklärte: „Es findet eine Invasion statt, und sie muss aufgehalten werden.“

Der europäische Kapitalismus stellt keine freundlichere, vernünftigere Alternative zu Trump dar. Seine eigene Vergangenheit zeigt, dass Trumps rücksichtsloses Vorgehen nicht einfach auf seine Persönlichkeit und auch nicht nur auf den fortgeschrittenen Verfall des amerikanischen Kapitalismus zurückzuführen ist, sondern auf die Widersprüche des Weltkapitalismus insgesamt. Das ist die treibende Kraft hinter dem gesellschaftlichen und politischen Zusammenbruch, der wiederum die Ursache für den imperialistischen Kriegskurs und die weltweite Misshandlung von Immigranten und Fremden bildet. Trump ist nur der vollendetste und bösartigste Ausdruck dieser Entwicklung.

Die europäischen Politiker, die Trumps militaristische und undemokratische Politik kritisieren, verteidigen andererseits Deutschlands Bestrebungen zur Remilitarisierung der Außenpolitik und Frankreichs faktisch dauerhaften Ausnahmezustand. Letzterer wurde benutzt, um Proteste gegen den Sparkurs der Regierung niederzuschlagen.

Die zynische und sorgfältig abgestimmte Kritik an der Trump-Regierung ist mehr als ein Versuch, die Anti-Trump-Proteste zu beschwichtigen. Wenn Trump mit seinem reaktionären Wüten Washington auf der ganzen Welt diskreditiert, versuchen Deutschland und Frankreich, ihre Position als führende Mächte auf dem europäischen Kontinent zu stärken.

Der französische Präsident Francois Hollande forderte am Samstag während eines Gipfeltreffens südosteuropäischer Staaten in Lissabon Europa zum Widerstand gegen Trumps Politik auf. Er verwies dabei nicht nur auf das Einreiseverbot, sondern auf eine ganze Reihe weiterer Themen. Dieser Aufruf verdeutlichte die starke Unzufriedenheit der EU-Mächte mit der amerikanischen Außenpolitik.

Hollande erklärte: „Wenn der Präsident der USA den Klimaschutz nur erwähnt, um zu sagen, dass er nicht von der Nützlichkeit [des Pariser Klimaschutzabkommens] überzeugt ist, müssen wir darauf reagieren. Wenn er protektionistische Maßnahmen einführt, die ganze Volkswirtschaften in Europa und im Rest der Welt destabilisieren könnten, müssen wir darauf reagieren. Und wenn er Flüchtlingen die Einreise verbietet, während Europa seinen Teil geleistet hat, müssen wir ebenfalls reagieren.“

Hollande warf Trump außerdem vor, er versuche die EU zu spalten, hatte er doch den Austritt Großbritanniens aus der EU als Vorbild für ganz Europa dargestellt. Hollande erklärte: „Wenn der Präsident der Vereinigten Staaten etwas über Europa sagt, und wenn er den Brexit als Vorbild für andere Länder bezeichnet, dann müssen wir reagieren. Wir müssen eindeutig unsere Position erklären und mit Nachdruck einen Dialog darüber beginnen, was wir denken.“

Bezeichnenderweise kritisierte Hollande Trump nicht für seine Anweisung an das Pentagon, Vorbereitungen für einen Krieg gegen die „fast gleichwertigen Konkurrenten“ der USA zu treffen, zu denen die Atommächte Russland und China und möglicherweise die europäischen Mächte selbst gehören. In militärischen Fragen deutete der französische Präsident an, er hoffe auf eine Einigung mit Washington. Über Syrien, den Irak und Russland erklärte er: „das alles sollte Thema eines Dialogs“ mit Trump werden.

Dennoch versuchen Berlin, Paris und andere mit ihnen verbündete EU-Staaten unverkennbar, die wirtschaftliche und strategische Position des US-Imperialismus zu schwächen. Diese Strategie muss früher oder später zu einem militärischen Zusammenstoß mit Washington führen, der katastrophale Folgen hätte.

Gabriel stellte in einem Interview mit dem Handelsblatt eine aggressive internationale Wirtschaftsstrategie unter der Führung Deutschlands in Aussicht, die sich gegen die USA richtet. Er erklärte: „Wenn Trump einen Handelskrieg mit Asien und Südamerika beginnt, eröffnen sich damit auch Chancen für uns … Europa sollte jetzt schnell an einer neuen Asienstrategie arbeiten …Wenn der US-Protektionismus dazu führt, dass sich neue Chancen für Europa in ganz Asien auftun, sollten wir zugreifen.“

Gabriel fügte hinzu, der Brexit eröffne Berlin und Paris auch die Möglichkeit, die EU umzugestalten und ihre Macht innerhalb der EU zu vermehren. „Er hat auch die Chance, die Zusammenarbeit einer Gruppe in der EU zu erhöhen – vor allem in der Währungsunion – und darum einen zweiten Ring einer schwächeren Integration zu legen. Das würde auch innerhalb Europas die Spannungen sehr reduzieren und Kerneuropa ungeheuer stärken.“

Ein „Kerneuropa“ unter der Führung von Berlin und Paris würde sich direkt gegen die europäische Arbeiterklasse richten. Jürgen Stark, ehemaliger Vizepräsident der Bundesbank, schlug in einem Interview mit der Zeitung Daily Telegraph vor, Italien, Griechenland und andere Staaten aus der Eurozone auszuschließen und eine starke „Kernzone“ des Euroraums aus Deutschland, Holland, Belgien, Luxemburg und Frankreich zu schaffen. Er äußerte die Hoffnung, dies würde eine striktere Geldpolitik ermöglichen und Politiker zur Umsetzung noch drastischerer Sparprogramme zwingen.

Stark erklärte: „Solange sie [die Europäische Zentralbank] durch ihre Tätigkeit signalisiert: ,wir sind der Rückhalt' und ,wir werden verhindern, dass ein Land zahlungsunfähig wird', solange wird es keine Strukturreformen geben ... Die Politiker erkennen den Ernst der Lage nicht.“

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